Kolumne Press-Schlag: Jähes Ende eines Höhenfluges
Die U21-Auswahl des DFB wird Opfer ihrer eigenen Grandiositätsfantasie. Das ist aber kein Grund, die Nachwuchsarbeit in Frage zu stellen.
K ommunikation ist alles. Und alles ist Kommunikation. Diese Regel ist ein treuer Begleiter in allen Lebenslagen. „Wir hätten viel mehr und viel klarer miteinander reden müssen“, sagte Horst Hrubesch nach dem Aus im Halbfinale der U21-EM. Wenn einer sagt, man habe nicht klar miteinander geredet, dann bedeutet dies, dass allerlei verborgen wurde. Und so hat es seinen Sinn, dass Hrubesch bei sich selbst ansetzt und sich „20, 30 Mal hinterfragt“.
Null-fünf gegen Portugal – das ist ein Debakel allererster Güte, die höchste Niederlage in der Geschichte der U21, eine der ärgsten Pflichtspielpleiten für Teams des DFB in der Neuzeit, was unweigerlich zu Fragen führt: Lag es tatsächlich nur daran, dass nicht offen miteinander geredet wurde? War es die Präpotenz mancher Helden wie Emre Can, der sich vorher für „den Größten“ hielt? Sind die jungen Leute schon jetzt zu abgehoben? Was hat der so oft gelobte Trainer mit der Niederlage zu tun?
Und überhaupt: Ist der deutsche Nachwuchs wirklich so schlecht, wie es das Ergebnis nahelegt?
Wahrscheinlich von allem etwas. Doch der Reihe nach: In Tschechien trat ein Team mit vielen Jungprofis an, die zwar gut sind, aber nicht so herausragend, wie es ihr Gegner aus Portugal war. In der körperlichen Anlage waren sie den Portugiesen genauso unterlegen wie technisch und taktisch.
In William Carvalho verfügt der Gegner über den besten Spieler des Turniers. Erst die Höhe macht das Aus zum Ereignis. Dass einer wie Emre Can, der sich vor dem Turnier zum „Leader“ ausgerufen hatte, jetzt mit Selbstkritik nicht sparte, ist die eine Seite – und ein erster Schritt aus dem Dilemma.
Dass er aber auch von einem „traurigen Tag für Deutschland“ sprach, darin drückt sich das etwas verrückte Selbst- und Weltbild von jungen Leuten aus, gepampert von Beratern, Vereinen, den Medien und dem DFB.
Erdung wiederhergestellt
Solche Grandiositätsfantasien sind nicht neu im DFB. Da ist zum Beispiel jene 1:2-Niederlage bei der EM 2012 gegen Italien. Auch da wähnte sich eine DFB-Elf bereit für höchste Aufgaben – und scheiterte an sich selbst. Deshalb dürfte die Pleite von Olomouc bei manchen Spielern für eine gewisse Erdung sorgen.
Die Nachwuchsarbeit rundheraus in Frage zu stellen wäre etwas zu weit gegriffen: Kürzlich erreichte die U17 das EM-Finale, bei der U20-WM war das deutsche Team im Viertelfinale, das Turnier in Tschechien sicherte immerhin die Olympia-Qualifikation, und im letzten Jahr wurde die U19 Europameister.
Nicht jede Generation bei der U21 kann das Potenzial für ein zukünftiges WM-Team haben. Es kann schon mal dauern. Nicht nur Jahre, sondern manchmal auch Jahrzehnte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Machtkämpfe in Seoul
Südkoreas Präsident ruft Kriegsrecht aus
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader