Australien: Radikaler Großmufti tritt nicht an

Obwohl er zum Oberhaupt der Muslime in Australien und Neuseeland gewählt wurde, tritt Al-Hilali nicht an. Die Mehrheit der Muslime dort atmet auf.

Kriegt keine Blumen mehr: Aldin Al-Hilali Bild: ap

SYDNEY taz Der libanesischstämmige Prediger Scheich Fehmi Naji El-Imam ist am Wochenende für die Dauer von zwei Jahren als Mufti von Australien und Neuseeland bestimmt worden. Der Rat der australischen Imame hatte zunächst den amtierenden gebürtigen Ägypter Aldin Al-Hilali wiedergewählt, der hatte aber "dankend abgelehnt" - auf Druck hin, wie Kritiker überzeugt sind.

Denn Al-Hilali polarisierte. Wenn die Xenophoben unter den Journalisten der australischen Boulevardpresse einen archetypischen "bösen Muslim" suchen, dann war Aldin Al-Hilali ein ideales Feinbild. Der 67 Jahre alte Scheich ägyptischer Abstammung bestätigt so ziemlich alle Vorurteile, die weite Teile der australischen Bevölkerung gegenüber ihren 300.000 MitbürgerInnen islamischen Glaubens hegen. Nicht nur spricht Hilali trotz Jahrzehnten im Land kaum ein Wort englisch (laut vielen Australiern der Beweis dafür, dass "die" sich nicht anpassen wollen), er kritisiert bei seinen Reisen ins arabische Ausland öffentlich seine Wahlheimat Australien ("Die sind nicht dankbar, bei uns leben zu dürfen"). Vor allem aber ist er erzkonservativ und interpretiert den Koran aufs Wort genau.

Hilali machte im vergangenen Oktober weltweit Schlagzeilen, als er nicht verschleierte Frauen mit "unbedecktem Fleisch" verglich. "Wird Fleisch auf die Straße gelegt, dann kommen die Katzen und essen es. Ist das nun die Schuld der Katzen oder des unbedeckten Fleisches?", so Al-Hilali. Was in etwa bedeutet, dass unverschleierte Frauen selbst Schuld sind, wenn sie vergewaltigt werden.

Dass mit dem fast 80 Jahre alten gebürtigen Libanesen Fehmi Naji El-Imam jetzt ein moderater Prediger das Amt übernimmt, wurde von der Mehrheit der australischen Muslime mit Erleichterung begrüßt. Für die meisten sind Al-Hilalis Sprüche inakzeptabel, peinlich und schädlich für das Ansehen der gesamten muslimischen Gemeinde. Und die ist in Australien so vielfältig wie die Religion selbst: Muslime aus fast allen Ländern der Erde haben im Verlauf der vergangenen 200 Jahre in Australien eine neue Heimat gefunden. So unterschiedlich wie ihre Herkunft sind auch ihre Glaubensrichtungen. Nur die wenigsten sehen sich als islamische Fundamentalisten, noch weniger gar als militante Islamisten. Was den Großteil verbindet, ist das Gefühl, Australier zu sein. Die Verbundenheit zum Land ihrer Geburt ist es, die gerade auch junge, moderne australische Muslime der zweiten oder dritten Generation dazu gebracht hat, Al-Hilali in der Öffentlichkeit zu kritisieren. Für sie kommt die Nachricht vom Wechsel keine Minute zu früh. Einige fragen gar, ob eine so vielfältige islamische Gemeinde überhaupt ein geistliches Oberhaupt brauche.

Dass es jetzt um Al-Hilali ruhig wird, ist unwahrscheinlich. Er bleibt Prediger in einer der größten Moscheen in Sydney. Es ist die Moschee, in der auch mehrere jener jungen Männer gebetet hatten, die vor bald zwei Jahren unter dem Verdacht verhaftet wurden, einen Bombenanschlag vorbereitet zu haben. Der Prozess dürfte noch vor den Parlamentswahlen später im Jahr stattfinden.

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