Frankreich: Superminister mit sozialem Gewissen
Jean-Louis Borloo ist jetzt Frankreichs Superminister für Umwelt und nachhaltige Entwicklung. Er folgt Alain Juppé, der seinen Wahlkreis verlor.
Jean-Louis Borloo, der tiefsitzende Lachfältchen um die Augen hat und sein grau meliertes Haar so trägt, als wäre er gerade aufgestanden, geben französische Rechte die Verantwortung dafür, dass die UMP beim zweiten Durchgang der Parlamentswahlen nur auf 313 von 577 Mandaten gekommen ist. Der 56-Jährige hatte eine Woche zuvor im Fernsehen zugegeben, dass er eine Erhöhung der Mehrwertsteuer erwägt.
Die PS stürzte sich genüsslich auf diesen Plan, die Lohnnebenkosten von den Unternehmen auf die Portemonnaies aller BürgerInnen umzuverteilen. Bei dem Wahlvolk hatte die PS-Kampagne Erfolg - auch, weil der Mehrwertsteuersatz schon bei 19,6 Prozent liegt.
Als Borloo seine Mehrwertsteuerbombe losließ, war er noch Wirtschaftsminister. Den Job behielt er exakt 32 Tage. Seit gestern hat er einen neuen. Borloo ist nun Superminister für Umwelt und nachhaltige Entwicklung, in Personalunion "Staatsminister" und Nummer zwei der Pariser Regierung.
Der neue Superminister ist ein rechter Anti-Juppé. Wo sein Vorgänger Alain Juppé steif, geschliffen und arrogant wirkt, ist Borloo jovial, populär und herzlich. Wo Juppé das Französisch der Absolventen der Elite-Verwaltungsschule ENA spricht, tritt Borloo schulterklopfend auf, wie im Stadion.
Doch anders als sein Ton suggeriert, ist er keiner, der von unten kam. Borloo wuchs im vornehmen 15. Pariser Arrondissement auf. Und machte Karriere als Unternehmensanwalt und Finanzberater. Mitte der 80er-Jahre weitet er seine beruflichen Aktivitäten auf den Bürgermeisterposten der wegen Unternehmensschließungen heruntergekommenen nordfranzösischen Provinzstadt Valenciennes aus. Dort kopiert er seinen Ex-Mandanten und Freund Bernard Tapie.
Borloo investiert viel Geld in den örtlichen Fußballclub (USVA), übernimmt dessen Leitung und begibt sich in die Lokalpolitik. Weil er es schafft, einige Unternehmen in die von Massenarbeitslosigkeit betroffene Region zu holen, und mehrere große Bauvorhaben in Valenciennes lanciert, gilt Borloo in Paris als das soziale Gewissen der französischen Rechten.
Seine Parteipolitik beginnt Borloo 1991 als Mitgründer der zentristischen "Génération Ecologie". Später tritt er der rechtsliberalen UDF bei. 2002 holt ihn Präsident Chirac in die Regierung, wo er als potenzieller Premier gehandelt wurde. Heute ist er in der UMP. Bei den rechten WählerInnen ist Borloo populär. Sie schickten ihn bei den Parlamentswahlen im ersten Durchgang mit absoluter Mehrheit ins Parlament. In seinem Superministerium muss er beweisen, dass eine rechte Umweltpolitik - ohne Atomkritik, aber mit neuen Arbeitsplätzen - möglich ist.
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