piwik no script img

KommentarG-8-Exzesse aufklären

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Der G-8-Gipfel ist vorbei, doch zu klären gibt es noch einiges: Der Einsatz der Bundeswehr im Inneren und die Übergriffe der Polizei.

D er G-8-Gipfel ist längst vorbei und der Zaun um Heiligendamm abgebaut. Ist es da nicht sinnvoll, die Scharmützel rund um den Gipfel ruhen zu lassen? Nein. Denn die Auseinandersetzungen während des Gipfels haben so viele Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen, dass es gut ist, wenn Aktivisten, Anwälte und Politiker an diesem Thema dranbleiben.

Ganz wichtig ist zum Beispiel, dass geklärt wird, wie weit die Befugnisse der Bundeswehr im Rahmen der "technischen Amtshilfe" gehen können und wo sie enden. Dass es in dieser Frage bisher nicht einmal eine gesetzliche Regelung gibt, ist eine unhaltbare Situation. Gerade in innenpolitischen Konfliktlagen sollte die Bundeswehr zu wenig mehr herangezogen werden als zum Verteilen von Erbsensuppe an hungrige Polizisten.

Unabhängig davon muss die Bundesregierung Verantwortung übernehmen für die hemmungslose Desinformation über den Umfang des Bundeswehreinsatzes rund um Heiligendamm. Und das im eigenen Interesse. Denn wer glaubt der Bundeswehr noch, dass sie sich in Afghanistan an das Mandat des Bundestags hält, wenn dem Parlament schon hierzulande der Einsatz von Tornados und gepanzerten Spähfahrzeugen einfach verheimlicht wird.

Zu begrüßen sind auch Klagen gegen Polizeiübergriffe auf friedliche Demonstranten. Wenn der Vorwurf im Raum steht, dass Frauen mit Vergewaltigung bedroht wurden, Inhaftierte 12 Stunden lang mit Kabelbindern gefesselt blieben, Anwälten der Zugang zu ihren Mandanten verweigert wurde, dann sollte hier nicht zur Tagesordnung übergegangen werden. Deutschland ist weder Bananenrepublik noch Polizeistaat. Denn bei allem Ärger über die Exzesse von Polizei und Bundeswehr sollte nicht vergessen werden: Es gab große bunte und friedliche Demonstrationen und Kundgebungen, die trotz der Demonstrationsverbote nicht niedergeknüppelt wurden.

Die im Raum stehenden Vorwürfe müssen jedoch gerichtlich aufgeklärt werden. Sollte dies angesichts der namenlosen und oft martialisch vermummten Polizisten an Grenzen stoßen, muss die Justiz auf eine bessere Kennzeichnung der Beamten drängen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • UM
    Udo Mai

    Lieber Autor!

     

    Warum sollte die Bundeswehr der Polizei keine Amtshilfe leisten? Für mich ist lediglich von Bedeutung, dass kein Soldat die Arbeit von Polizisten verrichtet. Aber was ist bitteschön daran auszusetzen, wenn Helikopter des Heeres Polizeitruppen transportieren? Soll der Staat lieber Geld in mehr Polizeihubschrauber verpulvern? Am Ende sind die Polizisten eh am Ort des Geschehens, so oder so. Da kommen mir derlei Einwände wie "das gilt nicht!"-Ausrufe aus dem Kindergarten vor. Man sollte sich lieber nicht darüber aufregen, dass die Polizei da ist (besonders wenn man sieht, was für Idioten die friedlichen Demonstrationen zu Guerrillakämpfen mit Pflastersteinen machen), sondern was die Polizei macht. Menschenrechtsverletzungen sind relevant, nicht Paragraphenkrämerei!

  • AM
    Artur Müller

    "Deutschland ist weder Bananenrepublik noch Polizeistaat."

    Sie haben wohl schon lange keinen Vertrag mit der Realität mehr, oder?