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StoiberZum Abschied ein Zukunftsprogramm

Ede Adé: In seiner letzten Regierungserklärung entwirft Bayerns scheidender Ministerpräsident Edmund Stoiber Pläne bis 2020.

Noch red i: Edmund Stoiber erklärt seinem Nachfolger Günther Beckstein, wie man Bayern regiert Bild: ap

MÜNCHEN taz Nein, eine Andacht war sie wahrlich nicht, Edmund Stoibers 18. und letzte Regierungserklärung im Bayerischen Landtag. Natürlich, von grünen Wiesen redete der bayerische Noch-Ministerpräsident, Wiesen, auf denen inzwischen Wirtschaft und Wissenschaft blühen. Und natürlich sprach der frühere CSU-König von der Spitze, die Bayern einnehme, bei Sicherheit, Kultur, Bildung, überall. "Bayern ist heute auf allen wichtigen Gebieten Benchmark in Deutschland!" Und klar ist, wer das erreicht hat: Edmund Stoiber.

Das Problem: So richtig hörte dem Mann, der den Freistaat 14 Jahre lang regiert hat, niemand mehr zu. Früher hatte er einmal autokratisch alle Geschicke Bayerns bestimmt, erst vor wenigen Tagen hat er mit stolzgeschwellter Brust seinen Freund Wladimir Putin besucht. Und nun also 75 Minuten Regierungserklären im schnöden bayerischen Freistaat, wo er inzwischen weniger gern gelitten ist. Gerade einmal sieben Minuten hatte Stoiber gesprochen, da musste der Landtagspräsident das erste Mal zur Ruhe auffordern. Nicht wegen Zwischenrufen aus Reihen von SPD oder Grünen. Nein, das ganze Parlament raunte und raschelte wie üblich. Keine Stille für den König. Symbolisch auch die Respektlosigkeit seiner beiden designierten Nachfolger: Günther Beckstein, der im Oktober Ministerpräsident werden soll, kam als vorletztes Kabinettsmitglied, neun Minuten zu spät. Der Favorit auf den CSU-Vorsitz, Erwin Huber, nahm gar eine halbe Stunde zu spät Platz im Plenum.

Dabei gabs zum Abschied natürlich wieder einen klassischen Stoiber. Er sei "schon eine geraume Zeit im Landtag", nämlich "seit 1947", teilte der Mann, Jahrgang 1941, dem erstaunten Plenum mit. Und Stoiber verteilte zum Abschied auch viel Geld: 1,5 Milliarden Euro sollen zusätzlich in Kinder, Bildung und Arbeit investiert werden, ganz genau, wie es eine von ihm einberufene außerparlamentarische Kommission im April vorgeschlagen hatte.

Größter Posten: 38.000 Studienplätze und 3.000 neue Stellen in "Fächern mit besonderer Arbeitsmarktrelevanz" - macht 570 Millionen Euro. Dazu gibts 385 Millionen Euro für Leuchtturmprojekte wie den Aufbau eines Forschungsnetzwerkes Immuntherapie oder die Errichtung neuer Fraunhofer-Institute. Der Rest verteilt sich auf einen Ausbau der - in der Fläche Bayerns derzeit kaum existenten - Kinderbetreuung, den Aufbau von 600 Ganztagshauptschulen, die Verbesserung des Klimaschutzes und auf den Tourismus.

"Diese 1.5 Milliarden sind ein erster Startschuss", sagte Stoiber. "Die Gutachter selbst gehen von Gesamtinvestitionen von 8 Milliarden Euro bis 2020 aus." Und er freute sich über eine weitere Expertenprognose. Wenn alle Potenziale ausgeschöpft würden, gäbe es bis 2020 eine Wachstumsdividende. Womit Stoiber wieder bei seinem Problem ankam: wenn und künftig. Denn ab 10. Oktober wird Beckstein übernehmen. Stoiber, tatkräftig wie immer, muss abgeben.

Pflichtgemäß auch noch Stoibers Einordnung der Finanzpläne, um die es im Vorfeld viel Ärger in der CSU gegeben hatte: "Das, was ich hier vorstelle, ist kein umfassendes Programm, das will es nicht sein, das kann es nicht sein." Es bleibe noch genügend Spielraum, versicherte Stoiber mit Blick auf seinen Nachfolger. Beckstein hörte nachdenklich zu, Begeisterung sieht anders aus.

Wahrscheinlich treffend die anschließende Gegenrede von Oppositionsführer Franz Maget (SPD): Die Regierungserklärung zeige, wie wenig Vertrauen Stoiber in seine Nachfolger habe. "Die Frage aller Fragen ist unbeantwortet geblieben", stellte Maget auch fest. "Warum? Warum muss Stoiber gehen, wenn alles so toll ist?" Der schaute reglos unter sein Pult.

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