Dresden: Fledermaus stoppt Brückenbau
Die Dresdner Waldschlösschenbrücke wird nach einem Gerichtsurteil nun doch erst einmal nicht gebaut. Gegner hoffen auf einen Kompromiss.
Was die Unesco nicht geschafft hat, schafft nun die Kleine Hufeisennase. Weil die geschützte Fledermausart im Planfeststellungsverfahren nicht genug berücksichtigt worden sei, untersagte das Verwaltungsgericht Dresden gestern überraschend den Baubeginn der umstrittenen Waldschlösschenbrücke. Es gab damit einem Eilantrag der Naturschutzverbände Grüne Liga, BUND und Nabu auf vorläufigen Rechtsschutz statt. Damit wird der für kommenden Montag geplante Baustart der Brücke erneut auf unbestimmte Zeit verschoben.
Die vor Jahrzehnten bereits erwogene und 1996 vom Stadtrat beschlossene Brücke hat zahlreiche Umplanungen erfahren und spaltete die Stadt zunehmend in zwei Lager. Gegner führten vor allem ihre immensen Baukosten von 160 Millionen Euro, ihre verkehrspolitische Sinnlosigkeit und die Schädigung der Landschaft ins Feld. Die Befürworter, meist aus dem konservativen Lager von CDU und FDP, versprachen hingegen Verkehrsentlastung und wirtschaftliche Effekte. Während ein Bürgerbegehren gegen die Brücke in den Neunzigerjahren gestoppt wurde, sprachen sich 2005 zwei Drittel der Dresdner in einem Bürgerentscheid für den Bau aus.
Der Streit gewann eine neue Dimension, als die Unesco den monströsen Bau für unvereinbar mit dem erst 2004 an das Dresdner Elbtal verliehenen Welterbetitel erklärte. Sie setzte in diesem Sommer der Stadt eine letzte Frist bis zum 1. Oktober für einen Kompromiss. Ansonsten drohe die Aberkennung des Titels.
Vor allem Künstler und Intellektuelle der Stadt kämpfen seither um den Erhalt des Welterbetitels. Wöchentlich finden Montagsdemonstrationen statt, und auch für den 13. August war eine solche Großdemonstration geplant. Die Bundesregierung übte sanften Druck aus, Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee drohte gar mit dem Entzug von Fördermitteln. Dresdens Stadtrat, in dem die Brückengegner in der Mehrheit sind, ging bis vor das Bundesverfassungsgericht. Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt hält den Titel hingegen für "verzichtbar" und will die Brücke unbedingt in der derzeit geplanten Größe bauen. Das Dresdener Regierungspräsidium ordnete den Baubeginn und die sofortige Vergabe von Bauleistungen an, um weitere Verzögerungen auszuschließen.
Dass nun ausgerechnet eine geschützte Tierart den als sicher geltenden Baubeginn stoppt, überrascht umso mehr, als ähnliche Bedenken vor zwei Jahren vom gleichen Gericht schon einmal verworfen worden waren. Die Richter beriefen sich nun auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur Westumfahrung von Halle (Saale), wonach strengere Maßstäbe an eine naturschutzrechtliche Prüfung anzulegen sind. In einer ersten Reaktion zeigte sich die grüne Stadträtin Eva Jähnigen erleichtert. "Das entstandene Zeitfenster muss nun für einen Kompromiss mit der Unesco genutzt werden, in den auch die Naturschutzbelange einfließen müssen", sagte die grüne Fraktionssprecherin.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rückgabe von Kulturgütern
Nofretete will zurück nach Hause
Autoritäre Auswüchse beim BSW
Lenin lässt grüßen
Nach Ermordung von Jamshid Sharmahd
Deutschland schließt Konsulate des Iran
BSW in Thüringen auf Koalitionskurs
Wagenknecht lässt ihre Getreuen auf Wolf los
Kamala Harris’ „Abschlussplädoyer“
Ihr bestes Argument
Nahostkonflikt in der Literatur
Literarischer Israel-Boykott