Kommentar: Ungiftig ist teurer
Mattel musste Spielzeug zurückrufen, weil die Kontrollen der China-Exporte zu lax waren. Wer sein Kind vor giftigem Billigspielzeug schützen will, muss mehr bezahlen.
W er mal durch die Spielzeugabteilung eines Warenhauses oder einen Spielzeugsupermarkt geschlendert ist, um Geschenke für den Nachwuchs zu erwerben, den dürften Schwindelgefühle erfasst haben: Das Angebot an blinkendem, kitschigem, schrillbuntem Ramsch ist schier überwältigend. Zudem werden Teddys, Rennautos und Puppen aller Art immer billiger. Mit Mattel hat diese Woche nun ein bekannter Markenartikler eine Rückrufaktion bisher nie gekannten Ausmaßes von in China produzierten Barbiepuppen und Autos gestartet. Das Beispiel zeigt, wie sehr selbst ein Unternehmen, von dem der Verbraucher gewöhnlich Qualität erwartet, sich dem immensen Preisdruck der Branche ausgesetzt sieht.
Siebzig bis 80 Prozent aller in Deutschland verkauften Spielzeuge werden heute in China hergestellt. Die Kontrollen der eingeführten Waren sind lax - und offensichtlich gesundheitsschädliches Spielzeug wie bleiverseuchte Plastikpüppchen wohl nur die Spitze des Eisberges. Täglich spielen Kinder mit Plastikbällen voller Weichmachern, mit nervenschädigendem Kadmium in Quietscheentchen oder krebserzeugenden Schwermetallen in Filzstiften. Die EU hat sich gerade erst davor gedrückt, mit einer umfassenden Chemikalienrichtlinie konsequent gegen diese Schadstoffe in unserem Alltag vorzugehen.
Wer Kinder vor diesen Gefährdungen schützen will, dem bleibt nichts anderes übrig, als tiefer ins Portemonnaie zu greifen - und sich umfassend zu informieren. Natürlich gibt es Anbieter, die ihre Mobiles, Schnuffeltücher oder Bauklötze aus Selbstverpflichtung ökologisch herstellen. Doch auch das Spielzeug in Marktsegmenten der unteren Preisskala müsste teurer werden. Das würde nicht nur zu einer Qualitätssteigerung der Produkte führen. Es könnte langfristig auch dazu beitragen, dass die Arbeitsbedingungen der chinesischen Beschäftigten verbessert werden.
Es darf aber nicht von der Einsicht der Tante oder dem Einkommen der Eltern abhängen, ob ein Kind von gesundheitsgefährdendem Spielzeug verschont bleibt oder nicht. Der Verbraucher ist damit überfordert. Das Problem muss politisch gelöst werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!