Irak-Kommentar: Stunde der Wahrheit in Basra
Die Amerikaner sind entsetzt über den schrittweisen Abzug der Briten aus dem Irak. In Basra können sie studieren, wie der "gescheiterte Staat" aussieht, den sie im Irak geschaffen haben.
O ffiziell wird der Abzug aus Basra nicht als Niederlage, sondern als "geplanter und organisierter Umzug" verkauft. Viereinhalb Jahre nach Beginn des Irakkrieges wurde die zweigrößte irakische Stadt offiziell an die irakischen Sicherheitskräfte übergeben. Doch es ist wahrlich kein Erfolgskapitel, das die Briten jetzt abgeschlossen haben.
Karim El-Gawhary ist Nahost-Korrespondent der taz.
Schon als sich die Briten noch mitten im Zentrum der Stadt befanden, konnten sie nicht verhindern, dass die schiitischen Milizen offen gegeneinander um die Macht in der ölreichen Provinz Basra kämpften. Der irakische Verwaltungs- und Sicherheitsapparat, an den die Briten übergeben, hat sich längst in eine Spielwiese der Milizen verwandelt. Sie stehen nun in den Startlöchern, um das hinterlassene Vakuum zu füllen. Die schiitische Fadhila-Partei stellt die Wächter der Ölquellen. Sadrs Mahdi-Armee kontrolliert die lokale Polizei, und die Badr-Milizen haben den örtlichen Geheimdienstapparat und die Elitetruppen des Innenministeriums unterwandert.
Mit all diesen schiitischen Milizen wächst auch der iranische Einfluss auf die Region. Nun wird sich zeigen, wie groß der Fehler war, Teheran nicht in die Suche nach einer politischen Lösung für den Irak einzubeziehen, sondern nur schlicht zum Schurken zu erklären. Das Geschenk Basra wird Teheran sicher erst einmal freudig annehmen. Ob sich die Mullahs in Zukunft aber als Ordnungsmacht oder Chaosstifter betätigen werden, hängt vom Verhalten der USA gegenüber dem Iran ab.
Die Amerikaner sind "wenig amüsiert" darüber, dass sich ihre britischen Partner ausgerechnet in Zeiten amerikanischer Offensiven und Truppenverstärkungen Schritt für Schritt aus dem Irak zurückziehen. In Basra können sie jetzt schon im Kleinen studieren, wie der "gescheiterte Staat" aussieht, den sie im Irak geschaffen haben.
Bizarr bleiben dabei die britischen Absetzungsmanöver der letzten Tage, als der frühere britische Generalstabschef Mike Jackson Washingtons Irakpolitik als "intellektuell bankrott" bezeichnet hatte - ganz so, als wäre Tony Blair unfreiwillig in den Irakkrieg gezogen. Ein wenig mehr Selbstkritik würde den Briten sicherlich besser zu Gesicht stehen.
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