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Kommentar KoreaGeorge W. Bush ist am Zug

Jutta Lietsch
Kommentar von Jutta Lietsch

Ohne eine Anerkennung Nordkoreas wird es keinen Frieden geben. Für einen Friedensvertag braucht es also noch einen dritten Unterzeichner: George W. Bush.

D ie Friedenserklärung, die Nordkoreas "Großer Führer" Kim Jong Il und der südkoreanische Präsident Roh Moo Hyun gestern zum Ende ihres Gipfels unterzeichneten, verpflichtet zu nichts. Sie ist eine rein symbolische Absichtsbekundung.

Für einen Friedensvertrag, der den 1953 mit einem Waffenstillstand beendeten Krieg formal zum Abschluss bringen würde, braucht es auch die Unterschrift eines Mannes, der als unsichtbarer Dritter in Pjöngjang dabei war: des Präsidenten der USA. Nur George W. Bush oder sein Nachfolger kann den sehnlichsten Wunsch des nordkoreanischen Regimes nach einer diplomatischen Anerkennung erfüllen - verbunden mit Sicherheitsgarantien und einem Ende der Sanktionen.

Das wusste auch der Gast aus dem Süden. Seine Regierung - und die seines Vorgängers - hat in den vergangenen Jahren offenen Auges Milliarden in den Norden investiert und Konzerne wie Hyundai mehr oder weniger gedrängt mitzutun. Die Hoffnung: bessere Lebensbedingungen für die Landsleute jenseits der Grenze zu erkaufen. Diese Haltung ist im Süden sehr umstritten. Falls die Opposition bei den Wahlen im Dezember siegt, wird das Geld wohl spärlicher fließen. Die Südkoreaner wissen aber, dass Bettlerkönig Kim sie dringend braucht - auch, um nicht noch stärker abhängig von China zu werden. Denn die Chinesen treten in Nordkorea nicht nur als Verbündete, sondern auch als Geschäftsleute auf: Sie pochen für ihre Öl- und Lebensmittellieferungen auf Gegenleistungen in Form von Rohstoffen und anderen Produkten.

Doch Hilfe und Investitionen in großem Stil, die Kim und sein Land brauchen, gibt es erst nach einer Einigung mit Washington. Bush ist jetzt - anders als am Anfang seiner Amtszeit - bereit für einen Deal, vorausgesetzt, Kim beerdigt seine Atompläne und verschrottet seine Bomben. Die jüngste Übereinkunft bei den Pekinger Atomverhandlungen, den Yongbyon-Reaktor bis Ende des Jahres unbrauchbar zu machen, ist ein kleiner Schritt dahin. Sie kann wie frühere Vereinbarungen von beiden Seiten leicht torpediert werden. Beide, Kim und Bush, spielen weiterhin auf Zeit - in der Hoffnung, dass der andere zuerst nachgibt. Zum Frieden in Korea ist noch ein steiniger Weg.

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Jutta Lietsch
taz.eins-Redakteurin
Bis Anfang 2012 Korrespondentin der taz in China, seither wieder in der Berliner Zentrale. Mit der taz verbunden seit über zwanzig Jahren: anfangs als Redakteurin im Auslandsressort, zuständig für Asien, dann ab 1996 Südostasienkorrespondentin mit Sitz in Bangkok und ab 2000 für die taz und andere deutschsprachige Zeitungen in Peking. Veröffentlichung: gemeinsam mit Andreas Lorenz: „Das andere China“, wjs-verlag, Berlin
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