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Eklat um Deutsch-Iraner"Dejagah muss doch kein Held sein"

Der Fußballer Ashkan Dejagah will nicht für Deutschland gegen Israel spielen. Das ist keineswegs skandalös, sondern verständlich, findet der Grüne Omid Nouripour

Der Deutsch-Iraner Dejagah will nicht am Länderspiel Deutschland-Israel teilnehmen. : dpa

taz: Der Zentralrat der Juden wirft dem U-21-Nationalspieler Ashkan Dejagah "antiisraelisches Verhalten" vor. Richtig oder falsch, Herr Nouripour?

Omid Nouripour: Falsch. Er versucht nur, sich an die iranischen Gesetze zu halten. Für einen Doppelstaatler wie Dejagah heißt das, dass er nach dem Gesetz nicht nach Israel einreisen darf - das steht in jedem iranischen Pass. Sonst würden ihm bis zu zwei Jahre Gefängnis drohen. Und davor hat er Angst. Zudem hat er Familie im Iran, sein Bruder spielt in der Ersten iranischen Liga. Da hat er auch für seine Leute eine Fürsorgepflicht. Dejagah ist nicht für die falschen Gesetze im Iran verantwortlich.

Omid Nouripour (32) geboren in Teheran, ist Abgeordneter der Grünen im Bundestag. Der Deutschiraner rückte auf den Platz von Joschka Fischer, der sein Mandat abgab. 2007 erschien von ihm das Buch "Mein Job, meine Sprache, mein Land. Wie Integration gelingt" bei Herder. In seiner Kindheit war er Fußballfan des FC Bayern München - "wofür ich mich heute schäme", wie er sagt. Er ist Mitglied von Eintracht Frankfurt.

Zweifelhaftes Lob

Iranische Medien waren über Dejagahs Weigerung begeistert: Die Sportzeitung Goal bezeichnete Dejagahs Entscheidung als "heroisch und meisterlich". Das staatliche Fernsehen befand Dejagahs Entscheidung als "ein sehr ehrenvolles Verhalten von einem jungen Mann, der nicht mal im Iran aufgewachsen ist".

In den israelischen Medien spielte das Thema keine Rolle.

Die CDU sagt: "Er muss sich zu unserer durch Geschichte und Kultur geprägten Gemeinschaft bekennen." Richtig oder falsch?

Richtig. Er hat den deutschen Pass angenommen. Da muss er die Geschichte und deren Konsequenzen kennen und dazu stehen. Das heißt aber nicht, dass er sich als Iraner über alles Lebenspraktische hinwegsetzt. Nirgendwo im Grundgesetz steht, dass ein deutscher Nationalspieler besonders mutig sein muss.

Der DFB-Vorsitzende Theo Zwanziger sagt: "Heute Iraner, morgen Deutscher. Das wird nicht gehen." Richtig oder falsch?

Dieser Satz hat mich erschreckt.

Warum?

Unterschwellig heißt das doch: Er muss sich entscheiden, ob er Deutscher oder Iraner sein will. Aber erstens kann er den iranischen Pass qua Gesetz gar nicht abgeben. Zweitens befinden wir uns mitten in der Loyalitätsdebatte der deutschen Integrationspolitik. Kann jemand überhaupt zwei Pässe haben - und dann loyal Deutschland gegenüber sein? Das geht doch überhaupt gar nicht. Diese Debatte ist gefährlich. Ich hatte gehofft, dass wir diese Loyalitätsparanoia überwunden haben.

Haben wir nicht?

Nein. Der Mann kann sonst Iraner und Deutscher sein - als Nationalspieler ist er natürlich nur Deutscher. Das geht zusammen. Ich habe auch zwei Pässe, den deutschen und den iranischen. Wenn ich im Bundestag sitze, ist es für mich selbstverständlich, dass ich Deutscher bin. Das Existenzrecht Israels ist auch mein Primat der deutschen Außenpolitik. Wenn ich aber als Abgeordneter einer offiziellen Delegationsreise nach Israel fahren würde, hätte das für mich im Iran rechtliche Konsequenzen. Aber soll ich jetzt mein Mandat abgeben?

"Heute Deutscher, morgen Iraner": Das ist eine Kritik an der rot-grünen Einwanderungspolitik?

Aber die Kritik wird der Realität nicht gerecht. Dejagah ist heute Deutscher und Iraner - und morgen auch. Klar repräsentiert er als Nationalspieler Deutschland - und das soll er gefälligst auch tun. Trotzdem gibt es ungerechte Gesetze im Iran, von denen er und seine Familie betroffen sind. Das hat mit mangelnder Loyalität gegenüber Deutschland nichts zu tun. Alle sagen jetzt: Er hätte ein Zeichen setzen können. Dejagah hat sich für die feige Variante entschieden. Mag sein. Aber das kann ihm niemand vorwerfen. Er muss kein Held sein.

Was könnte denn seiner Familie passieren?

Er hätte sich selbst in Schwierigkeiten gebracht, weil er vermutlich nicht mehr in den Iran reisen könnte - wegen der zwei Jahre Gefängnis, die ihm drohten. Dejagah könnte so viele DFB-Länderspiele haben wie Franz Beckenbauer, das interessiert die Iraner aber nicht. Und man darf nicht vergessen, dass sich die gesellschaftliche Situation im Iran verändert hat. Allein im Jahr 2007 gab es bisher 150 Hinrichtungen. So viele wie lange nicht mehr. Und die Stimmung ist ängstlich und bedrohlich.

Besteht nicht die Gefahr, dass Präsident Ahmadinedschad Dejagahs Länderspielabsage propagandistisch nutzt?

Sicher hat Dejagah Fehler gemacht. Hätte er gesagt, er sei verletzt, es hätte keinen interessiert. Natürlich kann er jetzt propagandistisch missbraucht werden im Iran. Aber er ist erst 21 Jahre alt - und bisher nur als Party-Boy aufgefallen. Soll man von ihm jetzt verlangen, dass er sich sicher in hochkomplexen politischen Zusammenhängen bewegt?

Hätte der DFB diese Zusammenhänge begreifen müssen?

Der DFB hätte erklären können, wie die Gesetzgebung im Iran funktioniert und warum Ashkan Dejagah und seine Familie dafür nichts können. Und: Die Familie hat Vorrang. Punkt. Dann hätte das einen anderen Geist gehabt.

Was folgt jetzt aus diesem Fall, der sich auf der Ebene der Nationalteams oder im Uefa-Cup wiederholen kann?

Vielleicht findet sich eines Tages ein Held, der dieses Zeichen setzt - hoffentlich dann mit einer anderen privaten Situation im Rücken. Aber wenn Spieler wie Dejagah nicht die Kraft haben, sich gegen das gesamte iranische Establishment zu stellen, dann kann man die nicht mit der großen Moralkeule verhauen.

INTERVIEW: THILO KNOTT

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