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WachschutzNeuköllner Schulen bleiben unbehütet

Dienstleister Dussmann will keine Schulen in Neukölln bewachen. Bezirk hält am privaten Security-Konzept fest und will mit anderen Sicherheitsfirmen verhandeln.

Neuköllns Schüler bekommen vorerst keine Wachschützer vor die Nase gesetzt. Die Dussmann-Gruppe, die den Auftrag zur privaten Bewachung von 13 Schulstandorten im Bezirk erhalten hatte, entschied gestern, diesen abzulehnen. Peter Ritter, Sprecher bei Dussmann, begründete die Entscheidung des Unternehmens mit "großen Mängeln und offenen Fragen beim Konzept", aber auch mit der "geringen Akzeptanz des Pilotprojekts durch den Senat, Parteien und Schulen". Weil etwa die Aufgabenstellungen entgegen der Ausschreibung von Schule zu Schule variierten, "funktioniert das ganze System der Sicherheit nicht", sagte Ritter zur taz. Das Konzept, das am 29. Oktober in Kraft treten sollte, sei "so nicht umsetzbar". Darum sei der Vertrag mit dem Bezirksamt gekündigt worden.

Neuköllns Bürgermeister Heinz Buschkowsky und sein Bildungsstadtrat Wolfgang Schimmang (beide SPD) reagierten empört auf den Rückzug Dussmanns. Sie betonten, es gebe keine zusätzlichen Aufgaben, die über das Angebot hinausreichten. Vielmehr seien die bisherigen Gespräche über die Aufgaben der Sicherheitsdienste zwischen den Schulen und dem Unternehmen sehr gut verlaufen. "Alles andere ist Quatsch", polterte Buschkowsky. Er glaubt, dass Dussmann "kalte Füße" bei der Wachschutzsache im sogenannten Problembezirk Neukölln bekommen habe.

Trotz der Pleite mit Dussmann will Buschkowsky an dem Projekt weiter festhalten. Das Wachschutzkonzept, das er angesichts wachsender Gewalt und von Sicherheitsdefiziten an vielen Neuköllner Schulen im Spätsommer 2007 gegen Widerstände durchgedrückt hatte, verzögert sich nun nach Angaben des Bezirksbürgermeisters um mindestens "vier bis sechs Wochen". Am heutigen Dienstag will sein Bildungsstadtrat erste Gespräche mit anderen Firmen aufnehmen, die sich auch an der Ausschreibung beteiligt hatten. "Eine der Firmen erhält dann den Zuschlag", so Schimmang. Diese müsste dann konkrete Verabredungen mit den Schulen treffen.

In der Absage hatte die Dussmann-Gruppe diesen Punkt besonders kritisiert. Mit den Schulleitern sei "nicht ausreichend Zeit vorhanden gewesen, alles bis ins Detail zu erarbeiten", sagte Ritter. Im September erst habe das Bezirksamt das Security-Projekt ausgelobt. Anfang Oktober habe Dussmann - bei dem in Berlin über 800 Wachschützer beschäftigt sind - den Zuschlag erhalten. Nun werde von Schulen zum Teil gefordert, dass die Sicherheitsleute morgens vor den Eingängen "alle Schülerausweise kontrollieren sollen". Bei Dimensionen von 800 bis 1.300 SchülerInnen pro Lehranstalt "sind Sie da erst am Nachmittag fertig", so Ritter. Außerdem hätten erfahrungsgemäß nicht alle Schüler ihre Ausweise dabei.

Der Dussmann-Sprecher ließ dem Bezirk eine Tür offen: Ein runder Tisch mit Bezirk, Schulkonferenz und Wachschutz könne ein "realistisches Konzept" erarbeiten, "das gut umgesetzt" werden könne. Dass der Bezirk darauf eingehen wird, ist unwahrscheinlich.

Kritik am Neuköllner Bezirksamt übte gestern die CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus. Die Entscheidung Dussmanns bedeute eine "Klatsche" für den Bezirksbürgermeister, sagte Frank Henkel, bildungspolitischer Sprecher der CDU. Denn das gesamte Wachschutzprojekt sei "mit heißer Nadel gestrickt worden".

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