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Eskalation zwischen Türken und KurdenDie gefährliche Wut

Scheiben werden eingeworfen, Geschäfte geplündert. Der Konflikt zwischen türkischen Militär und Separatisten der kurdischen PKK spaltet die türkische Gesellschaft.

Die Flagge immer dabei: Türken in Istanbul demonstrieren gegen die PKK.

BODRUM/ISTANBUL taz Just dort, wo normalerweise gestresste Istanbuler ihren Urlaubscocktail trinken und Touristen aus England und Deutschland die Jachten im Hafen bestaunen, wogte am Sonntagnachmittag ein rotes Fahnenmeer. Einen Tag vor dem gestrigen Nationalfeiertag war die Empörung über die Anschläge der PKK auch in Bodrum, dem mondänsten türkischen Urlaubsort angekommen. Anlässlich der Beerdigung eines Soldaten, der bei Kämpfen mit der PKK erschossen worden war, schwenkten Tausende am historischen Hafen Türkeifahnen und schrien: "Nieder mit der PKK". Und: "Wir werden unsere Märtyrer nicht vergessen."

MILITÄR GEGEN PKK

Mit einer Demonstration der Stärke gegen die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK hat die Türkei am Montag ihren Nationalfeiertag begangen. In allen großen Städten des Landes wurde mit Militärparaden der Gründung des türkischen Staates durch Mustafa Kemal Atatürk vor 84 Jahren gedacht. Eine Woche nach dem tödlichen Angriff der PKK auf einen Posten der türkischen Armee haben unterdessen Soldaten an der Grenze zum Irak 100 PKK-Kämpfer eingekreist. Mutmaßliche PKK-Stellungen wurden mit Kampfhubschraubern angegriffen. Die Türkei droht mit einem Militäreinsatz im Nordirak gegen die PKK.

Dabei ist Bodrum die hedonistische Hochburg ganz im Westen des Landes. Die Küstenstadt liegt nicht nur geografisch am weitesten von den Kämpfen an der irakischen Grenze entfernt. Auch mental hat sie den größten Abstand zur nationalen Hysterie. Der Aufmarsch ist somit ein besorgniserregender Indikator für den Aufruhr, der die Türkei derzeit erfasst hat. Der Zorn und die Wut auf die kurdischen Separatisten der PKK hat mittlerweile alle Gesellschaftsschichten erfasst. Was diese Wut so gefährlich macht, ist nicht nur die daraus resultierende nahezu ungeteilte Unterstützung für einen Einmarsch in den Nordirak, sondern vor allem die latente Spaltung der Gesellschaft.

Bei etlichen Vorfällen in den letzten Tagen gingen Türken und Kurden aufeinander los, nur weil sie eben Türken oder Kurden sind. Da wurden Scheiben von Cafés eingeschlagen, weil die Besitzer angeblich oder tatsächlich Kurden sind, ein Geschäft wurde geplündert, eben aus demselben Grund. Hauptziel der Attacken bis jetzt sind aber die Büros der kurdischen Parlamentspartei DTP im Westen des Landes. In Bursa, in den Istanbuler Stadtteilen Pendik, Eminönü und Zeytinburnu wurden DTP-Büros mit Molotow-Cocktails beworfen, Scheiben wurden eingeschlagen und die Einrichtung demoliert. In Ayvalik wurde das DTP-Büro sogar völlig nieder gebrannt. Einige Personen wurden dabei verletzt, glücklicherweise nicht lebensgefährlich.

Die Stimmung im Land ist hochexplosiv. In Mugla - wie Bodrum im Südwesten des Landes gelegen - hatten am Sonntag zwei Drogenabhängige einen Teenager überfallen und beraubt. Prompt machte das Gerücht die Runde, Kurden hätten den Jungen überfallen. Spontan kam es daraufhin in der eigentlich für ihre Liberalität bekannten Stadt zu Ausschreitungen gegen Kaffeehäuser, die als kurdische Treffs gelten.

Auf der anderen Seite explodierte bei einem Anti-PKK-Aufmarsch am Wochenende in Kocaeli eine Bombe. Etliche Menschen wurden verletzt, auch dort nicht lebensgefährlich.

Zusätzlich angeheizt wurde die Atmosphäre durch den 84. Tag der Republik am Montag. Wo schon zu normalen Zeiten allerorts Aufmärsche stattfinden und Fahnen geschwenkt werden, ertrinkt das Land dieses Jahr förmlich im Fahnenpatriotismus. Noch das letzte Klohäuschen ist mit Halbmond und Stern behängt, allein in den letzten fünf Tagen, meldete die Zeitung Hürriyet am Montag, wurden fünf Millionen türkische Flaggen verkauft.

Ministerpräsident Tayyip Erdogan, der zuletzt mit scharfen Sprüchen an die Adresse der USA den Konflikt noch weiter angeheizt hatte, versuchte am Montag zumindest nach innen hin dämpfend zu wirken. Man dürfe den Zusammenhalt der Gesellschaft nicht durch die PKK zerstören lassen. Präsident Abdullah Gül erinnerte in seiner Rede zum Nationalfeiertag daran, dass in der Türkei und davor im Osmanischen Reich über Jahrhunderte verschiedene Ethnien friedlich zusammengelebt hätten. "Das", so Gül, "macht den Reichtum des Landes aus."

Im Moment stellt sich die Frage, ob diese Erkenntnis nicht zu spät kommt. In den letzten Jahrzehnten war sie stets mit der Parole "Wir sind alle Türken" bekämpft worden war. Paradoxerweise heizt selbst das Eingeständnis, dass die Türkei durchaus nicht nur von ethnischen Türken bevölkert ist und dass es nicht nur um Terrorismusbekämpfung geht, sondern auch um die Lösung der kurdischen Frage, den Konflikt an. In den 90er-Jahren hatte auch zu den Hochzeiten der Kämpfe mit der PKK in der türkischen Bevölkerung immer die Parole gegriffen, es ginge nicht um ein kurdisches Problem, sondern um ein Terrorismusproblem. So falsch diese Propaganda auch war, sie trug dazu bei, dass der normale Türke die PKK nicht mit den Kurden gleichsetzte. Das ist nun anders. Nach mehreren Jahren aufgeregter Debatte um die Kurdenfrage werden die Kurden nun für die Anschläge der PKK in Haftung genommen. Zumindest sollen sie sich von der PKK öffentlich distanzieren.

Das verweigert die DTP-Fraktion im Parlament. Das ist vordergründig der Anlass, warum ihre Büros nun gezielt von Grauen Wölfen und anderen nationalistischen Organisationen angegriffen werden. Am Wochenende setzte die DTP-Politikerin Leyla Zana noch eins drauf. Sie gehört zwar nicht zur Parlamentsfraktion, ist aber immer noch eine ihrer prominentesten Figuren der DTP. Zana forderte, dass der PKK-Führer Abdullah Öcalan, der in einem Sondergefängnis auf der Insel Imrali in Haft sitzt, in ein leichter zugängliches Gefängnis verlegt wird, damit er "den Kontakt zu seinem Volk wieder aufnehmen kann". Das ist Wasser auf die Mühlen der Nationalisten und verstärkt das falsche Bild, die Kurden würden doch alle mit der PKK sympathisieren.

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4 Kommentare

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  • W
    Weltbürger

    Türken und Kurden müssen begreifen, dass es nicht gegeneinander, sondern nur miteinander geht. Die radikale PKK versucht seit jahrzehnten sich als "Führer der Kurden" aufzuspielen. Man muss aber wissen, dass sich die Kurden aus unterschiedlichen Stämmen zusammensetzen. Wie im Orient üblich, kommt erst die Familie , dann der Clan, dann der Stamm und zuletzt das Volk bzw. der Staat. Wer über "die Kurden" spricht, sollte dies wissn. Will sagen, wenn es der PKK gelingen sollte, einen Krieg anzuzetteln, dann wird die ohnehin instabile Lage noch weiter destabilisiert. Der Irak und die Kurden dort, werden ohne es zu wollen in den Konflikt mithinein gezogen und das ist Ziel der PKK. Es geht um alles, wenn man den Frieden als bezeichnen möchte. Denn ohne Frieden gibt es keine Wirtschaft und ohne Wirtschaft keinen Wohlstand. Nur mit friedlichen Mitteln werden Lösungen gefunden. Es ist natürlich sehr schwer, jetzt, wo Menschen gestorben sind, einfach den Hebel umzulegen und mit diplomatischen Mitteln alles zu regeln. Und doch wird die Türkei und die Weltgemeinschaft, besonders die USA, dies tun müssen. Die Türkei hat sich in den letzten Jahren nur darauf beschränkt die PKK mit militärischen Mitteln zu bekämpfen. Hoffentlich wird es hiernach anders und die Kurden, als türkische Staatsbürger und Minderheit , besser in die Gesellschaft und in den Staat integriert. Aber auch die Kurden dürfen sich nicht von der PKK vereinnahmen lassen und müssen selbstbewußter ihre Interessen mit demokratischen Mitteln vertreten.

  • AO
    Ali Onur Firat

    Damit es auch nicht in Deutschland soweit kommt (hat leider schon in Berlin etwas angefangen), sollte Herr Schäuble Vertreter von türkischen und kurdischen Vereinen in Deutschland alle an einen Tisch bringen (statt sich für freiheitsberaubende Online-Durchsuchungen einzusetzen...).

  • BA
    Benjamin Aydin

    Gül lügt, wenn er behauptet, dass im Osmanischen Reich die verschiedenen Ethnien friedlich zusammengelebt haben. Die christliche Bevölkerung musste höhere Steuern zahlen, es gab immer wieder Übergriffe und auch regelrechte Massaker der muslimischen Osmanen an den Christen, ohne dass die Täter zur Rechenschaft gezogen wurden, die Christen waren (und sind es ja auch heute noch) Menschen 2. Klasse.

     

    An Zynismus nicht zu überbieten ist die Behauptung Güls, die verschiedenen Ethnien würden den Reichtum des Landes ausmachen, nachdem das Osmanische Reich und auch die Republik in den Gründungsjahren fast die gesamten Christen Kleinasiens wahlweise abgeschlachtet oder vertrieben haben. Von ursprünglich 25% - 30% Christen in Kleinasien leben dort noch 0 Komma irgendetwas Prozent dort.

     

    "Nicht nur von ethnischen Türken" schreibt der Autor. Wer sind denn die ethnischen Türken und was haben die eigentlich in Kleinasien zu suchen, Herr Gottschlich?

     

    Mit freundlichen Grüßen

    Benjamin Aydin

  • ND
    nihat deman

    Sehr geehrte herr Gotlisch ich lese ihre Artikel schon etwas länger und finde sie immer etwas pro türkischem staats doktrin .Ich frage sie welche kurden nicht mit der PKK sympathisieren?Mir fallen da nur die Bergtürken ein!?Sonst weis ich das alle Kurden mit den kurden Sympathsieren die für ihre Grundrechte sich einsetzen egal ob es pdk oder die puk oder die pkk ist. Bitte hören sie auf die pkk zubekämpfen weil sie sonst in den Verdacht kommen die Kurden zubekämpfen, da wir kurden alle wissen, das wenn die pkk von der türkischen staatsmacht sowie diese es sich erträumen geschlagen werden ,dan die anderen kurdischen fraktionen ins visier des türkentums geraten werden.Ich hoffe das sie diese tiefen erkennen können.