Frauenfußball-WM in Deutschland: Kleines Sommermärchen
Spätestens wenn die WM 2011 zu uns kommt, wird Frauenfußball in aller Munde sein. Am Alltag der Sportart wird das nichts ändern: Sie bleibt randständig.
Wissen Sie, ob am Wochenende der 1. FFC Frankfurt sein Punktspiel gewonnen hat? Auf welchem Tabellenplatz Essen-Schönebeck steht? Wie viele Nationalspielerinnen Bayern München gerade stellt? Die Antworten auf die Fragen nach dem letzten Spiel von Borussia Dortmund, dem Tabellenplatz von Hertha BSC und den Nationalspielern des HSV wären Ihnen leichter gefallen, stimmts?
Denn zwar geht es bei alledem um Fußball, und über Fußball wissen ja heutzutage wahnsinnig viele Menschen wahnsinnig gut Bescheid. Aber: Die Fragen eins bis drei drehen sich, wie Sie vermutlich schon erkannt haben, nicht um Männer-, sondern um Frauenfußball.
Frauenfußball. Jetzt fällt es Ihnen aber doch gleich ein, richtig? Genau, da war neulich diese große Sache: Die deutschen Fußballerinnen sind in China Weltmeisterinnen geworden. Seit gestern Nachmittag steht fest, dass sie in vier Jahren auf ziemlich viel Unterstützung rechnen dürfen, wenn sie den Titel verteidigen. Das Exekutivkomitee der Fifa hat in Zürich Deutschlands Bewerbung um die Ausrichtung der WM 2011 den Vorzug vor der Bewerbung Kanadas gegeben. Die Kampagne des DFB trug den Titel "Wiedersehen bei Freunden". Wegen 2006, dem Fußball-Sommermärchen, das so hübsch und überraschend passend unter dem Titel "Die Welt zu Gast bei Freunden" in unserem kleinen Land gefeiert wurde.
Das wird also bestimmt wieder lustig, 2011. Da kommen viele Leute aus Skandinavien, welche aus Frankreich und England, die habens ja nicht so weit, und sicher auch ein paar Amerikaner und Asiaten. Gut, wird vielleicht alles ein bisschen kleiner als voriges Jahr, auch weniger in München und Hamburg, dafür mehr in Magdeburg und Augsburg stattfinden. Aber ein bisschen kleiner ist doch in Ordnung. Die Sache ist ja die: Frauenfußball ist kein Männerfußball.
Darauf wären Sie jetzt vielleicht auch selbst gekommen. Aber man muss es ab und zu erwähnen. Gerade wenn der Frauenfußball wegen Titelgewinnen und Turnier-Ausrichtungen in aller Munde ist. Denn: Sonst ist er es nicht. Der Alltag des Frauenfußballs ist, na ja, sagen wir mal: etwas randständig. Nicht viele Spielerinnen können den Sport professionell betreiben, die Liga hat ein enormes Gefälle, in der vergangenen Saison kamen zu allen Erstligaspielen zusammen weniger als 100.000 Zuschauer, im Schnitt gut 700 pro Spiel.
Gut, mögen Sie sagen, ist so schlecht doch nicht. Mit den masseneuphorischen Bewegungen im Westfalenstadion oder der Schalke-Arenen hat das allerdings nichts gemein. Womit wir beim Catch 22 der Angelegenheit wären: Frauenfußball ist kein Männerfußball, aber eben doch Fußball und wird daher ständig mit Männerfußball verglichen. Frauenfußball findet allerdings auch deswegen überhaupt - zumindest momentweise, wie gerade jetzt - so große Beachtung, weil es eben Fußball ist.
Also das eine Objekt, das sich die Massen ausgesucht haben und dem sie auch ständig ausgesetzt werden, auf dass sie es als Katalysator für Gefühlsaufwallungen und Gemeinschaftserlebnisse benutzen. Bei einer WM funktioniert das auch, wenn es Frauen sind, die Fußball spielen. Jedenfalls, solange sie gewinnen.
Im Alltag hilft ihnen das wenig. Es geht ja bei der Gesamtinszenierung Fußball nicht wirklich und ständig um Sport, erst recht nicht um hochklassigen. Wäre Qualität der Maßstab, müsste die Männerliga gerade massive Zuschauereinbrüche erleben. Tut sie aber nicht. Männerfußball ist Theater, es geht sehr viel um Tradition und Träume. Und darum, am Tresen Unsinn reden zu können. Männer, die Fußball spielen, tun das stellvertretend für die, die ihnen zuschauen, und die, die ihnen zuschauen, fühlen sich als Teil von etwas Größerem. Was auch immer das sein mag. Je genauer man die Angelegenheit betrachtet, desto irrationaler wird sie. Aber irgendwo müssen all diese Leute, mehrheitlich bekanntlich Männer, mit ihren Gefühlen eben hin. Also tragen sie sie zum Männerfußball.
An dessen Ausnahmestellung als Illusions- und Beschäftigungsmaschine wird sich auch nichts ändern, wenn mehr Mädchen Fußball spielen und Frauenfußball professioneller wird. Frauenfußball ist kein Spielplatz für kollektive Selbstvergewisserung, es ist einfach eine Sportart wie viele andere.
Falls Sie sich nun für diesen Sport doch interessieren, aber gerade nicht auf dem letzten Stand sind: Am Wochenende hatte die Liga Spielpause, Essen-Schönebeck ist Tabellensechster und Bayern stellt keine aktuelle Nationalspielerin. Frauenfußball ist eben etwas ganz anderes als Männerfußball. Das ist nicht das Schlechteste. Nur manchmal etwas schwieriger.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen