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Kommentar BosnienRussisches Abenteuer

Erich Rathfelder
Kommentar von Erich Rathfelder

Die serbische nationalistische Politik wird von einem wiedererstarkten Russland gestützt. Der neue Ost-West-Gegensdatz droht auf dem Balkan eine gefährliche Dimension anzunehmen.

N och will es niemand so recht wahrhaben, was auf dem Balkan geschieht: In Bosnien drohen gefährliche Auseinandersetzungen, die bisher mehr schlecht als recht in diplomatische Aktivitäten gehüllt werden. Die Realitäten im Voraus zu erkennen und präventiv zu handeln, hat beim letzten Konflikt auf dem Balkan in den 90er-Jahren vor allem in Europa nicht geklappt. Jetzt sieht es ganz so aus, als ob sich die betrüblichen Erfahrungen von damals wiederholen.

taz

ERICH RATHFELDER ist Korrespondent der taz auf dem Balkan.

Die balkanischen Konflikte sind zum Kristallisationspunkt eines neuen Ost-West-Gegensatzes geworden. Wesentlich ist nicht, dass Führung und Bevölkerungsmehrheit Serbiens an den alten politischen Zielen festhalten, das Kosovo nicht zu verlieren und einen Teil Bosniens und Herzegowinas hinzuzugewinnen. Und dass der starke Mann der Serben in Bosnien, Milorad Dodik, alles tun will, um den durch Krieg und ethnische Säuberungen erreichten serbisch-bosnischen Teilstaat Republika Srpska zu erhalten, ganz wie sein Vorgänger, der Kriegsverbrecher Karadþic. Dass er damit die europäische Perspektive für den gesamten Staat vernagelt, ist Dodik gleichgültig. Dies wurde von allen Seiten mehr oder weniger akzeptiert - irgendwann würden sich die Serben schon besinnen, hofften die westlichen Diplomaten.

Wesentlich ist, dass die serbische nationalistische Politik inzwischen von einem wieder erstarkten Russland gestützt wird. Es ist abenteuerlich, wie Russland Öl ins Feuer der latenten Konflikte auf dem Balkan gießt, indem es im Weltsicherheitsrat den Kompromiss-Plan der Vereinten Nationen für einen Status des Kosovo zu Fall gebracht hat und jetzt offen hilft, die Serben Bosniens in eine Konfrontation mit den anderen Volksgruppen und dem Westen zu führen. Noch erscheint der Konflikt in Bosnien zwar künstlich. Falls Russland aber tatsächlich am 21. November ein Veto im Weltsicherheitsrat gegen die Verlängerung des Mandates der Eufor-Friedenstruppen einlegen sollte, erreichte der neue Ost-West-Gegensatz auf dem Balkan eine gefährliche und unkalkulierbare Dimension.

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Erich Rathfelder
Auslandskorrespondent Balkanstaaten
Erich Rathfelder ist taz-Korrespondent in Südosteuropa, wohnt in Sarajevo und in Split. Nach dem Studium der Geschichte und Politik in München und Berlin und Forschungaufenthalten in Lateinamerika kam er 1983 als West- und Osteuroparedakteur zur taz. Ab 1991 als Kriegsreporter im ehemaligen Jugoslawien tätig, versucht er heute als Korrespondent, Publizist und Filmemacher zur Verständigung der Menschen in diesem Raum beizutragen. Letzte Bücher: Kosovo- die Geschichte eines Konflikts, Suhrkamp 2010, Bosnien im Fokus, Berlin 2010, 2014 Doku Film über die Überlebenden der KZs in Prijedor 1992.
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5 Kommentare

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  • SR
    Serbischer Rheinländer

    an den markus: nur ein Volk unter vielen anderen auf dem Balkan und Europa ist.

     

    das hast du sehr gut erkannt, und aus diesem grund verlangen die serben auch genau sie selben rechte und natürlich auch pflichten wie die anderen völker auf dem balkan und in europa.

    allerdings bekommen wir keine rechte, sondern werden immer wieder mit neuen pflichten konfrontiert, albanern das kosovo abgeben, den muslimen BiH "wobei vor dem 85% der grundbucheintragungen in BiH serbisch waren", die krajina den kroaten und von überall werden die serben vertrieben. die kroaten haben nicht das recht gehabt sich für unahbhängig zu erklären, da die serben in kroatien zu zeiten jugoslawiens gleichberechtigt waren,warum wird das hier nicht erwähnt? warum werden die tausenden serbischen toten nicht erwähnt? wieso nicht die millionen vertriebenen? das ist die typisch anti serbische politik der deutschen freien medien!

  • M
    Markus

    Genau das ist es ja...in dem Neuralpunkt getroffen Dirk oder sollte Dirk ein Serbe sein?!

    Die Wahrheit tut verdammt weh aber währt am längsten "Dirk",ne!Die serbischen Nationalisten haben allerdings die eigene Wahrheit über alles.

    Keiner will den Serben was böses "Dirk", nur sie müssen verstehen dass sie nur ein Volk unter vielen anderen auf dem Balkan und Europa ist.

    Ist das nicht normal?! Es wird nun mal nie "Serbia od beca do Soluna"(Serbien von Wien bis Thesaloniki" geben.Es wird nur ein friedliches miteinander zwischen Serben, Griechen, Alnbanern und anderen Völkern geben...

    Tut das weh "Dirk".Das sollte aber nicht! Alle Menschen sind gleich und nur Menschen!Hat den soetwas auch Goebbels gesagt...interessant,das habe ich nicht gelesen!Keines ist "Volk des Himmels" auch nicht die Serben.

    Das sollte doch keinen beunruhigen oder etwa doch?!

    Übrigens hinter Markus versteckt sich kein Erich, das ist nur eine von unzähligen verschwörungsteorien, die in deinem Kopf wachsen.

  • DG
    Dirk Gober

    @Markus;

    Mal ein Wort zum Begriff "Wahrheit":

    wo war denn die "Wahrheit", als Rathfelder (und mit ihm fast 100% der westlichen "freien" Presse unter Mißachtung jeglicher journalistischen Seriosität gegen alles Serbische hetzten (und viele tun es noch heute)? Wo war denn die Wahrheit, als Verbrechen mal nicht VON Serben, sondern AN Serben verübt wurden (im Kroatien-, Bosnien- und Kosovo-Krieg)? Hat Rathfelder (oder andere) damals darüber berichtet? Sogar die wirklich parteiische Del Ponte hat es geschafft, gegen Kroaten, bosnische Moslems und Kosovo-Albaner Anklagen in Haag zu erheben, während Rathfelder bei seinen Ustascha- und UCK-Freunden saß. Hat sich beispielsweise die taz, die Pächterin der "Wahrheit" jemals um die eigene Geschichtsbewältigung, mit der unsäglichen rassistischen Propaganda gegen Serben (und explizit NICHT gegen die Milosevic-Bande) gekümmert, so wie das die 68-er-Schwätzer von den eigenen Eltern verlangt haben?

    Und dann kommt irgendein "Markus" daher, plappert nach, was ihm die beste Propaganda seit Goebbels eingehämmert hat und verlangt, man solle kuschen, wenn es darum geht, wenigstens am Rande mal darüber zu reden, wie es denn kommt, daß man Serben genau die Rechte vorenthalten will, die man für Moslems und Kosovaren mit völkerrechtswidrigen Angriffskriegen und Bombardements auf die Zivilbevölkerung durchgesetzt hat.

    Offensichtlich gelingt es solchen Markusens nicht, den Inhalt des Leserbriefs von "Nenad" zu erfassen. Arme Bosnier, Kroaten und Albaner mit solchen Verbündeten. Oder sollte Markus doch ein Erich sein?

  • M
    Markus

    Es ist leider immer so: wenn jemand die Wahrheit über die Serbenpolitik sagt, er wird sofort als Feind, der antiserbische Kommentare und Haltung hat.

    Die Serben können sich offensichtlich nicht mit der Tatsache abfinden, dass der Westen endlich sie und ihre megalomanische und Menschenverachtende Politik der Gandarmen des Balkans nicht mehr mit geschlossenen Augen und schweigend hinnehmen kann und will.

    Die Entnazifizierung dieses Volkes sollte heute stattfinden.Sonst Morgen kann es zu spät sein!

    Das käme zum guten nicht nur Europa und Balkanvölkern sondern am meisten den Serben.

    Das hinnehmen von barbarischen Politik der Serben über die Jahrzente hat die Europa in dieser Ausweglossigkeit gebracht.

  • N
    Nenad

    Herr Rathfelder,

     

    die taz macht Werbung damit, sie sei wahrer Luxus. Ist Ihr Kommentar ihrer Meinung nach Luxus? Ist dieses Vokabular, das Sie hier benutzen, und das mich stark an das Vokabular von Springer-Medien aus den Zeiten der Balkankriege in den 90ern erinnnert, ist das Luxus? Zum Beispiel "Führung Serbiens" anstatt "Regierung" oder "der starke Mann der Serben in Bosnien" anstatt "Ministerpräsident der Republik Srpska". Sie sind Journalist und wissen ganz bestimmt über die Wirkung dieser kleinen Abweichungen von der Objektivität. Damals, in den 90ern wurden Begriffe wie "Serbenführer" auch sehr gezielt eingesetzt, um eine antiserbische Stimmung in die nichts ahnende und unwissende Masse zu bringen. Wenn sich ein Kommentator solcher Tricks bedient, ist das für Sie Luxus, wird das Ihren Lesern gerecht?

     

    Aber solche Feinheiten könnten weniger wichtig sein, wenn die Skizzierte Situation treffend wäre. Aber das ist sie nicht. Es zeigt sich sogar, dass das erwähnte Vokabular lediglich die Wirklichkeitsverzerrungen flankieren soll, die Sie hier Ihren Lesern vorsetzen. Es ist einfach eine falsche Wiedergabe der Wirklichkeit, wenn Sie nahelegen Dodik würde einfach die Politik von Karadzic fortsetzen, eine "serbische nationalistische Politik". Dodik ist Sozialdemokrat, ein aufgeklärter Linker, seine Partei (sogar von Ihm gegründet), der "Bund der unabhängigen Sozialdemokraten" ist assoziiertes Mitglied der "Sozialistischen Internationale". Er ist ein Sozialdemokrat in einem Staat, das sehr stark nationalistisch und religiös geprägt ist. Er ist deshalb "nationalistischer" als Beck und Brown aber es ist eine Frechheit (besser Dummheit, denn Ihre Leser sind nicht so dumm wie Sie denken) ihn in die Ecke zu Karadzic und zu den ethnischen Säuberungen stellen. Denn dann legen Sie dem Leser nahe, er müsste gar nicht weiterdenken: Dodik = Karadzic = Fascho = böse q.e.d. Ich habe mitlerweile den Eindruck, dass dies tatsächlich ihr Anliegen ist. Aber solcher Journalismus, und sei es nur ein Kommentar, ist nicht Luxus. (Übrigens, für die FR ist Dodik der "charismatische Ex-Basketball-Profi", also irgendwie harmlos.)

     

    Und schließlich zum derzeitigen Problem Bosniens. Für Sie ist es die "serbische nationalistische Politik" und die Unterstützung dieser durch die Russen. War das der Grund dieser Krise? Lajcaks ad-hoc-Gesetzes-Änderungen, die er den bosnischen Politikern mitlerweile nicht einmal ankündigt sind nicht der Erwähnung wert? Und der kürzliche Misserfolg der EU, eine Unitarisierung der Polizei durchzusetzen hat nichts mit der Krise und diesen Anordnungen Lajcaks zu tun? Wenn Lajcak mit seiner Anordnung (!) die Arbeit des Ministarrats verbessern will, ist es nicht zumindest erwähnenswert, dass er diese Verfügung ohne den Vorsitzenden des Ministarrats zu unterrichten, sogar während sich dieser sich In New York aufhält, erklärt, und das dieser (Nikola Spiric, ein Serbe, ebenfalls SNSD) dannach sein Amt niederlegt. Für Sie ist das alles nur "serbische nationalistische Politik". Ist Spiric nur ein Bauer im Schachspiel vom Nazi Dodik, der geopfert wird, also ein Dummkopf und Nazi? Spiric = Dummkopf = Nazi. Herr Rathfelder, Sie wissen doch ganz genau wie absurd auch diese Gleichung ist. Und das Bosnien als einzige Nicht-Demokratie richtung EU soll, ist das unwichtig?

     

    Mein Kommentar ist jetzt länger als ihr Originalkommentar. Bitte, verstehen Sie das nicht als Hinweis dafür, dass ich Sie und die Bedeutung Ihrer Kommentare stark überschätze. Ich habe bisher viele ihrer antiserbischen Kommentare unkommentiert gelassen und werde es auch in Zukunft tun. Dies ist nur ein Angebot von mir: einmal Realitätscheck gratis. Oder zumindest die Sicht eines Serben, gratis nach Haus. Ich hoffe, dass Sie diese Perspektive demnächst zumindest kurz einnehmen, bevor Sie ein Kommentar veröffentlichen. Denn dann wären diese wirklich luxuriöser und nicht wie dieser für anspruchsvolle Leser einfach nur nutzlos. Nutzlosigkeit =/= Luxus