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Volker Ratzmann im Interview"Ich bin ein streitbarer Typ"

Spaltet Volker Ratzmann die grüne Fraktion? Die Zusammenarbeit mit CDU und FDP sei kreativ, lobt der Oberrealo. Eine Entscheidung für Jamaika sei das nicht. Doch an Rot-Rot lässt er kein gutes Haar.

taz: Herr Ratzmann, mit gerade 13 von 23 Stimmen sind Sie in der vergangenen Woche wieder Fraktionschef geworden. Ist das die Strafe für Ihren Jamaika-Kurs?

Volker Ratzmann: Nein, das ist ein ehrliches Ergebnis für eine ehrliche Politik.

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Nur knapp entging der erste Mann der Berliner Grünen-Fraktion vergangene Woche einer Niederlage. Nur 13 von 23 Abgeordneten gaben dem gelernten Juristen Volker Ratzmann ihre Stimme - und das ohne Gegenkandidaten. Im Interview verteidigt der 47-Jährige seine umstrittene Zusammenarbeit mit CDU und FDP gegen den Senat. Eigenständige Positionen hätten die Grünen ohnehin genug: Bei der Gemeinschaftsschule lasse Rot-Rot Schulen und Eltern allein, Justizsenatorin Gisela von der Aue leiste schlechte Arbeit, die vermehrten Rechte für die Polizei gehen viel zu weit.

Ihre Co-Vorsitzende Franziska Eichstädt-Bohlig wurde mit 19 Stimmen wiedergewählt. War ihr Ergebnis unehrlich?

Franziska ist eine hervorragende Fraktionsvorsitzende. Wir stehen für dieselben politischen Inhalte.

Warum dann die sechs Stimmen Unterschied?

Ach, ich glaube, ich bin ein streitbarerer und widerborstigerer Typ. Vielleicht war es für manche nicht einfach zu sehen, wie ich im vergangenen Jahr Sachen durchgesetzt habe.

An Ihrem parteiintern umstrittenen Jamaika-Kurs liegt es nicht?

Unser Kurs war immer abgestimmt - mit der Fraktion und der Landesdelegiertenkonferenz. Ich habe nur umgesetzt, was Fraktion und Partei mit großen Mehrheiten beschlossen haben.

Die Fraktion ist gespalten in zwei Blöcke aus Linken und Gemäßigten. Im neuen, fünfköpfigen Fraktionsvorstand findet sich kein Linker wieder. Wie soll das gut gehen?

Anja Schillhaneck ist erneut im Vorstand - und bekennende Linke. Das sind keine festen Blöcke, eher Wahlbündnisse.

Eine gemäßigte Linke im fünfköpfigen Gremium. Keine Angst vor unzufriedenen Fraktionskollegen?

Nein. Wir brauchen die internen Diskussionen und die Kritik, um eine vernünftige Profilierung hinzukriegen. In Sachfragen haben sich übrigens nie einzelne Flügel gebildet, wir haben unsere Anträge immer mit großen Mehrheiten beschlossen. Auch beim Jugendstrafvollzug und dem kritischen Kurs gegenüber der Justizsenatorin Gisela von der Aue.

Gerade da gab es heftige Kämpfe. Als Drogenschmuggeleien in der Jugendstrafvollzugsanstalt Plötzensee bekannt wurden, forderten Sie von der Aues Rücktritt - gemeinsam mit der CDU. Ihre Fraktion und Ihr Landesverband pfiffen Sie zurück.

Von wegen zurückgepfiffen. Mag sein, dass die taz solche Auseinandersetzungen als heftig empfindet. Wir finden es normal, dass man sich über den richtigen Kurs auseinandersetzt. Letztlich wurde mein Kurs mit nur einer Gegenstimme bestätigt. Von der Aues Justizvollzugspolitik ist schlecht. Unsere Vollzugspolitik ist deutlich liberaler als die der Justizsenatorin, erst recht liberaler als die der CDU. Schauen Sie sich den grünen Entwurf für ein Jugendstrafvollzugsgesetz an.

Dennoch ziehen Sie oft mit CDU-Fraktionschef Friedbert Pflüger am selben Strang. Wie wollen Sie verhindern, dass sich irritierte Wähler von den Grünen abwenden?

Unterschiede zwischen CDU und Grünen gibt es reichlich: Strafvollzug, Innenpolitik, Verkehrspolitik. In anderen Bereichen haben wir Gemeinsamkeiten. Da arbeiten wir zusammen. Der Senat hingegen ist seit der Wahl nahezu handlungsunfähig.

Handlungsunfähig? Die öffentlich geförderte Beschäftigung für Langzeitarbeitslose ist auf dem Weg, ebenso die Einführung der Gemeinschaftsschule.

Gemeinschaftsschule? Das ist doch Etikettenschwindel. Für ein Prestigeprojekt eines der beiden Koalitionspartner reichlich mager.

Warum?

Weil sie ihre Schulform bloß neben die bestehenden Strukturen stellen. Weder gibt es genug Geld für die nötigen Umbauten, noch sind die Gymnasien dabei, noch hat der Senat die Lehrer und Eltern überzeugt. Bildungssenator Jürgen Zöllner müsste jede Woche in eine Schule gehen und für dieses Modell werben. Eine so tiefgreifende Reform kann man nicht von oben durchdrücken.

Als Nächstes werden Sie zusammen mit der CDU die Reform des Polizeigesetzes Asog ablehnen. Der Union geht die Überwachung durch Videos und Genanalysen nicht weit genug, Ihnen zu weit. Da gibt es nur die taktische Gemeinsamkeit: gegen Rot-Rot.

Soll ich meine inhaltlichen Positionen über Bord schmeißen und ein Gesetz der rot-roten Regierung durchwinken, nur weil die CDU von der anderen Seite angreift? Ich ordne meine Inhalte doch nicht einer Taktik unter.

Aber Sie zelebrieren demonstrativ Ihre Nähe zur CDU, etwa mit den gemeinsam veranstalteten Berlin-Konferenzen.

Nein, was wir demonstrativ gezeigt haben, ist, dass diese Stadt Gestaltungsoptionen braucht. Zum Beispiel bei unserer Handwerkskonferenz zum Klimaschutz. Da waren Mittelständler, typische CDU-Klientel. Und Umweltschützer, typische Grünen-Klientel. In dieser Zusammenkunft entsteht etwas Neues. Das muss man ausbauen. Weitergehende Bindungen entstehen dadurch nicht. Wenn der Senat vernünftige Politik macht, kann auch er sich unserer Unterstützung sicher sein.

Bei welchen Themen wäre das?

Zum Beispiel beim Flughafen Tempelhof. Da gibt es eine gemeinsame Kampagne für die Schließung.

Welche Kampagne?

Es ist zweifelsohne wahr, da muss noch mehr Verve rein. Aber die Grünen-Kampagne ist gerade erst angelaufen. Aber da müsste auch von SPD und Linke mehr kommen.

Wie weit können Sie die Gemeinsamkeiten mit CDU und FDP herausstellen, ohne die Marke Grüne zu gefährden?

Die ist nicht in Gefahr, war es auch nie. Unsere Positionen sind klar: Klimaschutz als Leitbild für unsere Stadt. In der Bildungspolitik mehr gemeinsames Lernen und bessere Qualität. In der Wissenschaftspolitik statt Zöllners Super-Uni gut ausgestattete Hochschulen für alle. Und in der Integrationspolitik eine klare Positionierung für eine multikulturelle Stadt. Die grüne Vielfalt ist nach wie vor vorhanden. Hinzugewonnen haben wir ein Druckpotenzial gegen eine immer schlaffer werdende rot-rote Regierung.

Und mit welcher Partei könnten Sie Ziele wie gemeinsames Lernen oder Multikulturalität langfristig am ehesten durchsetzen?

Ich kann es im Moment wirklich nicht sagen. Aber die Bereitschaft, jenseits ideologischer Barrieren Neues auszuprobieren, ist unter den Oppositionsparteien derzeit viel, viel größer als bei der Regierung.

Ist der Mentalitätswandel bei der Grünenbasis auch schon so weit? Oder gibt es bloß eine Ähnlichkeit zwischen den Führungsfiguren von Grünen, FDP und CDU?

Finden Sie, dass ich Herrn Lindner und Herrn Pflüger so ähnlich sehe?

Nicht äußerlich. Aber politisch?

Nein. Und das ist nicht mein Ziel. Ich will, dass die Grünen 2011 so viel Selbstbewusstsein haben, dass sie ausschließlich anhand von inhaltlichen Kriterien entscheiden können, wer der bessere Partner ist.

Eine unverfängliche Antwort. Aber wie wollen Sie Ihrer Parteibasis eine Koalition mit der CDU samt Hardlinern wie dem Landesvorsitzenden Ingo Schmitt oder dem Kreuzberger Abgeordneten Kurt Wansner verkaufen?

Wir werden 2011 sehen, ob das noch die CDU von Herrn Wansner und Herrn Schmitt ist. Weder das bürgerliche Lager noch Rot-Rot werden eine klare Mehrheit haben. Dann müssen wir in der Lage sein, die richtige Entscheidung für diese Stadt zu treffen.

Ihr Nudelessen mit Pflüger und Lindner sorgte im Sommer für Schlagzeilen. Auch weil die Rechnung für die einladende CDU sehr hoch ausfiel. Wann waren Sie das letzte Mal mit einem führenden SPD-Politiker Nudeln essen?

Nudeln?

Oder Pizza?

Reicht auch trinken? Ich glaube, vor zwei Monaten.

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