Datenschutz: Polizei sitzt auf geheimen Datenschatz

Der Polizeicomputer verrät auf Wunsch die Herkunft der nichtdeutschen Bevölkerung für jeden Kiez. Wofür die Polizei diese Daten braucht, ist unklar, ebenso, in welchem Umfang sie abgefragt werden.

Mit einer harmlos klingenden parlamentarischen Anfrage an die Innenverwaltung hat der Grünen-Abgeordnete Benedikt Lux möglicherweise in ein Wespennest gestochen. In der Anfrage wollte er wissen, welchem Zweck die im polizeiinternen Computersystem erhobenen "Strukturdaten zur melderechtlich registrierten ausländischen Bevölkerung" dienen. Die Antwort ist mau. Für Innensenator Ehrhart Körting (SPD) stellen sie eine "unverzichtbare Voraussetzung für die professionelle, an den Bedürfnissen der Menschen orientierte" polizeiliche Arbeit dar. Warum diese Daten aber so unverzichtbar sind und in welchem Umfang sie abgefragt werden, darüber gibt es keine Auskunft.

Wie in allen anderen Behörden dient auch bei der Polizei ein interner Datenverbund zur Information und Kommunikation der eigenen MitarbeiterInnen - ein sogenanntes Intranet, das bei der Berliner Polizei Intrapol heißt. Ein Datenaustausch mit anderen Sicherheitsbehörden ist damit nicht möglich. In Intrapol finden die BeamtInnen aktuelle Fahndungs- und Lagemeldungen oder Informationen zu Änderungen in der Behördenverwaltung. Die Kriminalstatistik ist abrufbar; auch die polizeiliche Mitarbeiterzeitung hat dort ihren Platz. Und seit dem Sommer dieses Jahres auch jene spezielle Datei, die das Interesse des Abgeordneten Lux geweckt hat: "Strukturdaten - Fläche & Bevölkerung".

Hinter dem belanglosen Namen verbergen sich die Zahlen über die Einwohner der Stadt, die die Polizei ganz offiziell beim Berliner Statistischen Landesamt (StaLa) eingekauft hat. Nackte Zahlen über die Stadt, wie sie das StaLa auftragsgemäß erhebt und regelmäßig fortschreibt und wie sie für Planungsvorhaben nicht unbedeutend sind. Im polizeilichen Kontext hingegen werfen sie Fragen auf. Denn in ihrem Intranet liegt der Schwerpunkt auf der nichtdeutschen Bevölkerung Berlins bis hinunter auf die nur mehrere Straßen umfassenden Abschnitte der Kontaktsbereichsbeamten (KoB).

Sortiert nach Nationalität, Alter und Geschlecht lässt sich für jeden Polizeiangehörigen per Mausklick feststellen, dass in einem gewissen KoB-Bereich der Stadt beispielsweise unter insgesamt 3.248 Einwohnern auch 81 AusländerInnen leben, darunter sechs Türken, drei Jugoslawen, drei Polen, aber keine Araber. In der nächsten Tabelle werden die Daten dann aufgeschlüsselt nach Alter und Geschlecht. Und so geht es munter weiter durch die ganze Stadt.

Probleme mit der neuen Intrapoldatei hat außer Lux bislang offenbar niemand. Der Integrationsbeauftragte Günter Piening sieht "ehrlich gesagt nicht die Dramatik" und meint, es gebe gravierendere Diskussionen. Beim Datenschutzbeauftragten sieht man so lange keine Bedenken, wie die neutralen StaLa-Daten nicht mit anderen Polizeiinformationen verknüpft werden. Dafür habe man bislang aber keine Anhaltspunkte, sagt Sprecherin Anja-Maria Gardain. Wie auch, bei beiden war diese Abfragepraxis vor der taz-Anfrage unbekannt. So bedankt sich Gardain denn auch für die Information über die neue Datenbank.

Eine Verknüpfung sei technisch durchaus möglich, sagen Polizeiinsider. Laut Rolf Kaßauer vom Bund Deutscher Kriminalbeamter findet sie bei aktuellen Anlässen "zumindest im Kopf" statt. Für die Erarbeitung von Präventionskonzepten könnten solche Informationen durchaus wichtig sein, zudem sei es "aus kriminalistischer Sicht sinnvoll, Hintergründe zu kennen".

Doch wozu die detaillierten Ausländerdaten tatsächlich dienen, welchen direkten Nutzen sie im Alltag der PolizistInnen haben oder ob sie deren Vertrauensbildung bei der nichtdeutschen Bevölkerung förderlich sind, weiß niemand so recht zu sagen. "Für Integration ist die Polizei ja qua Amt nicht zuständig", erklärt ein Beamter. Angesichts solcher Aussagen und der bisherigen Unkenntnis beim Integrations- wie Datenschutzbeauftragten sieht Lux nun erst recht "einen erhöhten Klärungsbedarf". Er will es bei der "nichtssagenden Antwort" von Innensenator Körting nicht bewenden lassen. Denn durch den Datenfundus bestehe die Gefahr, dass bei den BeamtInnen "rassistische Rollenbilder entstehen könnten". Otto Diederichs

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