Kommentar Feinstaub-Richtlinie: Die Schonfrist läuft ab
Die EU hat einigen Städten einen Aufschub bis 2011 gewährt, um für saubere Luft zu sorgen. Doch deutsche Städte werden kaum in den Genuss längerer Übergangsfristen kommen.
7.000 Menschen, die in Deutschland jedes Jahr an den Folgen von verschmutzter Luft sterben, sind offenbar noch immer nicht genug. Dabei müssen deutsche Städte und Kommunen schon seit drei Jahren die EU-Vorgaben für eine saubere Luft einhalten. Doch viele von ihnen demonstrierten dabei bislang nur bürokratische Bräsigkeit. Immer wieder haben Städte im Ruhrgebiet, aber auch Stuttgart, München oder Cottbus fadenscheinige Gründe geliefert, um möglichst wenig gegen die Luftverpestung durch Industrie und Straßenverkehr zu unternehmen - getrieben von der Furcht, die Bürger zu erzürnen oder ihre lokale Wirtschaft zu schwächen.
Tarik Ahmia ist Redakteur im taz-Ressort Ökologie und Wirtschaft.
Dass die EU einigen Städten jetzt auch noch einen Zeitaufschub bis 2011 gewährt, um für saubere Luft zu sorgen, ist aber nur scheinbar ein Zugeständnis an ignorante Behörden. Denn in Deutschland werden Städte und Kommunen kaum in den Genuss der verlängerten Übergangsfrist kommen, weil sie in der Mehrzahl nicht die von der EU geforderten Ausnahmegründe vorweisen können. Dann wird es ernst: Ist die Schonfrist erst mal abgelaufen, wird sich die EU-Kommission nicht weiter auf der Nase herumtanzen lassen - stinkenden Städten drohen dann empfindliche Strafen.
Daran dürfte auch der Widerstand in der deutschen Politik und der Autoindustrie nichts mehr ändern. Die Blockadebemühungen der VW-, Mercedes- und BMW-Bundesländer sind etwa beim Dieselrußfilter gut dokumentiert. Das Ergebnis war ein Trauerspiel um wirkungslose Filter und kriminelle Machenschaften.
Mittelfristig wird die EU-Feinstaubrichtlinie alle Dulder und Verursacher schmutziger Luft zum Umdenken zwingen. Aber auch unabhängig von den EU-Vorgaben hat das Bundesverwaltungsgericht den Bürgern im Frühjahr ein Recht auf gute Luft eingeräumt. Seitdem können alle Betroffenen konkrete Maßnahmen wie Verkehrseinschränkungen für ihre Straße einklagen, wenn die Luft zur Gesundheitsbelastung geworden ist. Selbst wenn die Feinstaubrichtlinie gestern also etwas gelockert wurde: Sie bleibt ein ermutigendes Zeichen dafür, dass mit viel Geduld das Ziel einer nachhaltigen Verkehrspolitik erreichbar ist.
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