Ökonom zu Energiewende: "Stromwechsel ist ein politischer Faktor"
Für die Energiewende reicht nicht allein mehr Nachfrage der Verbraucher nach Ökostrom, so Volkswirt Uwe Leprich. Doch ist es wichtig, Geld von konventionellen Energieerzeugern weg zu lenken.
taz: Herr Leprich, der Ökostromhandel bekam in den vergangenen Tagen mehrfach den Stempel "unseriös" aufgedrückt, weil Strommengen nur zwischen Anbietern hin- und hergeschoben werden. Bringt der Wechsel überhaupt etwas?
Uwe Leprich: Sinnvoll ist der Wechsel immer, wenn man den richtigen Anbieter wählt. Werden allerdings nur die vielzitierten RECS-Zertifikate gehandelt, wird in der Tat nur Strom zwischen Kunden in Europa hin und her geschoben. Umweltbewusste Kunden bekommen dann formal den Ökostrom geliefert, die anderen dafür umso mehr Atom- und Kohlestrom. Ein Nullsummenspiel, weil sich am gesamten Strommix nichts ändert.
Wie lässt sich der Strommix denn überhaupt ändern?
Der Einsatz der Zertifikate ist in der Tat nicht der entscheidende Punkt. Entscheidend ist vielmehr die Frage, ob die Stromanbieter neue Wind-, Wasser-, Solar- oder Biomassekraftwerke bauen oder fördern. Denn nur ein Ökostromversorger, der auch neue Anlagen ans Netz bringt, verändert die Stromwirtschaft. Nur so wird schmutziger Strom verdrängt.
Aber woran erkenne ich solche Anbieter?
Wenn Ökostrom mit dem Prädikat "ohne Aufpreis" angeboten wird, ist das ein erster Anhaltspunkt, dass es eine Mogelpackung ist. Denn der Ausbau des Ökostroms kostet Geld. Und nur wenn ein Teil der Stromrechnung für Neuanlagen aufgewendet wird, wird sich was verändern. Man sollte also fragen, welcher Betrag in Neuanlagen fließt.
Ökoanbieter, die neue Anlagen finanzieren, sind aber nicht immer teurer.
Da sie ihren Strom aber zwangsläufig teurer einkaufen, heißt das, dass sie dann an anderer Stelle - etwa bei den Gewinnmargen - knapper kalkulieren müssen als die konventionellen Anbieter.
Können wir allein dadurch die Energiewende schaffen, dass mehr Verbraucher zu guten Ökostromanbietern wechseln?
Nein, das nicht. Deswegen haben wir ja das EEG, das Erneuerbare-Energien-Gesetz. Die Ökostromschlacht wird ganz eindeutig über das EEG entschieden. Das haben die vergangenen Jahre klar gezeigt: Wenn die Einspeisevergütungen stimmen, dann kann sich die Ökostrombranche sehr dynamisch entwickeln. Im Vergleich zu den erzielten Erfolgen sind die Investitionen der Ökostromanbieter nicht mehr als eine kleine Zugabe.
Fassen wir zusammen: Die einen verschieben die Strommengen nur, die anderen investieren zu wenig in die Gewinnung erneuerbarer Energien - warum reden wir dann so viel über die ganzen Ökostromanbieter?
Es fehlt noch ein ganz starkes Argument für den Stromwechsel - und das ist der politische Ansatz. Ökostromanbieter sind - sofern sie nicht aus dem Geflecht der etablierten Stromwirtschaft kommen - ein wichtiger politischer Faktor. Sie sprechen mit, wenn es um Energierecht, um Ökostromförderung und ähnliche politische Fragen geht. Diese Positionen zu stärken, ist uneingeschränkt sinnvoll.
Von Öko-Initiativen stammt die Formulierung: "Wir müssen die Geldströme umleiten - weg von der Atomwirtschaft"
Das ist ein ganz wichtiger Punkt, wenn man politisch etwas bewegen will. Und daher ist der Wechsel zu einem unabhängigen Stromanbieter sogar dann noch sinnvoll, wenn das Unternehmen nicht in Neuanlagen investiert. Eben, weil sich damit die Machtstrukturen in der Energiewirtschaft verschieben.
A propos Strukturen in der Energiewirtschaft: Die Schönauer Stromrebellen haben bereits den Gedanken in die Welt gesetzt, die Eon-Tochter Thüga aus der Freiburger Badenova heraus zukaufen, um regionale Energiepolitik ohne Einfluss eines Atomstromers machen zu können. Ist das ein sinnvoller Weg, um etwas im Sinne der Energiewende zu bewirken?
Das mag im Einzelfall eine gute Idee sein. Doch neben dem finanziellen Risiko - weil Stromnetze immer weniger Gewinn abwerfen - sehe ich auch nicht die großen Fortschritte durch solch eine Übernahme. In den kommunalen Unternehmen sitzen häufig so schlechte Leute an der Spitze, dass es schwer ist, dort etwas zu verändern.
Lassen sich solche Leute nicht einfach austauschen?
Als Herr Rettich vor Jahren bei den Stadtwerken in Rottweil mit umweltfreundlichen Kleinkraftwerken anfing, dachte man, es würde bald Hunderte solcher innovativer Stadtwerke geben. Heute gibt es aber immer noch sehr wenige Stadtwerke mit ökologischen Visionen, wie zum Beispiel jenes in Schwäbisch-Hall. An die große Energiewende durch Stadtwerke glaube ich nicht mehr.
Was muss sich bei den Ökostromanbietern ändern?
Auch bei den reinen Ökostromanbietern ließe sich die Transparenz noch verbessern. Ich wünsche mir, dass diejenigen, die mit RECS-Zertifikaten handeln und dadurch keinen zusätzlichen Umweltnutzen generieren, es offener kommunizieren. Auch jene, die lediglich vorhandenen Strom aufkaufen, ohne Neubau zu schaffen, sollte es den Kunden genau so sagen.
INTERVIEW: BERNWARD JANZING
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen