Wirtschaftliche Zusammenarbeit: China und Indien bilden Allianz
Bei seinem ersten Staatsbesuch in China macht Indiens Premier Singh klar, dass er für antichinesische Allianzen nicht zur Verfügung steht. Er setzt auf die wirtschaftliche Dynamik beider Länder.
Als wäre er nur ein weiterer westlicher Regierungschef auf der Reise durch China, kritisierte der indische Ministerpräsident Manmohan Singh gestern in Peking den hohen Handelsüberschuss der Chinesen. Wie viele westliche Politiker forderte Singh strengere Maßnahmen zum Schutz geistigen Eigentums in China und "marktbezogene Wechselkurse".
Doch damit endet auch schon die Übereinstimmung indischer und westlicher China-Politik. Denn eigentlich hat sich Singh für seinen ersten dreitägigen Besuch als Regierungschef in China eine ganze andere Botschaft zurechtgelegt: "Ich habe der chinesischen Führung klargemacht, dass Indien nicht Teil eines Versuchs ist, China einzugrenzen", sagte Singh vor seiner Abreise. Gestern fügte er in einer Rede vor chinesischen Unternehmern hinzu, dass Indien und China weltweit die am schnellsten wachsenden großen Volkswirtschaften seien und ihre Zusammenarbeit ein wesentlicher Antrieb zum Weltfrieden sei.
Das sind neue Töne, gerade von indischer Seite, wo man den Bau der eigenen Atomwaffen noch vor zehn Jahren mit dem "Feind China" begründet hatte. Das ist lange her. So dient jetzt ein Staatsbesuch zum ersten Mal den beiden bevölkerungsreichsten Ländern der Welt, ihre Wachstumsbilanzen gemeinsam als globales Phänomen zu preisen. "Die indisch-chinesischen Beziehungen haben ihre bilaterale Dimension durchschritten und globale strategische Bedeutung erreicht", sagte Singh der chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua. Als zuletzt Chinas Präsident Hu Jintao 2006 Indien besuchte, hatte man vorsichtig von einem gemeinsamen "Jahr der Freundschaft" gesprochen, die Grenzprobleme diskutiert und globale Probleme unerwähnt gelassen.
Doch die Dynamik zwischen den Riesen Asiens ändert sich schnell. Zwar bleiben territoriale Streitfragen aus dem indisch-chinesischen Krieg von 1962 ungelöst. "Südtibet" nennen die Chinesen große Teile des nordindischen Bundesstaates Arunachal Pradesh. "Südtibet muss zurückgeholt werden", forderten gestern chinesische Teilnehmer im Diskussionsforum der Internetfirma sina.com. Tatsächlich soll der Grenzstreit heute Gegenstand der Gespräche sein.
Zudem war bei sina.com zu lesen: "Wir müssen Asien gemeinsam entwickeln." Dieser Vision scheinen sich heute die Regierungen verpflichten zu wollen. Im Oktober 2007 fand das erste Manöver indischer und chinesischer Streitkräfte statt. Ständig wiederholen die Regierungschefs beider Seiten, dass Platz für zwei Wirtschaftswunder in Asien sei.
Allmählich bekommen sie dafür auch Zahlen zur Hand: Der bilaterale Handel wächst um über 30 Prozent jährlich und erreichte 2007 39 Milliarden Dollar. Hu hatte erst 2006 das Ziel eines Handelsvolumen von 40 Milliarden Dollar für 2010 gesetzt.
Eben deshalb wiegt Singhs Versicherung schwer, China nicht ausgrenzen zu wollen. Die USA und Japan starteten in den letzten Jahren Charmeoffensiven gegenüber Delhi, die eine Isolierung Chinas als Nichtdemokratie zum Ziel hatten.
Indien aber hat offenbar kein Interesse an einer ideologisch motivierten Außenpolitik gegenüber China. Man will gemeinsam die öfter miteinander konkurrierenden Interessen beider Länder in Nachbarländern wie Vietnam, Bangladesch und Birma austarieren. Gerade deshalb war das gemeinsame Schweigen angesichts der Demonstrationen der Mönche in Rangun auffällig. "Die zwei Länder wollen zeigen, dass sie miteinander auskommen", erklärt der Pekinger Außenpolitikexperte Han Hua das neue Einverständnis zwischen Tiger und Drache.
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