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ALPHATIERE, ADVENTSKALENDER, SPENDEN- UND ANDERE „GALAS“Mit Freifrau zu Guttenberg und zwölf Glas Eierlikör

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SILKE BURMESTER

Liebe taz-Medienredaktion,

ich stehe hier in der Tiefgarage eines bekannten Verlagshauses. Es ist nach 20 Uhr und ich beobachte, wie Chefredakteure und Ressortleiter ihre „Geschenke“ in ihren SUVs verstauen. Champagnerflaschen, Bildbände, edle Reisetaschen, Ringe, Lachshälften, Gürtel, Parfums – es gibt kaum etwas, rund um den Weihnachtsbaum, das so eine Führungskraft selbst kaufen muss. Das ist die Zeit, in der das Alphatier wieder weiß, warum es die Plackerei auf sich nimmt.

Für mich ist es die Zeit, in der ich mich frage, warum ich die Plackerei auf mich nehme. Ich bekomme nicht einmal einen Schokokalender. Und den hat ProSiebenSat.1 dieses Jahr an jeden Dummi verschickt. Das weiß ich, weil ich bei der Für Sie war. Und nicht nur dass – genauso wie bei Living at Home – dort überall ein überaus fetter Kalender der Firma Lindt für Stimmung sorgt, nein, hier und da gibt es auch einen von ProSiebenSat.1. Mit Anke Engelke und Bastian Pastewka als Anneliese und Wolfgang vorn drauf oder dem Heißesten, was das Schmolllippenkino zu bieten hat, Jonathan Rhys Meyers mit blankem Oberkörper. Und wenn ich das sehe, bei der Für Sie, deren Kultur sich zwischen Kul und tur abspielt, dann frage ich mich, wo eigentlich meine Anerkennung bleibt? Immerhin bin ich es, die sich in tiefen Nächten die Sat.1-Schmonzetten anschaut, immer bemüht, noch irgendetwas Positives in dem ganzen Stuss zu entdecken. Die ihre letzten faltenfreien Tage der Unterhaltungsjury bei Grimmes opfert, um Anneliese und Wolfgang aufs Podest zu heben, aber für die es nicht einmal einen Schokokalender gibt!

Und überhaupt, Die Zeit!, du dummes Ding, wo ist meine Uhr, die du mir versprochen hast, wenn ich an deiner dämlichen Internetbefragung teilnehme? Die ist bis heute nicht hier. Wohl den Überblick verloren, Zeit?!?

Weniger Überblick als vielmehr Einblick hat diese Woche erneut die Pressestelle des ZDF gewährt. Stephanie zu Guttenberg, so heißt es beseelt im Zusammenhang mit der Spendengala vom Samstag, engagiere sich für die „Friedhofskinder von Cebu“. Mit etwas Alkohol im Blut ist diese Meldung der Knüller. Ich kann nur empfehlen, sich einen anzutütern und dreimal hintereinander „die Friedhofskinder von Cebu“ zu sagen. Und nicht nur dass Frau Stephanie sich um die Gören kümmern muss, die einer wie ihr Mann zu Waisen macht. Ein weiterer Verein, den die Freifrau repräsentiert, heißt auch noch „Innocent in Danger“. Auch das ist ein wirklich großer Brüller nach zwölf Glas Eierlikör. In 25 Ländern ist der Verein laut ZDF aktiv, und man fragt sich, wie sie das hinkriegen will, all die unschuldigen Menschen vor ihrem Kalle zu schützen.

Immerhin aber kann Karl-Theodor, der eine der rasantesten Rise-and-Fall-Geschichten der Bundesrepublik aufzuweisen hat, im Falle seines Niedergangs denen dienen, die ihn groß gemacht haben. Den Medien. 20 Kilo Gewichtsverlust bei Kai Diekmann und Kalle hat den Job als Doppelgänger.

Wie gesagt, es ist die Saison der Chefredakteure. Allen voran die Peter Lewandowskis, des Machers von Gala. Jetzt, wo Gruner + Jahr nicht länger mit Journalismus in Verbindung gebracht werden will, ist er einer der wichtigsten Männer, den Verlag zum Irgendwas-Anbieter umzubauen. Mit dem Ableger Gala Men war er so erfolgreich, dass nun der nächste Heuler ins Haus steht: Gala Wedding. Ein super Spin-off, der zeigt, was alles geht. Ich freue mich jetzt schon auf Gala Scheidung und Gala Defloration. Und für die Senioren: Gala Brei.

Mit viel Vorfreude zurück nach Berlin!

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