piwik no script img

ErinnerungAuf neuer Suche nach dem Widerstand

Initiative aus DDR-Bürgerrechtlern, darunter Markus Meckel, Wolf Biermann und Rainer Eppelmann, will neues "Zentrum für Widerstandsgeschichte" bis zum 20. Jahrestag des Mauerfalls 2009 in der Kulturbrauerei einrichten. Doch brauchen wir das?

Soll nicht vergessen werden: Wer in der DDR Widerstand leistete oder in den Westen flüchten wollte, wurde festgenommen. Bild: AP

Hört sich das nicht gut an? Es gibt das DDR-Museum, die Ausstellungen im früheren Stasi-Knast in Berlin-Hohenschönhausen und die in der Zentrale für Staatssicherheit in der Normannenstraße. Es gibt Gedenkorte am einstigen Mauerstreifen, an der Bernauer Straße das Dokumentationszentrum oder das DDR-Schreckens- und Fluchtkabinett am Checkpoint Charlie. Und es gibt Forschungseinrichtungen für Zeitgeschichte in Berlin und Potsdam, Kirchen, die Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur sowie die Pläne von Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) für ein neues Bildungszentrum zur Unterdrückung und zum Widerstand in der DDR. Das ist doch was!

Aber nicht genug, sagen jetzt frühere DDR-Bürgerrechtler. Sie fordern in einem offenen Brief, dass jene nicht gerade geringe Zahl von Gedenkstätten zur DDR-Geschichte in Berlin um einen weiteren Ort ausgebaut werden muss.

Markus Meckel (SPD), letzter Außenminister der DDR und Mitglied des Bundestages, hat gemeinsam mit anderen Bürgerrechtlern die Initiative ergriffen, ein "Zentrum für Oppositions- und Widerstandsgeschichte und Freiheit" bis zum 20. Jahrestag des Mauerfalls 2009 einzurichten. Als Standort für das Projekt schlägt Meckel die Kulturbrauerei in Prenzlauer Berg vor. Dort könnte die künftige Einrichtung "kurzfristig und pragmatisch" bis zum Herbst 2009 eröffnen.

Mit der Definition des Ortes inmitten des Kiezes distanzieren sich Meckel und die Mitinitiatoren - zu denen auch Wolf Biermann, Rainer Eppelmann, Freya Klier, Joachim Gauck, Wolfgang Templin und Gerd Poppe zählen - klar von Neumanns Vorschlag, die Gedenkstätte in der Normannenstraße zum Mittelpunkt eines zukünftigen Dokumentationszentrums über Repression und Opposition während der SED-Diktatur zu machen. Eine Erinnerung an die Opposition im Kontext der Stasi-Repressionen verkürze die Perspektive des Vorhabens. Darum sei Erich Mielkes einstiges Hauptquartier in der Normannenstraße ungeeignet.

Das räumliche Umfeld korrespondiert bei Meckel, dem einstigen Pfarrer, dem Fischer, dem Mann der bürgernahen Initiativen, auch mit einem inhaltlich alternativen Konzept: nämlich dem individuellen Widerstand in Zeiten des NS- und SED-Regimes. Es habe ganz einfache Menschen gegeben, die bei den Nazis und später sogar wieder in der DDR im Gefängnis saßen, argumentiert Meckel. "Deren Freiheitsgeschichte" solle mit so einem Unternehmen "stärker sichtbar gemacht werden". Thematisiert werden solle insbesondere die Kontinuität von Unterdrückung und jene Kontinuität von Zivilcourage, Mut und Widerstand gegen den Herrschaftsapparat. Diese Geschichten müssten "besser erforscht werden", so Meckel.

Nun ist eigentlich nichts einzuwenden gegen Initiativen und Institutionen zur richtigen Aufarbeitung unserer jüngsten Geschichte. Leerstellen in der Erinnerungsarbeit - wie das Thema Unterdrückung und individueller Widerstand - brauchen Raum und Forschung. Doch ob die Intention richtig ist, sich gänzlich einem Aspekt der Geschichte zu widmen und diesen mit wissenschaftlich unzulänglichen Mitteln anzusteuern, dürfte fraglich bleiben.

Martin Sabrow, Leiter des Potsdamer Zentrums für Zeitgeschichte, etwa hält ein solches Herangehen an den DDR-Widerstand für problematisch. Es sei "nicht sinnvoll, Widerstand und Opposition in der DDR als eigenständiges Thema" zu behandeln und aus ihrem jeweiligen Kontext herauszulösen. Repression und Widerstand gehörten immer zusammen, sagt Sabrow. Klüger wäre es, gerade die Beziehungen zwischen Alltag und Diktatur, zwischen Herrschaft, Unterdrückung und Widerstand des Einzelnen zu untersuchen. Denn bei diesen Aspekten gebe es noch wirkliche "Defizite" bei der Aufarbeitung von DDR-Geschichte.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!