Kommentar Klar-Haft: Ein Minister ohne Rechtsgefühl

Die Begründung für das Ende der Hafterleichterungen Klars wirkt an den Haaren herbeigezogen. Das Rechtsgefühl des Ex-Terroristen ist ausgeprägter als das des zuständigen Ministers.

Das Gedenkjahr für die mörderische Offensive der Roten Armee Fraktion von 1977 ist vorbei. Eigentlich hätte man erwarten können, dass nun wieder Ruhe einkehrt, dass die letzten RAF-Häftlinge, Christian Klar und Birgit Hogefeld, ihre Haftstrafen absitzen und dann auf Bewährung entlassen werden.

Doch Stuttgarts Justizminister Goll eröffnet einen neuen sinnlosen Konflikt, indem er Christian Klar auf unabsehbare Zeit die Haftlockerungen streicht, die seine Entlassung vorbereiten. Die Begründung "Fluchtgefahr" wirkt an den Haaren herbeigezogen. Goll malt ein völlig irreales Drohszenario an die Wand, um Klar potenzielle Kurzschlusshandlungen unterstellen zu können.

Neben einer drohenden Beugehaft, die die Entlassung verzögert, sei Klars Freilassung generell in Gefahr, so Goll, wenn dieser weiter "Strafvereitelung" betreibe. Goll droht also faktisch mit einer lebenslangen Beugehaft, die es im Rechtsstaat natürlich nicht gibt. Die Beugehaft ist auf sechs Monate begrenzt und kann nicht durch den Vorwurf der Strafvereitelung durch die Hintertür verlängert werden.

Es ist auch nicht wirklich zu befürchten, dass Goll mit dieser Argumentation durchkommt. Über die Streichung der Vollzugslockerungen entscheiden ebenso Gerichte wie über Klars Haftentlassung nach 26 Jahren Mindestverbüßungszeit. Es wären nicht die ersten juristischen Niederlagen, die Goll in dieser Sache hinzunehmen hätte.

Zwar ist es ein Zeichen von Resozialisierung, wenn das Rechtsgefühl beim früheren Terroristen Klar regelmäßig besser ausgeprägt ist als bei seinem zuständigen Justizminister. Goll sollte das aber eher peinlich sein.

Reichlich absurd ist aber auch schon das ganze Theater um die Beugehaft an sich. Während der Staat seine Verfassungsschutzakten zum Buback-Attentat mit Sperrerklärungen schützt, sollen verstockte RAF-Veteranen, die Jahrzehnte geschwiegen haben, nun noch einmal sechs Monate Extrahaft bekommen. Justizaktionismus ist noch ein mildes Wort dafür. Vielleicht muss man Goll sogar dankbar sein. So hat er doch anschaulich gezeigt, wie ein unverhältnismäßiger Schritt schnell den nächsten auslöst.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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