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DenkmalEin kleiner Mann wird groß

Berlin will ein Denkmal zur Erinnerung an den Hitler-Attentäter Georg Elser. Alle Parteien sind dafür. Streit gibt es über den Ort und das Aussehen des Denkmals

Hitler-Attentäter Georg Elser Bild: AP

Nur ein paar Minuten fehlten an jenem Abend des 8. November 1939, und das Attentat auf Adolf Hitler im Münchner Bürgerbräukeller wäre erfolgreich verlaufen. Auf 21.20 Uhr hatte Georg Elser seine Bombe eingestellt. Sie verwüstete den Saal, es gab acht Tote und zahlreiche Verletzte. Hitler blieb am Leben, er hatte die Veranstaltung - überraschend - sieben Minuten vorher verlassen.

70 Jahre nach dem gescheiterten Attentat auf Hitler soll dem Attentäter Georg Elser zu Ehren "an zentraler öffentlicher Stelle" in Berlin ein Denkmal gesetzt werden. Der Schriftsteller Rolf Hochhuth erntete am Montag im Kulturausschuss des Abgeordnetenhauses große Zustimmung für seine Initiative, dem lange Zeit in Vergessenheit geratenen Elser eine späte Reverenz für seinen Kampf gegen Hitler zu erweisen. Hochhuth sprach sich für den Denkmalstandort auf dem Areal der ehemaligen Reichskanzlei an der Voßstraße aus. Dort sollte der Mann geehrt werden, "der Jahre vor Stauffenberg gehandelt hat", so Hochhuth. Die Finanzierung des Elser-Gedenkens übernimmt nach Auskunft des Schriftstellers die Reemtsma Stiftung.

Die CDU-Fraktion schloss sich dem Reichskanzlei-Vorschlag Hochhuths an. "München wäre natürlich der Ort für ein solches Denkmal", sagte Uwe Lehmann-Brauns, kulturpolitischer Sprecher der Unions-Fraktion. Berlin aber sei "für den NS-Terror verantwortlich". Hier wurde Elser auch verhört. Die Stadt müsse "dem tapferen Mann", der 1945 im KZ Dachau ermordet wurde, "endlich ein Denkmal setzen".

Der amtierende Kultursenator Klaus Wowereit und sein Kulturstaatssekretär André Schmitz (beide SPD) unterstützten ausdrücklich die Hochhuth-Initiative. In Sachen Form, Aussehen und Ort plädierten sie und die Linke für ein "Denkzeichen" statt eines Denkmals sowie für Standortalternativen. Schmitz: "Ich bin sehr dafür, Georg Elser an prominenter Stelle zu würdigen. Wo und in welcher Form das geschieht, darüber sollte es eine öffentliche Debatte geben." Für ihn sei die Wilhelmstraße als Ort auch "gut vorstellbar". Die Abgeordneten beschlossen, dass der Senat bis zum Sommer ein Konzept vorlegen soll.

Schmitz erinnerte daran, dass der Hitler-Gegner und Schreinergeselle Elser "im Alleingang das Attentat geplant und ausgeführt habe, dem beinahe die gesamte NS-Spitze zum Opfer gefallen wäre". Dieser sogenannte kleine Mann aus der allemannischen Provinz sei eine große Persönlichkeit der deutschen Geschichte, die geehrt werden müsse. ROLF LAUTENSCHLÄGER

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1 Kommentar

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  • DK
    Dieter Kreutzer

    Noch ein Denkmal für achtfachen Mörder?

     

    Vermutlich wäre die Geschichte anders verlaufen, wenn auch Hitler von der Bombe getroffen worden wäre. Vielleicht aber auch nicht, denn Hitler hatte mehr als nur einen Koch bei sich.

     

    Gestorben sind bei dem gescheiterten Attentatsversuch acht Menschen, darunter eine Kellnerin. Wäre Elser nicht im KZ Dachau als "Sonderhäftling des Führers" inhaftiert und ermordet, sondern wegen Herbeiführen eines Sprengstoffverbrechens, achtfachen Mordes und mehrfachen Mordversuchs (laut Wikipedia gab es noch 63 Verletzte) von einem Gericht zum Tode verurteilt worden, würde sich heute wohl kaum jemand an ihn erinnern. Die Nazis hatten aber wohl kein Interesse daran, einen normalen Mordprozess zu führen.

     

    Elser hatte ein edles Motiv: er wollte den Krieg verhindern. Das ist trotzdem nicht Grund genug, ihm ein (weiteres) Denkmal zu setzen, nur weil sein Terroranschlag einem Diktator galt, der 1945 posthum zum Tyrannenmord freigegeben wurde.

     

    Dieter Kreutzer

    Berlin-Schöneberg