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Irans Präsident in BagdadStaatsbesuch als Drahtseilakt

Mahmud Ahmadinedschad stattet dem Nachbarn einen historischen Besuch ab. Die Botschaft an den Westen ist dabei eindeutig: Der Einfluss Teherans im Irak wächst.

Irans Präsident Mahmoud Ahmadineschad (l.) und Iraks Premier Nuri al-Maliki bei einer Pressekonferenz in der Grünen Zone. Bild: dpa

"Wir schlagen ein neues Kapitel brüderlicher Beziehungen auf", verkündete der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad bei seinem Besuch am Sonntag in Bagdad. Mit vier traditionellen Küsse für seinem irakischen Amtskollegen Dschalal Talabani machte er auf dem Flughafen den Anfang. Dann erklangen die beiden Nationalhymnen.

Acht Jahre iranisch-irakischer Krieg unter Saddam, mit einer Million Toten und fast fünf Jahren US-Besatzung nach Saddam: Der erste Besuch eines iranischen Staatsoberhaupts seit 1979 verdient das Prädikat historisch. Es gäbe in allen Bereichen einen gemeinsamen Nenner, und beide Seiten planten ihr Verhältnis zu verbessern", erklärte Ahmadinedschad nach dem Treffen mit Talabani und fügte hinzu: "Ein stabiler und souveräner Irak wird der gesamten Region nützen."

Der iranische Präsident hat bei seiner Irakreise viele Botschaften im Gepäck. Zu Hause stehen Parlamentswahlen an. Und Irans Präsident steht unter Erfolgsdruck, wenn er will, dass seine Gefolgsleute im Parlament wiedergewählt werden.

Viele wichtiger aber ist das Signal in Richtung Westen. Dieses lautet: Irans Einfluss im Irak wächst. Ahmadinedschad wird von der gesamten irakischen Regierung, vom kurdischen Präsidenten Talabani bis zum Premier Maliki, der rote Teppich ausgerollt. Dies ist eine Anerkennung dafür, dass der iranische Präsident einer der großen Spieler im Irak ist.

Da geht der zeitgleiche Irakbesuch des USA-Stabschefs Mike Mullen unter. Washington braucht Teheran, um den Irak weiter zu befrieden. Denn die Befriedung läuft alles andere als gradlinig. Konnten die Amerikaner noch den Dezember letzten Jahres als den Monat mit der niedrigsten Gewalt seit langen für sich verbuchen, zog die Zahl der durch Anschläge ermordeten Iraker dieses Jahr wieder deutlich an. Aber es ist kein Geheimnis, dass die relative Beruhigung auch der Zurückhaltung der schiitischen Milizen im Irak geschuldet ist. Und da kann Teheran jederzeit per Knopfdruck neues Öl ins Feuer gießen. So war es auch kein Zufall, dass der iranische Präsident kurz vor seiner Reise nach Bagdad noch einmal an die drei gemeinsamen Sicherheitstreffen erinnerte, die Vertreter des Irans und der USA seit Mai vergangenen Jahres abgehalten hatten. "Die Gespräche haben sehr dabei geholfen, die Lage im Irak zu stabilisieren", sagte er. Der Besuch Ahmadinedschads ist so gesehen auch eine Warnung an den Westen, in der Atomfrage die Sanktionsschraube gegen den Iran nicht noch weiter anzuziehen.

US-Präsident George W. Bush bleibt bei seiner alten Rhetorik. "Ahmadinedschad ist ein Nachbar und die Botschaft der Iraker muss sein, dass er aufhört, komplizierte Waffen zu liefern, mit denen irakische Bürger umgebracht werden", sagte er auf seiner Ranch in Texas. Daraufhin änderte auch Ahmadinedschad seinen Ton. "Es scheint in den USA üblich zu sein, anderen die Schuld an ihren Niederlagen zuzuschieben", antworte er und fügte hinzu: "Ist es nicht merkwürdig, dass die USA 160.000 Soldaten im Irak stationiert hat und uns vorwirft, dass wir uns im Irak einzumischen."

Doch Ahmadinedschad muss aufpassen. Sein Besuch im Irak ist ein Drahtseilakt. Er könnte die nichtschiiitischen Iraker verschrecken. Und bei den arabischen Nachbarn läuten ohnehin schon die Alarmglocken, denn sie fürchten, dass sich der Irak in einen iranischen Satellitenstaat verwandeln könnte.

Dabei registrieren die Araber schon längst eine regionale Machtverschiebung. Der amerikanische Einfluss schwindet in dem gleichen Maße, wie der iranische steigt. Als hunderttausende Palästinenser aus dem Gazastreifen im Januar die ägyptischen Grenzanlagen durchbrochen hatten, wartete der ägyptische Präsident Hosni Mubarak auf internationale Unterstützung, um die Krise zu meistern. Als sein Telefon läutete, meldete sich nicht George W. Bush, sondern Mahmut Ahmadinedschad.

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