BVG-Streik II: Busfahrer pfeifen sich warm
Erbost über Äußerungen des Finanzsenators sammeln sich streikende BVG-Mitarbeiter zur Spontandemo. Die Stimmung ist gut - auch wenn nicht alle an einen Erfolg glauben.
"Guck, da kommen'se", sagt ein junger BVGler vor dem Tor des Weddinger Betriebshofs. In ihren Uniformjacken, die Hände um einen wärmenden Becher Kaffee, warten die streikenden Bus- und Bahnfahrer auf ihre Kollegen, die gerade die Müllerstraße heraufziehen. Die Polizei hat eine Fahrbahn abgesperrt, Ver.di-Fahnen werden geschwungen: die BVG demonstriert.
Es ist Tag zwei des BVG-Streiks. Außer bei der S-Bahn herrscht im öffentlichen Nahverkehr weitgehend Stillstand, genau wie in den Verhandlungen. Die Gewerkschaft Ver.di fordert bis zu zwölf Prozent mehr Geld für die Beschäftigten, der Kommunale Arbeitgeberverband will aber nur eine stufenweise Erhöhung um sechs Prozent bis 2010 zugestehen. Finanzsenator und BVG-Aufsichtsratschef Thilo Sarrazin (SPD) hatte darüber hinaus am Dienstag erneut gesagt, das Gehalt vieler BVG-Fahrer liege über dem Marktwert ihrer Arbeit.
Die Wut über diese Äußerungen habe die BVGler nach einer morgendlichen Streikversammlung im Weddinger U-Bahn-Werkhof spontan auf die Straße getrieben, sagt Uwe Nitzgen, Mitglied der Ver.di-Tarifkommission und Vorsitzender des BVG-Gesamtpersonalrats. "Die Kollegen sind hoch motiviert." Und wenn der Streik noch lange dauert? Das Streikgeld beträgt nur 50 Euro am Tag, weit weniger als das durchschnittliche Gehalt. "Die Kollegen werden sich einrichten."
Trotz Kälte und grauem Himmel haben die Demonstranten gute Laune, das stimmt. Es wird laut gelacht, die begleitenden Polizisten kriegen ihre Neckereien ab, und als ein vorüberfahrender Lkw-Fahrer aufmunternd hupt, johlen die Busfahrer zurück. Die anfängliche Zurückhaltung - man hat ja seit 17 Jahren nicht mehr richtig gestreikt - weicht bald energischem Trillern und Fahnenschwenken.
Die Erfolgsaussichten des Streiks allerdings schätzen die BVG-Beschäftigten als wenig rosig ein. Heike Unger, die für die BVG Fahrscheinautomaten repariert, ist jedenfalls skeptisch. Die 24-Jährige glaubt nicht an reale Einkommensverbesserungen. Immerhin: "Es ist den Versuch wert", sagt sie wenig überzeugt. Und Busfahrer Andreas Batz, 46, erwartet schwierige Verhandlungen: "Ver.di muss ja jetzt auch das Gesicht wahren." Ob die Gewerkschaft mit ihrer hohen Forderung durchkommt, sei jedoch fraglich.
An der Ecke zur Ollenhauerstraße, wo der Demonstrationszug umschwenkt, kommt es zu einem Zwischenfall. Lauthals macht ein Mann, der in seinem Lieferwagen an der kurzzeitig gesperrten Kreuzung aufgehalten wird, seinem Unmut Luft. Die Gespräche werden leiser, das Gelächter bricht ab. "Das ist das erste Mal, dass ich so was sehe", sagt Batz. Bisher hätten die Berliner viel Verständnis gezeigt. Am Anfang sei das wohl normal. "Aber die Stimmung kann jederzeit gegen uns kippen", befürchtet er.
Für die Polizei gibts bei Demoende artigen Applaus. Man will ja niemanden vor den Kopf stoßen.
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