Kommentar Tibet-Unruhen: Olympia als Tibets Chance
Ein Boykott der Olympischen Spiele wegen Chinas Tibet-Politik wäre Unsinn. Doch es gibt zahlreiche andere Möglichkeiten, im Vorfeld der Spiele Druck auf Peking auszuüben.
Die Bilder der Repression in Tibet machen betroffen. Zwar ist die nicht neu, sondern seit Jahrzehnten bekannt. Doch wenige Monate vor den Olympischen Spielen in Peking verdirbt die Gewalt in Tibet nicht nur die Freude auf friedliche Spiele, sondern regt auch Boykottaufrufe an. Denn Gewalt gegen Mönche wie gegen Zivilisten ist nicht mit dem olympischen Geist vereinbar und unakzeptabel.
Doch hilft ein Boykott? Wenn einige westliche Mannschaften fernbleiben, dürfte das keinem Tibeter nützen. Einzig das Gefühl, dass Pekings Repression nicht unsanktioniert bleibt, würde für Genugtuung sorgen. Zugleich raubt ein Boykott jedoch die Chancen, im Vorfeld der Spiele Druck auf Peking auszuüben.
Zugegeben, Peking lässt sich - wie andere Großmächte auch - nur schwer zum Einlenken bewegen. Allerdings wurde es den Chinesen auch leicht gemacht, ihre Repressionspolitik trotz Olympia fortzusetzen: Sowohl das IOC als auch die Sponsoren haben vor Vergabe der Spiele darauf verzichtet, menschenrechtliche Mindeststandards und Überprüfungsmechanismen festzulegen. Es ist nicht einzusehen, warum für olympische Wettkämpfe inzwischen Umwelt-, aber keine Menschenrechtsstandards vereinbart werden.
Dieses Versäumnis sollte jedoch nicht verspätet kompensiert werden, indem nun durch einen Olympia-Boykott die Sportler um die Chance ihres Lebens gebracht werden. Die Athleten sind nur das letzte und schwächste Glied in dieser langen Kette von Machtinteressen. Stattdessen könnte auch jetzt noch der Druck auf die Sponsoren und das IOC erhöht werden, von Peking eine unabhängige Untersuchung der Gewalt in Tibet zu verlangen. Eine Liste der Sponsoren findet sich unter en.beijing2008.cn/bocog/sponsors/sponsors/. Denn welcher Konzern will schon mit toten Demonstranten assoziiert werden? Und auch während der Spiele bietet sich zum Beispiel das Tragen schwarzer Trauerbänder an, um so unter Dehnung der strengen IOC-Regeln des Unrechts zu gedenken. Damit dürfte Tibet mehr geholfen sein, als wenn chinakritische Teilnehmer und Besucher zu Hause bleiben und auf ihren Einfluss verzichten.
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