Kommentar Sterbehilfe: Tod auf Wunsch braucht Kontrolle

Mit ihrer neuen Praxis, Sterbehilfe mit Helium durchzuführen, schadet sich die Organisation Dignitas selbst - und ihrem guten Anliegen.

Der Tod der krebskranken Chantal Sébire hat in Frankreich die Debatte über Sterbehilfe neu entfacht. Laut Gesetz ist dort - wie in Deutschland auch - nur die passive Sterbehilfe erlaubt. Ärzte dürfen die Behandlung einstellen, aber kein todbringendes Mittel geben. Sébire wurde eine weitergehende Sterbehilfe verweigert. Für Menschen wie sie braucht man Ausnahmeregelungen. Es ist gut, dass inzwischen sogar die französische Regierung den Umgang mit unheilbar Kranken diskutiert. Menschen, denen kein Schmerzmittel mehr hilft, sollten selbst entscheiden können, wie lange sie leiden wollen, wann es reicht. Nicht nur in Frankreich, auch in Deutschland.

Die Schweizer Sterbehilfeorganisation Dignitas hat das früh erkannt: Auch für viele todkranke Deutsche war sie der Ausweg aus der Not. Umso trauriger ist es, dass sie sich nun völlig intransparenter Methoden bedient. Wenn Dignitas-Gründer Ludwig Minelli den Sterbewilligen Helium statt Schmerzmittel verabreicht, weil er dafür kein ärztliches Rezept braucht, ist das nicht zu verantworten. Minelli umgeht auf diesem Weg die ärztliche Kontrolle - und damit jene Instanz, die ihm ein angemessenes Vorgehen bescheinigt.

Dignitas-Vertreter begründen diesen Schritt mit den höheren Auflagen, die in der Schweiz für Sterbehilfe seit Jahresbeginn gelten. Ein Kranker müsse nun mindestens zwei Mal binnen drei Tagen von einem Arzt begutachtet werden. Es mag sein, dass diese Untersuchungen für manch einen Schwerkranken tatsächlich eine große Belastung darstellen. Deshalb die Ärzte bei der Sterbehilfe ganz auszuschalten, ist jedoch der falsche Weg.

Denn wenn allein Dignitas entscheidet, ob ein Mensch mündig ist oder psychisch krank, ob er leben oder sterben soll, ist das Willkür. Gerade weil es bei Sterbehilfe um Leben und Tod geht, müssten alle Vorgänge transparent sein, sollte jeder Betroffene bis zuletzt ärztlich begleitet werden. Ansonsten macht sich Dignitas angreifbar. Mit der Helium-Methode schadet die Organisation nicht nur sich selbst, sie wirft auch die Diskussion um Sterbehilfe zurück.

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