Geheimdienst-Kontrolle: Abgeordnete machen Druck
Mehr Rechte für die Geheimdienstkontrolleure? Der Kanzleramtschef ist verhandlungsbereit, die Opposition drängt auf Veränderungen, und die Union sagt: "Jetzt oder nie".
BERLIN taz Neun Parlamentarier sollen die Arbeit von tausenden Geheimdienstmitarbeitern überprüfen. Weil das nicht richtig funktioniert, wollen die regierende Union und die Opposition eine schnelle Reform der Geheimdienstkontrolle. "Wir müssen die parlamentarische Aufsicht verbessern", verlangt Hans-Peter Uhl, Innenexperte von CDU und CSU, "und zwar noch vor der nächsten Bundestagswahl."
An Ostern hatte sich der für die Nachrichtendienste zuständige Kanzleramtsminister Thomas de Maiziere (CDU) öffentlich bereit erklärt, über eine Reform der Geheimdienstkontrolle zu verhandeln. In einem taz-Interview kündigte er an, bis 2009 einen Konsens mit den Fraktionen des Bundestags zu erzielen. Einen ersten Termin gibt es schon: Am 9. April sprechen Union und SPD über mehr Rechte für das Parlamentarische Kontrollgremium (PKG).
In dem Gremium sitzen neun Abgeordnete aller Fraktionen, welche die Arbeit des Verfassungsschutzes, des Bundesnachrichtendienstes (BND) und des Militärgeheimdienstes MAD prüfen sollen. Das Gremium wird von der Bundesregierung laut Gesetz nur über "Vorgänge von besonderer Bedeutung" unterrichtet. Was das ist, entscheidet die Regierung selbst. Die Möglichkeiten zur Kontrolle sind also begrenzt. Doch PKG-Vertreter Uhl glaubt, dass die Gelegenheit günstig ist. "Es gibt zum ersten Mal ein öffentliches Bewusstsein für unsere Probleme", sagt der Geheimdienstkontrolleur, "wir müssen die Reform entweder jetzt machen oder nie."
Es herrscht ein gewisser Handlungsdruck, weil sich die Geheimdienste in jüngster Zeit mehrere umstrittene Aktionen geleistet haben. Dazu gehört das Agieren des BND im Irak und während der Liechtensteiner Steueraffäre. In beiden Fällen fühlten sich Vertreter des Parlamentarischen Kontrollgremiums unzureichend informiert.
Eine Reform soll also her, aber welche? Grüne und FDP fordern, dass jedes Mitglied des Kontrollgremiums mindestens einen Mitarbeiter beschäftigen und einweihen darf. "Derzeit sollen 9 Abgeordnete etwa 10.000 Geheimdienstmitarbeiter kontrollieren", sagt FDP-Kontrolleur Max Stadler. "Wir brauchen dringend Leute, die uns zuarbeiten." Mit diesem Vorschlag könnte sich auch die Union anfreunden - solange es bei einem Mitarbeiter pro Parlamentarier bleibt. Begründung: Zu viele Eingeweihte gefährdeten die Geheimhaltung. Die Konservativen lehnen auch den FDP-Vorschlag ab, dass die Kontrolleure sich vertreten lassen dürfen, wenn sie krank sind.
In der Union selbst wiederum gibt es den Wunsch nach einer Art Sonderermittler, einem Geheimdienstbeauftragten. "Oft gibt es Sachverhalte, die wir gerne näher untersuchen würden, für die wir allerdings nicht die Zeit haben", sagt Uhl. "Ein Beauftragter, der ohne Stimmrecht im Gremium sitzt, könnte in unserem Auftrag bestimmte Dinge herausfinden." Dagegen ist wiederum die Linke. "Das Kontrollieren der Geheimdienste ist eine der vornehmsten Aufgaben des Parlaments", sagt der linke PKG-Vertreter Wolfgang Neskovic. "Das sollten wir nicht aus der Hand geben."
Neskovic würde sich lieber an die Öffentlichkeit wenden dürfen, wenn die Regierung "Vorgänge von besonderer Bedeutung" dem Gremium nicht meldet. Doch das lehnt die Union aus Gründen der Geheimhaltung ab.
Als Verweigerer gelten aber nicht die Konservativen, sondern die SPD. Deren Vertreter äußerten sich zu allen Reformvorstellungen bisher eher zurückhaltend bis ablehnend. "Es ist schon seltsam, dass die Sozialdemokraten hier deutlich unwilliger sind als die CDU", sagt Neskovic. Auch Unionsmann Uhl hat "beim Koalitionspartner eine gewisse Lustlosigkeit bemerkt". Er ist sich aber sicher, dass "wir die SPD schon noch überzeugen werden".
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!