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Razzien in WeißrusslandLukaschenko jagt Oppositionelle

In Weißrussland werden Journalisten und Nichtregierungsorganisationen schikaniert und behindert. Anlass sind die schlechter werdenden Beziehungen des Regimes zu den USA.

Unter Druck: Demonstranten werben in Minsk um Solidarität mit inhaftierten Oppositionellen. Bild: reuters

BERLIN taz Weißrusslands autoritäre Staatsmacht verschärft die Jagd auf Regimekritiker und Oppositionelle. Nachdem am 25. März bei Demonstrationen anlässlich des weißrussischen Nationalfeiertages in Minsk Dutzende Protestierende festgenommen und zu Geldstrafen verurteilt worden waren, knöpften sich der Geheimdienst KGB und die Miliz jetzt unabhängige Medien und Nichtregierungsorganisationen vor. Landesweit wurden 30 Journalisten auf Polizeistationen verhört, ihre Wohnungen und Redaktionen durchsucht, Dokumente und technisches Gerät beschlagnahmt.

Auch Olga Karatsch schließt nicht aus, dass sie bald vor Gericht stehen und zu einer Haftstrafe verurteilt werden könnte. Die 29-Jährige arbeitet bei der Bürgerbewegung "nasch dom" (Unser Haus) in Witebsk. Die Organisation macht Missstände und Gesetzesverstöße von Behörden öffentlich und hilft Menschen, sich gegen die Verletzung ihrer Rechte zur Wehr zu setzen.

Am vergangenen Donnerstag bekam "nasch dom" unangemeldeten Besuch. Vertreter des KGB brachen die Wohnung auf, in der die Büros der Organisation untergebracht sind, und beschlagnahmten sämtliche Dokumente sowie die komplette technische Ausstattung. Angeblich suchten die Beamten nach Beweisen für die Herstellung und Vervielfältigung eines Trickfilms, in dem Staatspräsident Alexander Lukaschenko beleidigt wird. Nun droht der Organisation, die ihre Tätigkeit einstellen musste, ein Gerichtsverfahren wegen "Verunglimpfung der Republik Weißrussland". "Das Regime hat Angst. Gleichzeitig möchte Lukaschenko sein Image verbessern. Da ist es klar, dass alle Menschen, die regimekritische Informationen verbreiten, mundtot gemacht werden müssen. Wir sind jedenfalls auf alles gefasst", sagt Olga Karatsch.

Noch zu Beginn des Jahres hatte es kurzzeitig so ausgesehen, als wolle sich Weißrussland gegenüber dem Westen öffnen. Im Februar wurden sechs politische Gefangenen aus der Haft entlassen - eine "Geste des guten Willens", wie Staatschef Lukaschenko erklärte. Kurz darauf erhielt die Europäische Kommission die lang erwartete Erlaubnis, in Minsk ein Büro zu eröffnen.

Doch schon Anfang März verschärfte Lukaschenko, der immer noch die Todesstrafe vollstrecken lässt, die Gangart - zunächst gegenüber den USA. Diese hatten am 7. März die im November 2007 gegen den weißrussischen Öl- und Chemiekonzern Belneftechim verhängten Sanktionen bekräftigt. Grund dafür sei die schlechte Menschenrechtslage, hieß es. Unter anderem fordert Washington die Freilassung des politischen Gefangenen Alexander Kazulin. Kazulin hatte es 2006 gewagt, bei den sogenannten Präsidentenwahlen gegen Lukaschenko anzutreten, und war wenige Monate später wegen Organisation einer nicht genehmigten Demonstration zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteil worden.

Minsk reagierte umgehend auf die US-Sanktionen und beorderte seinen Botschafter aus den USA zurück. Die USA zogen ihrerseits die US-Botschafterin aus Minsk ab. Vorläufig letzter Akt im diplomatischen Schlagabtausch ist die Ankündigung Weißrusslands, sein Botschaftspersonal in Washington weiter zu reduzieren. Der außenpolitische Konfrontationskurs geht einher mit der Verfolgung der Kritiker im Lande. "Im Herbst sind Parlamentswahlen", sagt Olga Karatsch. "Und bis dahin werden sich die Repressionen noch deutlich verschärfen."

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