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Zoo-Direktor der alten SchuleVom Aussterben bedrohte Art

Die einen nennen ihn Tierquäler; andere kritisieren sein fehlendes Gespür für Marketing. Dabei will Bernhard Blaszkiewitz nur eines: Tiere bewahren und zeigen.

Der Direktor und sein Liebling: Bernhard Blaszkiewitz (rechts) und ein gewisser Knut Bild: dpa

Die Kritik an Zoo- und Tierpark-Direktor Bernhard Blaszkiewitz reißt nicht ab. "Er hat keinen Respekt vor dem Leben", sagt die Grünen-Politikerin Claudia Hämmerling. Sie hat gegen ihn Strafanzeige erstattet, weil er angeblich diverse Zootiere an zwielichtige Tierhändler verkauft hat. Die Tiere seien als Potenzmittel in China geendet. Hämmerling fordert den Rücktritt des Direktors. "Er hat kein Gefühl für Marketing", sagt Hanns Peter Nerger, der Geschäftsführer der Berlin Tourismus Marketing (BTM). Blaszkiewitz hat die seit fünf Jahren im Zoo gefeierte "Gay Night" abgesagt. Nerger fordert mehr Öffentlichkeitsarbeit.

Denn auch sonst tut der Zoo nach Auffassung der BTM dafür zu wenig. Das war auch die Begründung, weshalb der unter anderem für die Vermarktung des Eisbären Knut zuständige zweite Zoo-Vorstand Gerald Uhlich Ende 2007 seinen Job als Marketingchef quittierte.

Die Geschichte von der Giraffe Paul

Der liebe Gott meinte es nicht gut mit Paul. Sein Vater Alexander war ein Hybrid aus einer ungeklärten Giraffenart mit einer Rotschildgiraffe. Pauls Mutter Elfi wiederum war die Tochter von Alexander - was Paul somit zu einer Hybrid-Inzest-Giraffe macht. "Das ist schlimmer als eine Kreuzung aus Schäferhund und Pudel", sagt die Grünen-Abgeordnete Claudia Hämmerling. "Schäferhund-Pudel-Mischlinge will schon keiner haben." Die Giraffe Paul schon gar nicht.

Weil kein Zoo und auch kein Tierpark Interesse an Paul zeigten, verkaufte 2005 der Berliner Tierpark Paul an den Tierhändler Werner Bode. Unter mysteriösen Umständen brach sich Paul beim Abtransport jedoch das Genick und starb. Ist sonst im Jahresbericht des Tierparks alles akribisch festgehalten, wird Pauls Tod mit keiner Silbe erwähnt. "Giraffen sind sehr sensible Tiere", sagt der Zooexperte Frank Albrecht von der Tierschutzorganisation Peta. Werden sie zu hektisch aufgeladen, entsteht Stress. Sie können ausrutschen, oder ihre langen Beine knicken weg. Dass über Pauls Tod keine Eintragungen zu finden sind, hat Albrecht misstrauisch gemacht. "Es muss etwas geschehen sein, was den Zoodirektor noch mehr belasten würde."

Nachdem die Grünen-Tierschutzexpertin Hämmerling vor drei Wochen gegen den Zoo- und Tierpark-Direktor Bernhard Blaszkiewitz Anzeige wegen Verstoßes gegen den Tierschutz erstattet hat, reißt die Kritik an ihm nicht mehr ab. Alle paar Tage werden neue Vorwürfe bekannt gegeben. So werfen Hämmerling und die Organisation Peta Blaszkiewitz vor, Anfang der 1990er-Jahre Zwergflusspferde und Kragenbären an Händler verkauft zu haben, die die Tiere unter anderem an Schlachter weitergeleitet haben sollen. Auch der Verbleib von fünf Tigern bleibt ungeklärt. Albrecht vermutet, dass die Tiger aus dem Berliner Tierpark an eine Farm in China verkauft wurden, wo sie unter tierfeindlichen Bedingungen gehalten werden.

Tierhändler Bode weist die Vorwürfe von sich. Entgegen anders lautenden Medienberichten gibt Bode zwar zu, auch nach seinem offiziellen Rückzug vom Tierhandel vor fünf Jahren Tiere weiter vermittelt zu haben. "Ich verfüge über gute Kontakte", bestätigt er, beteuert aber, keine Tiere an Schlachter verkauft zu haben. Auch seien alle seine Tiergeschäfte vom Bundesamt für Artenschutz überprüft worden.

Tiere müssen verantwortungsvoll gezüchtet werden, erwidert die Grünen-Abgeordnete Hämmerling. Das könne man bei einem Tierhändler jedoch nicht sicherstellen.

Nach Ansicht der Tierschutzorganisation Peta liegen die Ursachen des Problems in der Tierhaltung. Aus Profitgier würde im Zoo und im Tiergarten zu viel Nachwuchs gezüchtet. Blaszkiewitz wolle wie bei Knut mit vielen Jungtieren die Besucherzahlen in die Höhe treiben. Sind die Tiere jedoch erst mal aufgewachsen, gibt es keine Verwendung mehr für sie", sagt Albrecht. Der Tierschützer vermutet, dass in den Berliner Zoos allein in den vergangenen fünf Jahren bis zu 500 Tiere verschwunden sind. Was an diesen Vorwürfen dran ist, prüft momentan die Staatsanwaltschaft.

Wenn es für eine Zooeinrichtung die einzige Möglichkeit ist, den Bestand zu sichern, habe sie gar nichts dagegen, dass auch mal verwandte Giraffen gepaart werden, sagt Hämmerling. Sie jedoch bloß für ein Jahr zu züchten, um sie dann über einen Tierhändler an Schlachter zu verhökern - das sei "verwerflich und abscheulich". FELIX LEE

Und dann ist da noch die Geschichte mit den vier Katzenbabys. Blaszkiewitz hatte die verwilderten Tiere aus Sorge getötet, sie könnten im Tierpark Krankheiten übertragen. Das war 1991. Dass der Vorfall erst jetzt bekannt wurde, just zu einem Zeitpunkt, an dem der Zoo-und Tierpark-Chef massiv unter Druck steht, ist kein Zufall.

Zu allem Überfluss reagierte Blaszkiewitz auch noch in gewohnt offener Weise. Er räumte vergangene Woche in mehreren Interviews freimütig ein, den Katzen seinerzeit nach Bauernmethode "artgerecht das Genick gebrochen" zu haben. Seither quellen die Leserbriefspalten der Berliner Zeitungen von den Reaktionen aufgebrachter Tierschützer über. Selbst der Vorsitzende des Vereins der Freunde und Förderer des Zoologischen Gartens, Jürgen Brückner, bekundete "Entsetzen und Abscheu" und fragt, ob Blaszkiewitz auf seinem Posten noch der Richtige sei.

Auf den meisten Fotos in den Medien ist der 1,90 Meter große und 130 Kilo schwere Mann derzeit als böse dreinblickender Griesgram abgebildet. Was sich da um seine Person abspiele, trage schon Züge einer Kampagne, sagt Blaszkiewitz. "Aber ich bin keiner, der bei ein bisschen Wind gleich umfällt - das liegt nicht nur an meiner Körperstatur."

Blaszkiewitz empfängt seinen Besuch in einem schlichten Büro im Verwaltungshaus des Zoos. Er trägt eine schlabbrige Hose und ein hellblaues Hemd, darüber einen roten Pullunder. Die gesunde Gesichtsfarbe lässt darauf schließen, dass er viel draußen ist. Wenn er Ärger habe, gehe er gern zu den Elefanten, erzählt er. In den letzten Tagen war er da ziemlich oft. "Die Elefanten fassen mich an, und ich fasse die Elefanten an. Direkter Körperkontakt entspannt." Das Gerede ficht ihn nicht an, sagt er. "Nur die Behauptung, dass ich Leben gering achte, trifft mich."

Immerhin: Der Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft Zoologischer Garten hat sich hinter Blaszkiewitz gestellt. Er könne keine rechtliche oder moralische Verfehlung des Direktors erkennen, gab der Vorsitzende Jochen Sievers zu Protokoll; er sieht keinen Grund, ihn abzulösen. Auch die Entscheidung, vor Jahren die Katzen zu töten, sei richtig gewesen. Allerdings würde man das heute auf sensiblere Weise tun.

Der 54-jährige Blaszkiewitz leitet Zoo und Tierpark seit 2007. Im Tierpark war er bereits seit 1991 Direktor. Doch auch den Zoo kennt er von der Pieke auf. Dort hat er fünf Jahre als Tierpfleger gearbeitet. Sein Ziel sei, beide Einrichtungen zusammenzuschweißen, sagt er. Dass es in Berlin immer noch Leute gibt, die das nicht wollen, ärgert ihn maßlos. Allen voran der Förderverein des Zoologischen Gartens, dessen Vorsitzender Brückner sich lautstark als Blaszkiewitz-Kritiker zu Wort meldet.

Brückners nicht einmal 100 Mitglieder zählender Verein tritt für die Belange des Westzoos und einen eigenständigen Direktor dort ein. Der Förderverein Tierpark hingegen, mit 1.000 Mitgliedern deutlich größer, engagiert sich auch für den Zoo. Der Verein stärkt Blaszkiewitz demonstrativ den Rücken.

Zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen hat Blaszkiewitz wiederholt Stellung bezogen: Er arbeite nur mit vertrauensvollen Tierhändlern zusammen. Kein einziges Tier sei verschwunden oder mit seinem Wissen und seiner Duldung ins Schlachthaus gekommen. Was andere Zoos mit den Berliner Tieren machten, unterstehe nicht seinem Verantwortungsbereich. Der Verbleib eines jedes Tieres sei in den Tier- und Zuchtbüchern belegt.

Was die Vorwürfe des schlechten Marketings betrifft, gibt Blaszkiewitz zu, durch die Vermarktung von Knut viel Neues gelernt zu haben. Ein neuer Marketingchef werde gesucht. Aber es gebe eben auch Grenzen. Die Gay Night sei nicht gewinnbringend gewesen, außerdem störe der nächtliche Trubel die Tiere. Was die Forderung nach mehr Events und einem Disneyland im Zoo und Tierpark angehe, sei er "Old School", gibt der Direktor zu. "Ich bin, was die Erhaltung der Natur angeht, sehr konservativ. Conservare heißt erhalten."

Ob Blaszkiewitz auch die Politik überzeugen kann? Mitte April muss er sich vor dem Gesundheitsausschuss des Abgeordnetenhauses verantworten.

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2 Kommentare

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  • Z
    Zoo-Freundin

    Das Fehlen von kaufmännischer Kompetenz wird schon jetzt, wenige Woche nach der vorzeitigen Entlassung des kaufmännischen Vorstands, überdeutlich sichtbar. Chancen für Einnahmen in Millionenhöhe wurden vertan. Lieber einen Privat-Zoo aus dem 19. Jahrhundert führen und den Steuerzahler für Versäumnisse aufkomemn lassen, scheint das Motto des Biologen Blaszkiewitz zu sein. Internationale Zoo-Besucher werden durch durchgängig deutsche oder völlig fehlende Beschilderung verprellt, Restaurant- und Sanitärangebot ähneln dem von Einrichtungen aus den 50er Jahren, in die Arbeit der Mitarbeiter wird massivst eingegriffen, Tiere gegen die Natur vermehrt. Nicht etwa, um jederzeit Jungtiere zeigen zu können, wie übrall zu lesen ist. Es ist offenbar befriedigend Herr über Leben und über Tod zu sein. Da wird dann auch schon mal selbst Hand angelegt. Wie das eigenhändige Töten von Tieren durch Dr. Blaszkiewitz zeigt, das jetzt bekannt geworden ist. Wann endlich wird das Potential der wertvollen zoologischen Einrichtungen unserer Hauptstadt entwickelt? Tiergärtnerisch und kaufmännisch?

  • A
    Antonietta

    Die Zucht in Gefangenschaft sorgt für einen Überschuss an Tieren. Babys sind nämlich Kassenmagneten und ziehen massenweise Besucher an, die zusätzlich zum Eintrittsgeld auch noch Geld in den Geschenkeshops und Snackbars der Zoos ausgeben.

     

    Zoos können vielleicht größere und feudalere Anlagen bauen, aber es sind und bleiben doch Gefängnisse. Viele "Verbesserungen" sind eher kosmetischer Art und dienen eher den Besuchern als den Tieren. Die meisten Tiere in Gefangenschaft leiden unter Frustration und Langeweile. Anstatt Millionen darauf zu verschwenden, Unmengen an Tieren einzusperren, sollten wir uns für die Erhaltung und Wiedereinrichtung dessen einsetzen, was wir Menschen den Tieren genommen haben: ihren ursprünglichen Lebensraum.