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Proteste beim Olympiafackellauf in ParisAn, aus, an, aus, an

Der Fackellauf ist gestern in Paris mehrfach unterbrochen worden. Wegen massiver Proteste gegen die chinesische Tibetpolitik wurde die Fackel sogar ein paar Mal gelöscht.

Auch in Paris liefen die Fackelträger nicht unbehelligt durch die Stadt. Bild: ap

PARIS taz Ein einziger Hindernislauf: In Paris, auf ihrer letzten europäischen Station, kommt der olympische Fackellauf zum Stocken. Die Fackel geht aus. Wird wieder angesteckt. Viermal insgesamt. Wird in einen Bus verladen. Bleibt in einem Tunnel stecken. Und hat schon auf den ersten Metern ihres auf 28 Kilometer geplanten Laufs - vorbei an den schönsten Gebäuden und Avenuen der französischen Hauptstadt - große Verspätung. Die Zeremonien längs der Strecke werden eine nach der anderen abgesagt.

Inmitten der "Blase" ist die Fackel allein. Umzingelt von hunderten von Polizisten, von Sicherheitsbeamten der CRS und von Feuerwehrmännern. Niemand am Wegesrand kann die Flamme sehen. Aber alle hören den Ruf: "Freiheit für Tibet".

Fünf Busse voller TibeterInnen sind aus Belgien angereist. Andere haben sich in der Schweiz auf den Weg gemacht. Am Vormittag treffen sich die TibeterInnen Europas auf dem Platz der Menschenrechte am Pariser Trocadéro. "Stoppt die Sinisierung", steht auf einem Transparent, das der 33-jährige Ngago hochhält. "Medikamente für unsere Verletzten" verlangt ein anderes Spruchband. Unisono fordern die meist jungen DemonstrantInnen, die in Tibet geboren und auf dem Umweg über das indische Daramsala nach Europa gekommen sind, dass "das Töten aufhört" und dass es "Freiheit in China" gibt. Einen Olympiaboykott verlangen diese weitgereisten DemonstrantInnen nicht. Chiang-Min Hsu, 25, Musikstudent, wagt sich etwas weiter vor: "Es ist nicht der richtige Zeitpunkt, Peking die Spiele zu geben", sagt er. Sein Transparent zieht gegen den "chinesischen Militarismus" zu Felde.

Menschenrechtsorganisationen in Frankreich, darunter Reporter ohne Grenzen, die schon die Proteste Ende März im griechischen Olympia organisierten, haben in Paris dazu aufgerufen, den Weg der Fackel zu säumen. Sie haben auch angekündigt, "spektakuläre Aktionen" zu machen - gewaltfrei. "Die Olympischen Spiele sind eine Sache", hat Reporter-ohne-Grenzen-Chef Robert Ménard vorab erklärt, "die chinesische Repression eine andere."

Längs der Strecke der Fackel treffen große Gruppen von in Frankreich lebenden ChinesenInnen auf zugereiste TibeterInnen und auf tausende von französischen MenschenrechtlerInnen. Die einen haben knallrote Fähnchen mit gelben Sternen und skandieren "China, China". Sie klagen, dass das olympische Fest versaut wird. Andere schwenken orange-blaue tibetische Fahnen. Auch olympische Ringe in Form von Handschellen sind zu sehen.

Viele der 80 französischen SpitzensportlerInnen, die dazu auserwählt waren, die Fackel triumphal durch Paris zu tragen, müssen auf die Ehre verzichten. Schon nach wenigen Minuten Fackellauf verfrachten Sicherheitskräfte die Flamme vorübergehend in einen Bus. Die Gemengelage auf dem Quai am Ufer der Seine ist zu unübersichtlich geworden. Immer wieder rennen DemonstrantInnen gegen die "Blase" an. Die 400 Personen starke Eskorte rund um die Fackel reicht nicht. Selbst die logistische Unterstützung aus der Luft - von einem Hubschrauber - und vom Wasser aus, wo Polizeiboote auf der Seine patrouillieren - genügt nicht, um die Menge zu kontrollieren.

Die SpitzensportlerInnen, die die Fackel tragen wollten, tragen einen Button. "Für eine bessere Welt" steht darauf. Der Slogan soll die DemonstrantInnen beruhigen. Doch die sportlich-politische Operation, die alle Seiten befriedigen und niemanden verletzen soll, misslingt gründlich.

Immer wieder legen sich Menschen auf die Straßen und blockieren die Passage der olympischen Flagge. Die Polizei trägt sie weg. Es gibt Gedrängel. Schreie. Panik. Staus. Und Verspätungen. Zahlreiche DemonstrantInnen werden festgenommen. Eine grüne Politikerin hat einen Feuerlöscher dabei.

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9 Kommentare

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  • S
    Simon

    Was die olympischen Spiele wirklich noch mit "Sportgeist" zu tun haben, ist wohl die Frage. Sowohl China als auch die Protestanten versuchen mit den Spielen eine Botschaft zu transportieren. Für beides sind die Spiele nicht das geeignete Medium.

  • P
    Peter

    China sieht Tibet als "freches" und "ungehorsames" Kind, auch weil es nichts anderes sehen und hoeren kann, und macht Tibet fuer alle Aktionen auch des Westens verantwortlich.

  • TT
    think twice

    die olympischen Ringe als Handschellen (von Reporter ohne Grenzen), Galgenstricke, Stacheldraht u.v.m. dargestellt -ist sowas schon einmal vorgekommen?

    Einerseits hoffe ich, dass sich Menschen entlang der kommenden Stationen des Fackellaufs und teilnehmende SportlerInnene ermutigt fühlen an Protesten teilzunehmen und die Aufmerksamkeit der Medien nutzen. Andererseits hoffe ich, dass es friedliche Aktionen sein werden. Außerdem befürchte ich, dass sich die Lage in China durch den ausgeübten Druck noch weiter verschlechtern wird.

    in Bezug auf das Kommentar von Michael Wladarsch: volle Zustimmung!

    je mehr heute zeigen, dass sie nicht einverstanden sind, desto mehr Rückhalt haben Regierungen in einer kritischen Haltung. Das gilt nicht nur in Bezug auf China...auch im Rest der Weltgemeinschaft gibt es viele, die gegen die "Spielregeln" verstoßen und Menschenrechte mit Füssen treten?trotzdem "spielen" sie mit. Je mehr Gewicht Menschenrechte in der Öffentlichkeit bekommen (und damit schließlich die Prioritäten der WählerInnen ausdrücken), desto eher sind auch Regierungen bereit sich dem Thema anzunehmen.

    und schließlich: vielleicht wird in Zukunft der Austragungsort der olympischen Spiele etwas bedachter gewählt

  • H
    Heico

    Ist ja besser als ein Boykott der Spiele. Das Lichtlein ausblasen zu wollen ist vielleicht doch zuviel, keine Gewalt halt, wenngleich mein schadenfroher Teil ganz begeistert ist. Die vielen Plakate und Fahnen super! Und sich ein bisschen querlegen muss schon drin sein die chinesischen Bonzen sind ja sonst auch nicht zimperlich.

  • T
    Thomas

    Auch ich finde es unerträglich, was in Tibet vor sich geht. Weiterhin war es alles andere als geschickt, die "Spiele" nach China, und damit in ein totalitäres Land, zu geben.

     

    Ich möchte nur vorsichtig anmerken, dass es die Medien, weil sie in diesem Fall kein politisches oder wirtschaftliches Establishment ankratzen, allzu einfach haben, sich als Hüter der Freiheit zu gebären. Was in Kurdistan gern "Terroristen", weil Sozialisten, sind, sind hier "Freiheitskämpfer". Wo in Rostock ein kleiner Ausschnitt von vermeintlichen "Chaoten" im den Nachrichten rauf und runter lief, werden Aktionisten in Paris nun als Helden präsentiert.

     

    Es ist wirklich schwierig. Gut und Böse sind genau so definiert, wie es gerade passt. Nochmals: Auch ich finde die Gewalt gegen das tibetisch bewohnte Gebiet schlimm. Aber gleichzeitig sind mir die Rollen einfach zu festgelegt.

  • D
    duweisstschon

    Normalerweise bringt die olympische Fackel die Botschaft einer friedlicheren Welt, trägt sie über die Kontinente. Doch diesmal bringt die Fackel nichts, sie nimmt etwas mit. Geballten Protest. Spiele ohne politischen, propagandistischen Hintergrund? Frieden unter den Völkern? Die chinesische Führung hat die Botschaft der olympischen Spiele nicht ansatzweise verstanden und wundert sich nun über sie Antwort.

    Man kann den Chinesen die Spiele gönnen. Der chinesischen Führung diese Bühne zur Verfügung zu stellen braucht jedoch nicht als glanzvolle Entscheidung angesehen zu werden.

  • AR
    Andrea Ramsteck

    Dieser Fackellauf zeigt, was er bis heute ist

    seit seiner Premiere in Berlin 1936 - eine Farce.

     

    Ein Propaganda-Werkzeug für Brandstifter,

    denen Menschenrechte ein Dorn im Auge sind.

     

    Beim Olympischen Feuer hingegen liegen die Dinge

    etwas anders, weil dies die Sportler in ihren

    Herzen tragen - und selbst entscheiden können,

    wo es leuchtet und wo nicht.

     

    Wer sagt, die Athleten der Olympischen Spiele

    mögen doch bitte dort hinfahren und nicht denken,

    unterschätzt sie und ihre Möglichkeiten.

     

    Es ist an der Zeit, dass Funktionäre und Verbände

    endlich umdenken!

  • MW
    Michael Wladarsch

    China will ein Teil der Weltgemeinschaft sein, also muss es auch den Spielregeln dieser Gemeinschaft folgen. China würde den Protest gerne auf ein paar versprengte Separatisten beschränkt sehen. Aber es sind viele, die nicht einverstanden sind, die nicht mitspielen wollen bei dieser öffentlichen Verschaukelung. Tödliche Spiele!!!

  • W
    Werner

    Ich bin ja nun wirklich kein Freund von Störeraktionen. Aber in diesem Fall kann ich mir der Schadenfreude nicht erwehren.