Gegenentwurf zum CSU-Steuerplan: SPD will Abgaben senken
Die SPD bastelt an einer Alternative zum CSU-Steuerdumping: Nicht Steuern, sondern Sozialbeiträge runter - für Geringverdiener.
BERLIN taz Wenn man über die Zukunft reden will, sollte man ansatzweise wissen, wie sie ausehen könnte. Da hat die SPD gerade ein Problem. Am 31. Mai findet der Zukunftskonvent der Partei in Nürnberg statt. Deshalb muss jetzt alles ganz schnell gehen. Denn auf ein paar wichtige Fragen der näheren Zukunft fehlt den Sozialdemokraten noch eine Antwort.
"Die Steuern müssen runter", fordern die CSU und Teile der Unionsfraktion im Bundestag. "Mehr Netto vom Brutto", lautet ihr Motto. Dem hat die SPD bislang nichts entgegenzusetzen. Deshalb glühen nun die Drähte zwischen SPD-Fraktion, Parteivorstand und dem Bundesfinanzministerium von SPD-Vize Peer Steinbrück. Man arbeitet an einem eigenen, vorzeigbaren Konzept. Nicht nur der Finanzminister, sondern auch Parteichef Kurt Beck und Generalsekretär Hubertus Heil lassen derweil durchblicken, wie ein Zukunftskonzept der SPD aussehen könnte: Die Sozialdemokraten wollen die Wähler 2009 mit einer Senkung der Sozialabgaben ködern.
"Die Steuerquote ist nicht das Hauptproblem in Deutschland", erklärt Steinbrück. Auch Generalsekretär Heil glaubt, dass Steuersenkungen "automatisch zu sozialen Kürzungen" führen würden. Besser sei es, die Sozialabgaben für Bezieher niedriger Einkommen zu verringern.
Der Plan, die Sozialabgaben zu vermindern, findet bei SPD-Fachpolitikern Anklang. Finanzexperte Jörg-Otto Spiller sagt, dass die Bruttolöhne der Beschäftigten in den vergangenen Jahren kaum gestiegen seien - obwohl die Regierung mehrfach die Lohnsteuer gesenkt habe. "Für die Masse der Arbeitnehmer ist nicht die Steuer der größte Posten, sondern der Sozialbeitrag", so Spiller. "Wir müssen daher die Abgaben reduzieren - für Bezieher geringer Einkommen."
Zur Finanzierung der Einnahmeausfälle hat Spiller eine Lösung parat. Die Beitragsbemessungsgrenze für Gutverdiener könne angehoben werden. Insgesamt würde das bedeuten: Bezieher hoher Einkommen zahlten mehr Sozialabgaben, Geringverdiener dagegen weniger. Im Finanzministerium trifft diese Position auf Sympathie: "Mit einem linear ansteigenden Tarif wäre schon einiges gewonnen", heißt es in Steinbrücks Umfeld.
Ein schrittweises Ansteigen der Sozialabgaben würde die Staffelungen ergänzen, die es bereits jetzt bei den Beiträgen zu Renten-, Kranken-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung gibt. Minijobber bis zu einem monatlichen Einkommen von 400 Euro zahlen gar keine Beiträge. Die Arbeitgeber entrichten in diesen Fällen eine Pauschale. Für Beschäftigte mit geringen Einkommen von 401 bis 800 Euro steigen die Beiträge schrittweise an. Aber schon ab 800 Euro Bruttomonatseinkommen zahlen die Beschäftigten den Arbeitnehmerbeitrag zur Sozialversicherung in voller Höhe von durchschnittlich 20,6 Prozent.
Selbst unter Wirtschaftsforschern sieht man die Lage bei den Sozialabgaben kritisch. "Die Wirkung ist absurd", ärgert sich etwa Peter Bofinger, der als Wirtschaftsweiser die Bundesregierung berät. Wer 800 Euro verdiene, verfüge schließlich nur noch über 630 Euro. "Wir nehmen den Geringverdienern so viel weg, dass sie auf Hartz-IV-Niveau sinken", so Bofinger.
Dieser Effekt tritt speziell bei den Sozialabgaben ein. Im Steuerrecht ist das anders geregelt. Dort gilt ein Freibetrag von etwa 800 Euro pro Monat, unterhalb dessen überhaupt keine Steuer anfällt. Und auch darüber ist die Belastung anfangs geringer als bei den Sozialabgaben: Sie beginnt bei 15 Prozent.
Wirtschaftsforscher Bofinger argumentiert, dass "Geringverdiener in Deutschland die zweithöchste Abgabenbelastung aller OECD-Länder tragen müssen". In der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sind 30 Industrieländer zusammengeschlossen.
Unterstützung erhält Bofinger von seinem Kollegen Gustav Adolf Horn vom gewerkschaftsnahen Institut für Konjunkturforschung und Makroökonomie. "Wir sollten die Sozialbeiträge linear-progressiv gestalten", so Horn; "damit die Entlastung niedriger Einkommen kostenneutral erfolgt, schlage ich vor, die Beitragsbemessungsgrenzen für hohe Einkommen abzuschaffen". Denn im Gegensatz etwa zum Sozialversicherungsmodell der Schweiz ist dies eine weitere Merkwürdigkeit des deutschen Systems: Gutverdiener, die mehr als 3.600 Euro Monatsgehalt bekommen, brauchen heute nicht mehr in die gesetzliche Versicherung einzuzahlen.
Mehrere Gründe sprechen dafür, dass sich die SPD auf die Sozialabgaben konzentriert. Als Finanzminister hat Steinbrück wenig Interesse daran, dass seine Einnahmen im Vergleich zur Planung geringer ausfallen. Das aber wäre die Konsequenz, sollte sich die CSU zusammen mit Arbeitnehmer- und Mittelstandsflügel der CDU gegen ihn und Bundeskanzlerin Angela Merkel durchsetzen und eine neuerliche Steuersenkung erreichen. Steinbrücks Ziel, 2011 erstmals seit Menschengedenken einen ausgeglichenen Bundeshaushalt ohne neue Schulden aufzustellen, wäre schwerer zu erreichen.
Der Entwurf des Armutsberichts von Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD) zeigt, dass gerade Geringverdiener vom sozialen Absturz bedroht sind. Diese verdienen oft so wenig, dass sie ohnehin keine Steuern zahlen. Die Reduzierung der Steuerbelastung würde ihnen folglich nicht helfen.
Und einen weiteren Vorteil hätte es für die SPD, über die Senkung der Sozialabgaben zu diskutieren. Im Gegensatz zur Steuer, bei der die meisten Sozialdemokraten eher mit einer Anhebung der Tarife liebäugeln, existiert dort eine potenzielle Schnittmenge mit der Union. Die große Koalition könnte ein Mindestmaß an Handlungsfähigkeit beweisen. Einen Teil der Sozialabgaben möchte auch die Union senken. So plädiert Volker Kauder, Fraktionschef der Union, dafür, den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung von 3,3 auf unter 3 Prozent zu drücken.
Doch während die Sozialdemokraten noch mit sich und dem Koalitionspartner ringen, sind andere weiter. Der Präsident des Deutschen Caritasverbands, Peter Neher, hat auf dem Katholikentag verlangt, die Lohnnebenkosten für Geringverdiener zu senken. Das schaffe bessere Arbeitsplätze im Kampf gegen Armut.
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