Trotz Verleumdungskampagne der Medien: Brasiliens Indigene gegen Großstaudamm
Brasiliens Medien blasen zur Kampagne gegen Staudammgegner. Kritiker kommen dabei nicht zu Wort.
ALTAMIRA taz Hunderte geschmückter Indígenas singen und tanzen im Kreis. Ein paar Meter weiter baden Kayapó-Frauen ihre Kinder im Amazonasnebenfluss Xingu. "Wir sind hier, um unseren Fluss zu verteidigen", ruft der Kazike Moxia Parakanã ins Mikrofon. "Wo sollen wir hin, wenn der Damm gebaut wird? Es wird keine Fische mehr geben." Und Idalino Nunes de Assis, der Sprecher der Flussanwohner, fügt hinzu: "Der Xingu hat es nicht verdient, zum Tode verurteilt zu werden."
Frauengruppen, Kirchenleute und Jugendliche begleiteten den friedlichen Protest gegen den Riesenstaudamm Belo Monte, mit dem am Wochenende ein viertägiges Treffen zu Ende ging. Über 600 Indigene aus 24 Ethnien waren zusammengekommen, mehrere Gruppen von Flussanwohnern, Aktivisten der Staudammopferbewegung und von brasilianischen, US-amerikanischen und europäischen NGOs.
Für Brasiliens Medien wurde das Treffen, zu dem der österreichisch-brasilianische Bischof Erwin Kräutler eingeladen hatte, erst mit dem Angriff der Kayapó auf den Ingenieur Paulo Fernando Rezende interessant. Am Dienstag wurde dem Experten des staatlichen Stromkonzerns Eletrobras, der als einziger Vertreter der Gegenseite die Einladung angenommen hatte, mit einer Machete eine Schnittwunde am Oberarm zugefügt.
Bei der tagelangen Berichterstattung im Globo-Fernsehen und in den großen Zeitungen wurden die Hintergründe des Megaprojekts konsequent ausgeklammert. Stattdessen hagelte es giftige Kommentare. Immer wieder flimmerten die Bilder der Attacke über die Bildschirme, ebenso Aufnahmen, wie ein Mitglied des katholischen Indianermissionsrates Cimi in einem Geschäft drei Macheten für einen Kayapó-Indianer kaufte. "Der Angriff der Indianer auf den Ingenieur war geplant", titelte O Liberal, das führende Regionalblatt des Globo-Konzerns.
"Das ist eine Verleumdungskampagne", wehrt sich Cimi-Vorsitzender Kräutler. "Sie schlachten einen bedauerlichen Zwischenfall aus." Die Indígenas ihrerseits bekräftigten in einem Brief, den sie einem Bundesrichter übergaben: "Es wird zu Konflikten zwischen den Unternehmern und den indigenen Völkern kommen. Wir werden bis zum Tod kämpfen."
Mit einer Spitzenkapazität von 11.200 Megawatt würde Belo Monte das drittgrößte Wasserkraftwerk der Welt. 16.000 Menschen würden umgesiedelt, ein 140 Kilometer langer Flussabschnitt monatelang quasi ausgetrocknet. "Nur drei Monate lang wäre das Kraftwerk voll ausgelastet", sagt der Energieexperte Célio Bermann. "Deswegen ist der Bau von drei weiteren Großdämmen flussaufwärts zwingend. Diese Bedrohung haben die Indianer klar erkannt."
Schon heute wird ein Großteil des Wasserkraft aus Amazonien zu subventionierten Preisen an multinationale Aluminiumkonzerne geliefert. "Brasilien wird immer mehr zum Lieferanten billiger Rohstoffe degradiert", so Bermann. "Jetzt muss die Regierung aufpassen, dass sie nicht als Henker der indigenen Völker in die Geschichte eingeht."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!