Freiraum-Aktionstage: Aktivisten und Polizei sind in Wartestellung
Bei den Freiraum-Aktionstagen gibt es Workshops zu Hausbesetzungen, Platzverweise durch die Polizei und einen Anschlag auf McDonalds in der Wrangelstraße. Trotzdem bleibt die Stimmung entspannt - bis Samstagabend.
Bei einer Veranstaltung der Freiraum-Aktionstage gegen Gentrifizierung kam es in der Nacht zu Sonntag am linken Zentrum Köpi in der Köpenicker Straße zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und linken Aktivisten. Nach der Räumung eines Hauses am Michaelskirchplatz in Mitte am Dienstag war es in den letzten Tagen wiederholt zu Spontandemos und Brandanschlägen gegen Autos gekommen, zahlreiche Menschen wurden vorübergehend festgenommen oder erhielten Platzverweise in SO 36 sowie an Plätzen in Prenzlauer Berg und Friedrichshain. Die Freiraum-Kampagne "Wir bleiben alle" distanzierte sich inzwischen vom Angriff auf die Autovermietung Robben und Wientjes, bei dem in der Nacht zu Donnerstag 29 Transporter ausbrannten. Gleichzeitig kritisierte sie die "unverhältnismäßige Gewalt und wahllose Festnahmen von Seiten der Polizei".
In Berlin gibt es viel gesammeltes Fachwissen in Sachen Hausbesetzung. Was liegt näher, als es bei den Freiraum-Aktionstagen der Berliner Hausbesetzerszene in einem Workshop weiterzugeben. "Wie besetze ich ein Haus" heißt dieser ganz pragmatisch. Er findet freiraumgemäß am Freitagnachmittag auf der Wiese vor dem Bethanien statt.
Als Einstieg ins Thema liest die Leiterin des Workshops vor, was im Strafgesetzbuch zu Hausbesetzungen steht. Kaum hat sie begonnen, redet einer der Teilnehmer dazwischen: "Ich hab zu Hause ein Strafgesetzbuch von 1906", berichtet er, "da steht der gleiche Text drin. Nur die Strafen sind niedriger." Das bringt die rund 100 Leute, die sich im Gras ausgestreckt haben und gespannt oder auch entspannt zuhören, zum Kichern.
Manche Teilnehmer, das wird schnell klar, sind Kenner des Metiers. Deshalb wird die Belehrung über rechtliche Hintergründe sowie über Möglichkeiten und Tipps zur Verteidigung besetzter Häuser schnell zum lockeren Erfahrungsaustausch. Beim Reden bleibt es, praktisch geübt wird nichts.
Nach dem Workshop wollen die TeilnehmerInnen zur Gefangenensammelstelle in Tempelhof gehen. Dort sollen Leute, die am Donnerstag nach Randalen festgenommen wurden, freikommen. Die AktivistInnen ziehen zur U-Bahn. Weit kommen sie nicht. An der Waldemar-, Ecke Adalbertstraße versperren Einsatzwagen der Polizei den Weg. Wegrennen ist angesagt. Nicht alle schaffen es. 21 Leute werden eingekesselt. Einzeln müssen sie sich an die Wand stellen und durchsuchen lassen. Jeder bekommt einen Platzverweis.
Johanna I. aus Kiel faltet den Vordruck auf und zeigt, wo der überall gilt: in Kreuzberg SO 36, am Boxhagener Platz, am Helmholtz- und Humannplatz, in der Schönhauser Allee, am Kollwitzplatz, und - von Hand ergänzt - in der Rigaer Straße und Umgebung. "Ich schlafe da!", empört sich die junge Frau. Aber nicht nur deshalb ist sie wütend. "Total aggressiv" sei die Polizei gewesen, sagt sie. Eine Person, die wegrennen wollte, sei zu Boden gerissen und getreten worden. Und eine Kindergärtnerin mit einer Gruppe Kleinkinder, die durch Zufall in den Kessel geraten war, habe die Polizei erst nach langer Diskussion und Aufnahme ihrer Personalien ziehen lassen.
Plötzlich wird die Einsatzleiterin der Polizei aufgeregt. Soeben kommt ein neuer Funkspruch: Sachbeschädigung in der Dresdener Straße. Unbekannte haben Fensterscheiben eingeworfen. In dem Haus sollen Luxus-Lofts entstehen, heißt es am Abend in einer Erklärung im Internet.
Gegen Viertel nach fünf am Freitagnachmittag trifft es dann die McDonalds-Filiale in der Wrangelstraße. Als die Polizei eintrifft, sind die TäterInnen schon weg. Steine und Flaschen haben sie auf die großen Frontscheiben geworfen, die nun mit spinnennetzartigen Sprüngen überzogen ist. "Anticapitalista" ist quer darüber gesprüht und "Fuck McDonalds".
Der Samstag bleibt zunächst entspannt. Die Platzverweise vom Tag zuvor wurden am frühen Morgen von einem Gericht zurückgenommen. Am Nachmittag finden die "Bike wars" auf dem Mariannenplatz statt. Mit Helmen und Schutzpolstern bewehrte Fahrradfahrer liefern sich eine Schlacht in der "Manege" vor dem Bethanien. Rund 300 Leute sitzen um herum und feuern sie an. "Defend free autonomous spaces" steht auf der Verkleidung eines wuchtigen Dreirades. Eine kleine Gruppe Polizisten löffelt am Rande friedlich ihr Eis. Als später zwei von ihnen das Siegergefährt der ersten Runde beschlagnahmen, ein umgebautes Rad der Bahn, grinsen die Umstehenden nur.
Die entspannte Stimmung ist am späten Abend vorbei (siehe Text oben). Bei Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Besuchern der Köpi werden nach Angaben der Polizei sieben Personen festgenommen. Der Ermittlungssausschuss spricht von zwölf Festnahmen, sieben davon seien bis zum Sonntag morgen wieder freigekommen.JULIANE SCHUMACHER
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