Musik und Ökonomie: Its the music, stupid
Noch immer spielen die Bands bei der Fête de la Musique ohne Gage. Dabei stellt sich die Frage nach dem Verdienst der meisten Musiker mehr denn je. "Willst du geld verdienen, mach keine Band auf", warnen Newcomer.
Der Minibus ist vollgerammelt mit Instrumenten. Dazwischen drängeln sich fünf Freunde, sie essen eimerweise Weingummitiere aus dem Katjes-Werkverkauf und diskutieren über die Songauswahl im Autoradio, was damit endet, dass gar kein Lied läuft. Zwei Wochen lang fahren die Musiker durch Deutschland, Österreich und die Schweiz und stehen fast jeden Abend als Sir Simon auf einer Bühne, um ihre honigsüßen Popsongs zu spielen.
Wie viele MusikerInnen in Berlin vom Durchbruch träumen, kann man nur schätzen: Zu viele basteln nebenberuflich an der Karriere oder organisieren Plattenaufnahmen und Auftritte abseits offizieller Strukturen - das Internet machts möglich. Für alle, die keinen Plattenvertrag abgreifen konnten, sieht es finanziell eher trübe aus: Nach Angaben der Künstlersozialkasse verdient ein Popmusiker durchschnittlich 9.404 Euro im Jahr. Bei den kleinen Veranstaltern sieht es oft nicht besser aus.
Warum sie das alles machen? Aus Liebe zur Musik. Um die geht es erklärtermaßen bei der Fête de la Musique, die in 360 Städten weltweit stattfindet - seit 1995 auch in Berlin. Von
16 bis 22 Uhr wird auf über 60 Open-Air-Bühnen im gesamten Stadtgebiet musiziert. Der Eintritt ist frei, die MusikerInnen verzichten dafür auf Honorar. Von Chormusik bis zu Speedpolka sind sämtliche Stilrichtungen vertreten. Nachts setzt sich die Sause dann drinnen als Fête de la Nuit fort.
Im Mauerpark tritt um 17.50 Uhr Popromantiker Maximilian Hecker auf, gefolgt von den Lokalmatadoren Donots.
Das ganze Programm unter: www.fetedelamusique.de
"Auf Tour zu sein, ist das Beste", findet Simon Frontzek, Sänger und Mastermind der Berliner Band, die vor drei Monaten auf dem Label Strangeways ihr erstes Album "Battle" veröffentlicht hat. "Touren ist", so Frontzek, "klassenfahrtsmäßiger Urlaub mit Freunden." Wäre es Arbeit für ihn, dann hätte er einen katastrophal schlecht bezahlten Job: "Wenn jeder von uns nach vierzehn Tagen und 6.000 Kilometern mit 300 Euro nach Hause geht, dann ist das gut", sagt der 27-Jährige. Und schiebt hinterher: "Willst du Geld verdienen, mach keine Band auf."
Der Musikbeauftragte von Ver.di, Dirk Kuegelgen, kann das nur bestätigen: "Künstlerinnen und Künstler sind die am schlechtesten bezahlten Werktätigen dieses Landes." Er verweist auf die aktuellen Angaben der Künstlersozialkasse, wonach ein Popmusiker durchschnittlich 9.404 Euro brutto verdient - im Jahr. Rockmusiker kommen auf 8.965 Euro. Man kann zwar davon ausgehen, dass Musiker, wie die meisten KSK-Versicherten, ihr Einkommen eher niedrig beziffern. Dennoch lässt sich sagen: Die Kunst ernährt den Künstler nur in den seltensten Fällen. Also muss eine zweite Erwerbsquelle her. Mindestens.
Frontzek arbeitet außer bei Sir Simon noch für eine Musiksoftwarefirma und komponiert Melodien für Werbeclips. Er hat sich gut eingerichtet irgendwo zwischen Selbstausbeutung und Selbstbestimmung und will gar nicht nur von seinen Popsongs leben. Sagt er zumindest. "Das macht dich nur abhängig. Du machst aus ökonomischem Druck viel eher Sachen, die du nicht machen willst. Zum Beispiel auf Festivals spielen, wo sonst nur Schrottbands auftreten", erklärt Frontzek. Musik zu machen ohne Kompromisse, sei ihm wichtiger. Sein Album "Battle" verkauft sich nach Label-Angaben "im dreistelligen Bereich". Das klingt nach wenig, sei aber normal für ein Indiedebüt, hört man von Strangeways.
Mit CD-Verkäufen lässt sich kein Geld mehr machen - weder für Indiebands und ihre Labels, die bereits vor der Krise der Plattenindustrie eher bescheiden verdienten, noch für die großen Plattenfirmen. Der Umsatz Letzterer ist in den vergangenen zehn Jahren um knapp die Hälfte zurückgegangen. Profit wird nun durch Konzerte erwirtschaftet, denn das live Dabeisein lässt sich (noch) nicht downloaden. Das Album funktioniert also zunehmend als Werbung für die Tournee, nicht umgekehrt.
Doch wer am Live-Geschäft verdient, sind eben nicht kleine Bands wie Sir Simon aus Friedrichshain, sondern vornehmlich Künstler, die ohnehin schon als Marke etabliert sind und die Preise für Eintrittskarten nach oben treiben können. Denn Entertainer wie Justin Timberlake und Shakira wissen, dass ihre Shows stets reichlich Publikum ziehen. Und der internationale Unterhaltungskonzern Sony BMG, bei dem die beiden unter Vertrag sind, weiß es auch und drängte 2007 als erster Major ins hierzulande hauptsächlich lokal organisierte Live-Geschäft.
Die Aufwertung der Konzerte wirkt sich auch auf Seiten der Veranstalter aus. "Die Berliner Club- und Veranstalterszene wächst stetig und hat sich zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor der Hauptstadt entwickelt", erzählt Olaf Kretschmar von der Club Comission. Der Verband der Berliner Club-, Party- und Kulturveranstalter untersuchte im Auftrag des Senats die Wirtschaftskraft der Branche. Und so sehr sie auch blüht: "Es kursieren völlig falsche Vorstellungen davon, was man in dem Geschäft verdienen kann", schränkt Kretschmar ein. Er spricht von vier, fünf lokalen Großverdienern, für den Rest sei das Stemmen von Konzerten "kein supertolles Verdienstmodell und bedarf viel persönlichen Enthusiasmus".
An dem mangelt es auch Simon Frontzek nicht, wenn er seine Musikerexistenz begründet: "Ich lebe zwar in einer dunklen, kleinen Erdgeschosshinterhofwohnung, aber immerhin kann ich ruhig schlafen." Was nicht an der Wohnung liege, betont er, sondern daran, dass "ich liebe, was ich mache". Dieses Erklärungsmodell sei schön und gut, ziehe bloß irgendwann nicht mehr, sagt dagegen Maurice Summen. Der 34-Jährige ist Sänger der Berliner Band Die Türen und trägt als Familienvater finanzielle Verantwortung nicht nur für sich selbst. Seine dauerprekäre Lage als Musiker stinkt ihm und seinen vier Bandkollegen so sehr, dass sie darüber ein Album gemacht haben: "Popo" heißt es, kam Anfang des Jahres raus und wurde von den Feuilletons mit symbolischem Kapital überhäuft. Summen singt darauf Dinge wie: "Wenn der Sport der Bruder der Arbeit ist, dann ist die Kunst die Cousine der Arbeitslosigkeit." Zwar hat seine Band mit 3.000 verkauften Alben richtiges Geld eingespielt. "Doch mit dem finanzieren wir auf unserem eigenen Label Staatsakt andere Alben, die schlechter laufen", erklärt Summen. Man sehe zu, bei Abschluss der Jahresbilanz die schwarze Null zu schreiben.
Was als Einnahmequelle für Musiker zunimmt, sind Firmenkooperationen. Bands stellen sich dabei für großzügiges Entgeld in den Dienst eines Unternehmens und helfen, mit ihrem Image alle möglichen Dinge zu vermarkten. Meistens handelt es sich dabei um Klamotten, Schuhe oder eben Alkohol. Im letzteren Fall führt das dann zu Events wie der Jägermeister-Rockliga. Weder Summen noch Frontzek können sich vorstellen, demnächst vor dem Hirschgeweih aufzutreten. "Musik und Partydienstleistung", so Summen, "sind eben nicht dasselbe."
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