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Nach Rückzug der Opposition in SimbabweHilflos in Harare

Trotz des Rückzugs der Opposition von der Stichwahl nimmt die Gewalt zu. Oppositionsführer flüchtet in Hollands Botschaft, Weltsicherheitsrat verurteilt die Gewalt.

Kein Mugabe - aber nun auch kein Tsvangirai mehr. Bild: dpa

Sprachlosigkeit und Verunsicherung - das ist die Reaktion vieler Simbabwer auf die überraschende Ankündigung des Oppositionschefs Morgan Tsvangirai vom Sonntag, doch nicht an der Stichwahl um die Präsidentschaft am kommenden Freitag teilzunehmen. Der Führer der oppositionellen MDC (Bewegung für Demokratischen Wandel) gab zunehmende Gewalt gegen seine Anhänger als Grund für den Rückzug an.

So manche verängstigte Eltern in Harare schickten am Montag ihre Kinder nicht zur Schule, wohl in Vorahnung. Am Mittag überfiel die Polizei die Parteizentrale der MDC, Fluchtpunkt für rund 1.000 drangsalierte Oppositionsanhänger. Die meisten konnten fliehen, aber rund 60 Menschen wurden verhaftet, darunter Frauen und Kinder. "Die Polizei hat jeden verhaftet, der im Gebäude war", berichtet MDC-Sprecher Nelson Chamisa. "Auch schwerverletzte Opfer politischer Gewalt, die nicht weglaufen konnten. Sie wurden in einem Bus weggefahren." Präsidentensprecher George Charamba begründete die Razzia: "Die Polizei war auf der Suche nach Gewalttätern."

Am Nachmittag rettete sich Parteichef Tsvangirai in die niederländische Botschaft, um dort die Nacht zu verbringen. Er sei willkommen, um sich dort in Sicherheit zu bringen, sagte das Außenministerium in den Haag.

Am Montagabend befasste sich der Weltsicherheitsrat in New York mit der Lage. Das Gremium verurteilte in einer Entschließung die Gewaltkampagne der Regierung von Simbabwe gegen die Opposition: Die Übergriffe machten eine freie und faire Stichwahl um das Präsidentenamt unmöglich, heißt es in einer Erklärung, die einstimmig verabschiedet wurde.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon forderte anschließend eine Verschiebung der für Freitag geplanten Stichwahl ums Präsidentenamt. Doch der UN-Botschafter Simbabwes,

Boniface Chidyausiku erklärte, die Wahl werde trotzdem wie geplant abgehalten.

Die USA, Großbritannien, Frankreich und weitere westliche Staaten wollten im Weltsicherheitsrat durchsetzen, dass Tsvangirai bis zu einer ordentlichen Stichwahl als legitimer Präsident des afrikanischen Landes anerkannt wird. Schließlich hatte er in der ersten Wahl ums Präsidentenamt eine relative Mehrheit erzielt. Doch der Vorschlag scheiterte - vor allem am Widerstand von Südafrika und China.

Keine guten Voraussetzungen für die Menschen in Simbabwe. Vor allem Bewohner der Hauptstadt Harare hatten sich eigentlich auf den Wahltag gefreut. "Ich wollte wählen gehen und Mugabe schlagen", erzählt etwa die Verkäuferin Tsitsi Chikonamombe. Aber auf dem Land, wo die Gewalt am größten war, wussten viele, dass sie sowieso keine Chance gegen das Regime des Präsidenten Robert Mugabe mehr hatten.

"Ich respektiere Tsvangirai für seine Entscheidung", sagt ein pensionierter hoher Militär. "Viele Menschen leiden in diesem Land. Wir werden psychisch und physisch brutalisiert. Mugabe hat gesagt, er bleibt im Präsidentenpalast, auch wenn Tsvangirai die Wahl gewinnt. Und der Oppositionsführer konnte keinen freien Wahlkampf führen. Warum sollten wir also zur Wahl gehen?"

Die Stimmung in Simbabwe ist unabhängig vom Wahlstreit auf einem Tiefpunkt. Viele Geschäftsleute hatten auf einen Wandel gehofft. Nun warten sie nur noch auf den Bankrott, angesichts einer Wirtschaft im freien Fall. Kein Mensch nimmt noch irgendwelche Investitionen vor. Tausende von Menschen dürften sich nun den vier Millionen Simbabwern anschließen - knapp ein Drittel der Bevölkerung -, die in den letzten Jahren ausgewandert sind.

"Mugabe will beweisen, dass das Land hinter ihm steht, und mit der Wahl weitermachen, ob mit oder ohne MDC", sagt ein Geschäftsmann. "Also wird auch die Gewalt weitergehen, und so geht es mit der Wirtschaft weiter bergab."

Es herrscht nun ein instabiles Patt zwischen den beiden politischen Lagern des Landes. Die Regierung hat erklärt, sie halte an der Stichwahl fest, egal ob Tsvangirai mitmacht oder nicht. Der Leiter der Wahlkommission, George Chiweshe, sagte gestern vor Wahlbeobachtern in Harare, Gewalt sei kein Grund, die Wahl abzusagen. "Manche Leute finden auch, es habe im Irak freie Wahlen gegeben", erklärte er. "Wir haben keinen Krieg in Simbabwe. Wir werden am Freitag eine glaubwürdige Wahl abhalten."

Oppositionsanhänger warten, welche Optionen zum Regimewechsel die MDC nun vorlegt. MDC-Chef Tsvangirai hat zu Verhandlugen aufgerufen, unter der Bedingung, "dass die Gewalt gegen das Volk gestoppt wird". Seine Partei hofft, dass nun als Erstes die Regionalgemeinschaft des südlichen Afrika SADC (Southern African Development Community) den Wahlprozess in Simbabwe nicht mehr anerkennt.

Ein erstes SADC-Außenministertreffen fand bereits gestern in Angola statt. SADC-Vorsitzender Levy Mwanawasa, Präsident des Nachbarlandes Sambia, erklärte, die Lage in Simbabwe sei "sehr peinlich für uns alle". Er forderte eine Verschiebung der Stichwahl, "um eine Katastrophe abzuwenden". Sogar Angolas Präsident Eduardo Dos Santos, ein Verbündeter Mugabes, hat diesen aufgerufen, Einschüchterung und politische Gewalt einzustellen. Jean Ping, Vorsitzender der Kommission der Afrikanischen Union (AU) sprach von "schwerwiegender Besorgnis" der AU.

Klare Kritik von SADC und AU wäre eine Kehrtwendung gegenüber dem früher respektierten Befreiungshelden Robert Mugabe. "Es ist besonders peinlich, dass die regionalen Aussagen langsam kommen und schwach sind und Mugabe ihnen nicht die geringste Aufmerksamkeit schenkt", sagt Karin Alexander vom "Institut für Demokratie" in Südafrika. MDC-Sprecher Immanuel Hlabangani verweist auf die Richtlinien für demokratische Regierungsführung, die die SADC sich 2004 gab: "Simbabwe ist Teil von SADC. Wir wollen SADC-Friedenstruppen zur Stabilisierung der Lage und Verhandlungen für eine Regierung der nationalen Einheit."

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1 Kommentar

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  • V
    vic

    Potentaten, immer wieder größenwahnsinnige Potentaten. Südafrika, vorrangig Simbabwes Nachbarstaaten haben die Chance, die Katastrophe zügig selbst in den Griff zu bekommen. Dem Volk zuliebe. Es braucht keine Einmischung des Massas aus dem Westen.

    Allerdings darf dem Herrn nicht länger eine internationale Bühne geboten werden. Also Ausschluss von künftigen Konferenzen bis er wieder vernünftig geworden ist. Inzwischen ist das Sache Afrikas.