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Ferienjobs für Berliner Theater"Die Einnahmen sind im Ausland deutlich höher"

In den Theaterferien gehen große Häuser auf Gastspielreisen. Aber nicht nur wegen des Geldes, sagt Tobias Veit von der Schaubühne.

Etwas besseres als die Pleite finden wir überall: Die Berliner Stadtschauspieler zieht es im Sommer in die weite Welt Bild: AP

TOBIAS VEIT, Jahrgang 1969, ist künstlerischer Produktionsleiter der Schaubühne seit 1999.

THEATEREXPORT

Was machen die Theater eigentlich in den Theaterferien? Geld verdienen, über Festivals touren und koproduzieren. Das gilt nicht nur für die Schaubühne, sondern auch für andere große Berliner Häuser. Das Maxim-Gorki Theater, das in der gerade zu Ende gehenden Spielzeit 40 Gastspielvorstellungen gab, zeigte Armin Petras Inszenierung "Zwei arme polnisch sprechende Rumänen" zuerst im Rahmen der Wiener Festwochen, bevor es im September in Berlin Premiere hat.

Die Volksbühne koproduziert mit dem Ringlokschuppen Mülheim an der Ruhr und der Kulturhauptstadt Europas "Ruhr 2010" die Trilogie "Tal der fliegenden Messer" von René Pollesch. Sie brachte zudem bei den Wiener Festwochen die "Die Zofen" in der Regie von Luc Bondy heraus. Beide Stücke haben in Berlin im September Premiere. 26 Mal liefen in der vergangenen Spielzeit Inszenierungen von Christoph Marthaler, Frank Castorf und Pollesch im Ausland.

Das Deutsche Theater zeigt allein zu Beginn der nächsten Spielzeit zwischen August und Oktober elf Vorstellungen in Südamerika und Osteuropa und bereitet eine Inszenierung von Dimiter Gotscheff als Koproduktion mit den Berliner Festspielen vor.

taz: Herr Veit, in Athen hat der Schaubühnen-Regisseur Thomas Ostermeier seine neue "Hamlet"-Inszenierung herausgebracht, die jetzt auf dem Festival in Avignon läuft. Wie kommt es dazu?

Tobias Veit: Yorgos Loukos als neuer Leiter das Hellenic Festival in Athen nahm 2006 Kontakt zu uns auf, lud "Nora" ein, und sein Festival produzierte den "Sommernachtstraum" in der Regie von Thomas Ostermeier und Constanza Macras mit. Loukos hat damals sofort gesagt, dass er diese Arbeitsbeziehung fortsetzen möchte.

In Avignon sind Sasha Waltz und Thomas Ostermeier schon sehr oft gewesen.

Mit dem Festival in Avignon sind wir seit 1999 verbunden. Dass der Leiter Vincent Baudriller sich entschieden hat, den "Hamlet" zu präsentieren, ist Folge dieser langfristigen Beziehung.

Ist "Hamlet" eine Koproduktion mit beiden Festivals?

Ja. Das bedeutet, dass sie zur Finanzierung der Produktion beitragen und man für die Vorstellungen dort auch ein Honorar bekommt. Das entlastet den Produktionsetat der Schaubühne.

Was heißt das in Zahlen?

Es gibt bei Koproduktionen unterschiedliche Modelle. So kann man einerseits die gesamten Herstellungskosten im Verhältnis zu der Anzahl der Vorstellungen, die jeder Partner zeigt, anteilig aufteilen. Bei so einer Vereinbarung wird man auch Regelungen zu Weiterverwertungen treffen wie Gastspiele und Fernsehaufzeichnungen, deren Einnahmen dann ebenso aufgeteilt werden. Es gibt aber auch Vereinbarungen, wo ein einmaliger, dementsprechend geringerer Koproduktionsbeitrag geleistet wird und der Koproduktionspartner nicht an der Weiterverwertung beteiligt wird. Das ist bei "Hamlet" in Athen und Avignon der Fall.

Auch "Der Stein" von Marius von Mayenburg kommt auf einem Festival heraus und hat im Herbst Premiere in Berlin.

"Der Stein" wird jetzt gerade geprobt mit dem Regisseur Ingo Berk. Dieses Stück kommt bei den Salzburger Festspielen im Rahmen des young directors project heraus.

Wie viele Gastspiele gab es in der letzten Spielzeit?

Wir haben 83 Gastspielvorstellungen in 28 Städten und 15 Ländern gehabt - und ungefähr 60.000 Zuschauer damit erreicht, außerhalb Berlins. In der nächsten Spielzeit sieht es sicher ähnlich aus, weil wir einige Gastspielverpflichtungen und Kooperationsvereinbarungen in größerem Maß eingegangen sind. Allein in Paris, in zwei Theaterhäusern, werden wir fast vier Wochen spielen, zwei Wochen "Hamlet", zwei Wochen "John Gabriel Borkmann", das Thomas Ostermeier im Winter inszenieren wird.

Laufen die Stücke dort mit französischen Übertiteln?

Ja, wir können das nicht wie die Holländer und Belgier, die ihre Stücke noch mal auf Deutsch, Französisch oder Englisch einstudieren. Allerdings verwenden wir große Energie auf eine sehr genaue Übertitelung. Das hat einen großen Einfluss darauf, wie das Stück ankommt. Die Titel müssen auch gut platziert sein, nah am Geschehen, möglichst ins Bühnenbild integriert, damit man Bild und Text gleichzeitig sehen und lesen kann. Wichtig ist zudem der Rhythmus, in dem die Texte gefahren werden, da haben wir zwei Übertitler für Englisch und Französisch. Mit denen arbeiten wir auch hier in Berlin zusammen für das hiesige englisch- und französischsprachige Publikum.

Als 2004/2005 die Subventionen gesenkt wurden, war die Sorge groß am Haus, zu wenig Geld für Produktionen zu haben. Machen Sie darum die vielen Auswärtsspiele?

Nein, aber die Schwierigkeiten, die durch die Absenkung der Zuwendungen damals aufgetreten sind, haben sicher dazu geführt, dass unsere Koproduktion- und Gastspielverabredungen für uns existenziell wurden. Man muss jedoch auch sehen, dass wir seit 1999, als ich mit Ostermeier von der Baracke des Deutschen Theaters an die Schaubühne kam, kontinuierlich zwischen 60 und 100 Vorstellungen außerhalb Berlins gespielt haben.

Nicht schlecht.

Aber das Problem ist: Gastspieleinladungen sind nicht planbar. Denn der Grund, warum man plötzlich nicht mehr eingeladen wird, kann schlicht darin liegen, dass ein Festival von Abwechslung lebt und irgendwann eine Übersättigung erreicht ist, die nichts mit Qualität zu tun hat. Insofern ist es riskant, wenn die politische Seite fordert, die oftmals hohen Einnahmen aus Gastspielen und Koproduktionen als integraler Bestandteil unseres Wirtschaftsplans zu verankern.

Wie hoch ist denn der Anteil der Einnahmen am Etat?

Das Budget beträgt grob 15,7 Millionen Euro, wir bekommen seit diesem Jahr insgesamt 12,188 Millionen an Zuwendungen, die Lücke muss durch Einnahmen geschlossen werden. Das sind 20 Prozent, die man einspielen muss, durch Kartenverkauf hier in Berlin natürlich und eben durch Gastspiele. Die Einnahmen pro Vorstellung sind dabei im Ausland deutlich höher.

Auch das Deutsche Theater, die Schaubühne, das Maxim Gorki, die Volksbühne machen Gastspiele. Warum ist Theater aus Berlin so gefragt?

Ein Grund für das große Interesse am deutschsprachigen Theater im internationalen Kontext liegt in der großen Unterschiedlichkeit und den ausgeprägten Ausformulierungen der Theaterästhetik. Das finden viele Festivalleiter spannend. Das ist natürlich dem Theatersystem hier geschuldet und dem im internationalen Vergleich hohen Anteil an Subventionen, die dieses System letztendlich ermöglichen. Aber auch die Festivals selbst haben sich verändert, wie sie herumreisen und einkaufen.

Inwiefern?

Das Avignon-Festival hatte auch schon früher deutschsprachige Produktionen, aber nicht so viele wie in den letzten zehn Jahren. In dem Zusammenhang ist interessant, dass 2004, als Thomas Ostermeier dort artiste associé war, seine Inszenierung des "Woyzeck" dort in dem Cour dhonneur, dem wichtigsten Spielort, gezeigt wurde. Das war die erste fremdsprachige Produktion an diesem Ort überhaupt, noch dazu eine deutschsprachige - ein Politikum, denn das Festival, das 1947 gegründet wurde, war eine Reaktion auf den Krieg gewesen. Es gibt die Geschichte, dass die erste Bühne im Cour dhonneur aus den Eisenbahnbohlen gebaut wurde von der Strecke, die nach Auschwitz führte. Folgerichtig hat die jüdische Gemeinde damals das Gespräch mit Ostermeier gesucht, was zu einem sehr interessanten Dialog führte.

Verändern Gastspiele die Art, wie man Theater macht?

Das ist ein wichtiges Motiv. Seit den Anfängen unserer Theaterarbeit an der Baracke haben Ostermeier und der Dramaturg Jens Hillje sich immer als Theatermacher im internationalen Kontext verstanden. Was an der Baracke gespielt wurde, nahm ja viele Einflüsse aus England, Amerika, Russland auf. Insofern war internationale Vernetzung ein großes Anliegen. Sehr früh wurde, was in Berlin entstanden ist, auch wieder nach außen getragen. Die Erfahrungen, die man dabei macht, sind so was von reichhaltig. Ein Beispiel: Wir spielen "Hedda Gabler" in New York, und es wird als schwarze Komödie gelesen, weil der Sinn der Amerikaner groß dafür ist, über subtile Gemeinheiten zwischen den Figuren zu lachen. Einen Monat später zeigen wir die Vorstellung in Paris, und dort reagiert das Publikum mit großer Betroffenheit.

Gehen Sie mit einen Katalog Ihrer Stücke bei Festivaldirektoren akquirieren?

Ja, durchaus, das habe ich im bescheidenen Rahmen vor einem Jahr eingeführt. Als Informationsmaterial, auch um Leute mit Stücken und Regisseuren bekannt zu machen, die sie nicht kennen. So kam es, dass "Unter Eis" von Falk Richter, das hier 2004 rauskam, 2006/07 erste Gastspiele hatte und jetzt plötzlich nur noch unterwegs ist.

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