piwik no script img

Drei Varianten für Hypo Real EstateHoffen auf den Staat

Banken, Regierung und Aktionäre tagen, um den Immobilienfinanzierer HRE zu retten. Drei Varianten bieten sich zur Krisenbewältigung an. Alle werden im Staatshaushalt Spuren hinterlassen.

Der Konkurs der HRE könnte auch andere Banken in die Pleite treiben. Bild: dpa

BERLIN taz "Wir haben alle in einen Abgrund geblickt", sagte Bundesfinanzminister Peer Steinbrück. Sein Sprecher Torsten Albig ergänzte: "Ja, wir sind in einer Krise." Diese Sätze, vor ein paar Tagen gesprochen, haben am Wochenende eine neue, dramatische Aktualität erhalten.

Am Samstagabend gab die Münchner Bank Hypo Real Estate (HRE) bekannt: Das 35 Milliarden Euro teure Rettungspaket von Privatbanken und Bund stehe nicht mehr bereit. Damit war das durch die internationale Finanzkrise strauchelnde Institut zum zweiten Mal akut von Zahlungsunfähigkeit bedroht. Für den Fall, dass diese eintrete, hatte Steinbrück eine "Erschütterungsdynamik" ungeahnten Ausmaßes vorausgesagt. Der Konkurs des Instituts könnte weitere deutsche Banken in die Pleite treiben.

Seit Sonntagvormittag berieten die Experten des Bundesfinanzministeriums deshalb über die neuerliche Krise. Am Nachmittag kamen die Vertreter der privaten Banken dazu. "Wir müssen sehen, wie wir die Scherben, die die uns vor die Tür gekippt haben, wieder zusammenkehren", sagte Steinbrücks Sprecher Albig.

Bereits am Samstagnachmittag war zum Bundesfinanzministerium durchgedrungen, dass die im Bundesverband Deutscher Banken zusammengeschlossenen Privatinstitute nicht mehr zu ihrer Zusage aus der vergangenen Woche standen. Als Grund wurde genannt: Die Experten der Deutschen Bank haben bei Durchsicht der Bücher entdeckt, dass die zugesagten Rettungskredite - 15 Milliarden der Privatbanken, 20 Milliarden der Bundesbank - nicht ausreichen könnten. Die HRE und ihre in Dublin ansässige Tochter Depfa brauchten mehr Geld, bis zu 50 Milliarden Euro in diesem Jahr und möglicherweise weitere 50 Milliarden 2009. Der Grund: Die Depfa hat Kredite mit langer Laufzeit ausgegeben und zur eigenen Finanzierung kurzfristige Kredite aufgenommen. Wegen des Vertrauensverlustes unter den Banken im Zuge der Finanzkrise sind diese kurzfristigen Kredite nun viel teurer geworden, oder die Depfa bekommt gar keine mehr. Nun gibt es drei Varianten für die Zukunft der HRE und den Fortgang der Finanzkrise in Deutschland:

Variante 1: Mehr Geld

Die privaten Bank verpflichten sich, mehr Geld in die Rettung der HRE zu investieren. Nicht nur ihre direkte Finanzspritze müsste steigen, sondern auch ihre Bürgschaft für den Fall, dass der spätere Verkauf der sanierten HRE nicht ausreicht, um die Rettungskredite zu tilgen. Aber auch der Bund müsste seine Bürgschaft erhöhen. Bis jetzt sichert Steinbrück maximal 26,5 Milliarden Euro ab. Eigentlich will er nicht mehr zusagen. "Es ist schon schwer verkraftbar, dass die deutschen Steuerzahler nun für Kapriolen von Banken in Dublin Docks einstehen sollen, die sich dort vor der deutschen Steuer gedrückt haben", sagte der Finanzminister mit Blick auf die Dubliner Depfa.

Andererseits weiß Steinbrück: Wenn die HRE zusammenbricht, gerät damit eines der letzten einigermaßen sicheren Finanzierungsinstrumente, mit dem sich Banken gegenseitig Geld leihen, in Verruf - der Pfandbrief. Pfandbriefe sind Anleihen, mit denen Banken Kredite von anderen Instituten oder auch Privatanlegern aufnehmen und diese mit besonderen Sicherheiten wie Grundstücken unterlegen.

Variante 2: Die Verstaatlichung

Fritz Kuhn, Fraktionschef der Grünen, hat am Sonntag gefordert, die HRE auf "intelligente Weise zu verstaatlichen". Ebendas hat Steinbrück bisher abgelehnt. Die Privatbanken hätten ihn dazu drängen wollen, sagte der Finanzminister. Sein Argument: Übernähme der Bund die HRE, stünde die öffentliche Hand für das komplette Risiko ein. Aus einer Bürgschaft könnte dann schnell eine reale Zahlung dieses Betrags aus dem Bundeshaushalt werden.

Variante 3: Die Pleite

Wie ein Bankrott in der gegenwärtigen Krise letztlich wirkt, weiß niemand. Klar aber ist: Der Exitus der Bank Lehman Brothers in New York, den die US-Regierung hat geschehen lassen, brachte die Abwärtsspirale zusätzlich in Schwung. Sollten durch die Zahlungsunfähigkeit der HRE mehrere deutsche Banken in den Abgrund gerissen werden, könnten die Schäden schnell schwer handhabbare Summen erreichen. Denn irgendwann greift eine Finanzkrise auf die reale Wirtschaft über: Wenn Unternehmen keine Kredite mehr erhalten, streichen sie Arbeitsplätze und zahlen weniger Steuern.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • PW
    Peter Weigelt

    Sehr geehrte Redaktion,

     

    gibt es eine Übereinkunft, dass ausser dem ZDF niemand über die 100 Milliarden spricht bzw. schreibt, die die Deutsche Bank bis 2009 als Unterdeckung bei der HRE festgestellt hat?

     

    Mit diesen 50 Milliarden schafft man doch lediglich die Basis dafür, im nächsten Schritt weitere 50 Milliarden in den Markt zu pumpen. Woher eigentlich?

     

    Wieso stellt niemand die Frage, warum die Bundesregierung nicht reagierte, als sie vom Präsident der amerikanische Notenbank Ende 2007 darüber informiert wurde, dass ca. 3 Billionen schlechte Risisken auf dem Markt seien.

     

    Wieso berichtet niemand darüber, dass es hauptsächlich die Deutsche Bank war, die bis in die letzten Tage der IKB diese Risiken in den deutschen Markt einbrachte?

  • JG
    Jürgen Gojny

    Für das Monopoly der Laienspielschar heißt es Game over. Im Grunde genommen gehören alle Teilnehmer am Finanzbetrug, von Banker und Minister bis hinunter zum kleinen Anlegerbefehlsempfänger hinter Gittern mit der Option der Sicherheitsverwahrung.