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Finanzkrise erfasst deutsche KommunenKämmerer haben Millionen verzockt

700 Städte und Gemeinden sollen große Summen im Kasinokapitalismus aufs Spiel gesetzt haben. Das ist jetzt vernichtet. Eine "neue Krise der Kommunen" bahnt sich an.

Remscheid sind 13 Millionen Euro verloren gegangen. Hoffentlich überlegt sich keiner der verantwortlichen Amtsträger, aus Verzweiflung den Weg zur berühmten Eisenbahnbrücke zu nehmen. Bild: dpa

BERLIN taz Wetten mit der Bank, spekulieren mit Derivaten - auch die Gemeinden haben fleißig auf den Finanzmärkten mitgespielt. Die Chance, das eigene bisschen Geld im Kasinokapitalismus zu vermehren, schien so manchem Kämmerer gerade der finanzschwächeren Kommunen verlockend. Jetzt haben die meisten von ihnen ein noch viel größeres Problem: Viel von dem Geld ist futsch, und zusätzlich dürfte der bereits begonnene Wirtschaftsabschwung dafür sorgen, dass die Steuereinnahmen sinken.

Der Präsident des Deutschen Städtetages, Münchens Oberbürgermeister Christian Ude (SPD), befürchtet denn auch schon "die nächste Krise der Kommunen". Lübecks Bürgermeister Bernd Saxe warnte, dass die Gemeinden ihre Angebote demnächst reduzieren, Einrichtungen schließen und Leute entlassen müssten.

Konkret sollen rund 700 Kommunen teilweise erhebliche Beträge mit sogenannten Spread Ladder Swaps verzockt haben. Dabei wettet man gegen die Bank auf bestimmte Entwicklungen - beispielsweise auf die Entwicklung von Zinsen. So hatten etliche Städte ihre langfristigen Kredite mit hohen Zinssätzen gegen kurzfristige Kredite mit niedrigeren Sätzen getauscht und zusätzlich darauf gewettet, dass die Differenz zwischen den Zinssätzen wächst. Sie schrumpfte. Die Bank gewann.

Am schlimmsten traf es die Stadt Hagen, die bei solchen Geschäften 50 Millionen Euro verlor, in Remscheid waren es 13 Millionen, in Neuss 10 Millionen, in Mülheim 6 Millionen. Allerdings soll es auch Gemeinden gegeben haben, die mit Swap Deals Gewinne machten. Im niederrheinischen Hückelhoven will man von 2004 bis 2006 immerhin 250.000 Euro Spekulationsgewinne gemacht haben.

Andere Gemeinden haben einfach Pech - und ihr Geld solide, aber bei der falschen Bank angelegt. So sind bis zu 50 Kommunen und Gemeinden allein in Baden Württemberg von der Pleite der US-Bank Lehman Brothers mitbetroffen. Freiburg beispielsweise hat rund 47 Millionen Euro auf Festgeldkonten der deutschen Lehman-Tochter angelegt, Karlsruhe 10 Millionen. Dieses Geld ist zwar nicht weg, sondern wird vermutlich durch den Einlagensicherungsfonds der deutschen Banken abgesichert. Aber es wurde Mitte September für zunächst sechs Wochen eingefroren, vermutlich wird das Moratorium noch verlängert. Die Millionen sind also derzeit nicht verfügbar.

Auch wer gerade ein Darlehen braucht, ist angeschmiert. Und das sind nicht wenige: Mit rund 800 Millionen Euro an Krediten stehen die Kommunen derzeit bei den Finanzinstituten in der Kreide. Seit die Banken sich wegen der Krise gegenseitig nicht mehr trauen, fallen manche Kreditgeber ganz aus, andere verlangen höhere Zinsen. So müssen für Kurzfristkredite statt zuletzt 4,4 Prozent Jahreszins derzeit 5,23 Prozent gezahlt werden. Hinzu kommen bei manchen Banken sogenannte Liquiditätsrisikozuschläge, die bis zu einem oder zwei Prozentpunkte betragen können. Das Problem mit den Krediten sorgt für einen Dominoeffekt. Denn es wird nicht nur für die Kommunen teurer, an Geld zu kommen, sondern auch für Investoren. Etliche Interessenten für kommunale Grundstücke oder Immobilien haben sich in den letzten Wochen zurückgezogen. So fehlen den Gemeindekassen längst eingeplante Verkaufserlöse.

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