Sportakrobatik: Puff Daddy in der Bezirkssporthalle
Hier schaut sich das Zirkusgewerbe seine Tricks ab: Ein Besuch bei den Deutschen Mannschaftsmeisterschaften der Sportakrobaten. Zu überraschender Musik kämpfen die zumeist sehr jungen Teilnehmerinnen um Stoffteddybären.
Es ist eine Mischung aus Bodenturnen und Tanzen: So in etwa könnte man einem Laien die Sportakrobatik erklären. Dieser Vergleich scheint tatsächlich gar nicht so abwegig: Der Verband der Sportakrobaten rühmt sich damit, dass sich "der größte Teil der (Zirkus-)Akrobaten seine Grundlagen in der Sportakrobatik" hole. Von Zirkus ist am Samstagnachmittag allerdings rein gar nichts zu sehen. Der Deutsche Sportakrobatikbund hält seine Mannschaftsmeisterschaft in der Bezirkssporthalle zu Neukölln ab. Teams aus den einzelnen Landesverbänden treffen sich in der Oderstraße, um ihre besten in verschiedenen Zusammensetzungen (unter anderem Mixed Paar, Männerpaar, Damenpaar) zu küren.
Richtige Stimmung kommt dabei nicht auf - im Gegenteil. Es fängt schon damit an, dass sich das Ganze in einer ziemlich ungastlichen Gegend unweit des ehemaligen Flughafens Tempelhof abspielt. Hinzu kommt, dass die Bezirkssporthalle kein Flair hat. Und dann haben sich zu dieser Deutschen Meisterschaft gerade mal geschätzte 100 Seelen eingefunden. Die allerdings beklatschen die im Laufe des späten Nachmittags dargebotenen Leistungen mit sympathischer Verve. Das alles untermalt von der jeweils ausgesuchten Musik, zu der man Salti, Flickflacks und alle weiteren erdenklichen halsbrecherischen Übungen vollführt.
Wer nun bei Sportakrobatik an feinfühlige Geister denkt, die zu den Werken des unvermeidlichen Peter Tschaikowsky durch die Halle hüpfen, wird von einer Adaption von Puff Daddys Jimmy-Page-unterstütztem "Godzilla"-Soundtrack "Come with Me" überrascht, zu der die ersten Akrobaten ihre Kür darbieten. Weiterem eher Schwermetalligem folgt auch dann nichts Klassisches, sondern eher Technotracks, die man auch auf der Kirmes nebenan vermuten könnte. In den Pausen darf dann Gloria Estefan die Lauscher des Publikums aus den Boxen beschallen. Währenddessen bedankt sich der Sprecher für die Anwesenheit der Zuschauer, in der Hoffnung, der eine oder andere möge die Sportakrobatik "ins Herz schließen". Dass die Sportakrobatik laut Eigenwerbung "in Zirkus- und Varietékreisen hoch geachtet" ist, merkt man bei jeder Bewegung der Teilnehmer.
Auch wenn nicht immer alles so ganz klappt wie eigentlich geplant. Und wenn man doch mal einen von den kleinen, für den Laien kaum sichtbaren Fehlern, Stolperern oder Balanceschwierigkeiten bei der einen oder anderen Aktion mitbekommt und fremdschämend in sich zusammensinken möchte, wird man schnell wieder vom Blick für die Wirklichkeit eingeholt: Der Normalsterbliche möchte erst mal so turnen können, wie hier gestolpert wird.
Der Jugendwahn indes wird doch ein kleines bisschen übertrieben: Auch wenn die Teilnehmerinnen mitunter noch sehr jung sind, so wirken die auf dem Siegerpodest platzierten Massen von Stofftieren des professionellen Anlasses eher irgendwie unwürdig.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um Termin für Bundestagswahl
Vor März wird das nichts
Bewertung aus dem Bundesinnenministerium
Auch Hamas-Dreiecke nun verboten
SPD nach Ampel-Aus
It’s soziale Sicherheit, stupid
Energiepläne der Union
Der die Windräder abbauen will
Wirbel um Berichterstattung in Amsterdam
Medien zeigen falsches Hetz-Video
Einigung zwischen Union und SPD
Vorgezogene Neuwahlen am 23. Februar