Truppenabzug 2011: Iraks Kabinett für Pakt mit USA
Die Regierungen in Washington und Bagdad regeln die Stationierung der US-Soldaten und deren Abzug. Nun muss das Parlament zustimmen. Schiitenführer al-Sadr droht mit Anschlägen.
In dem monatelanges Tauziehen zwischen Washington und Bagdad über den weiteren Status der US-Truppen Irak sind beide Seiten einen entscheidenden Schritt weitergekommen. Das irakische Kabinett stimmte am Sonntag einem Sicherheitspakt zu, der den Verbleib der US-Truppen bis zu dem dort festgelegten Abzugsdatum Ende 2011 regelt. Der Pakt wurde von 28 irakischen Ministern abgesegnet, nur einer stimmte dagegen. Allerdings waren neun Kabinettsmitglieder der Abstimmung ferngeblieben. Nun muss das Parlament über das Regelwerk abstimmen.
Ein ursprünglicher Entwurf, der seit Monaten kursierte, war zuvor von beiden Seiten nachgebessert worden. Die Regierung in Bagdad hatte zu starke Eingriffe in die Souveränität des Landes geltend gemacht. Nachgegeben hat Washington bei der zuvor vagen Auslegung des Endes des Abzugs der gegenwärtig 150.000 im Land stationierten US-Soldaten in drei Jahren. Das Datum 31. Dezember 2001 ist jetzt festgeschrieben, kann aber von jeder irakischen Regierung zu einem späteren Zeitpunkt nachverhandelt werden. Unklar ist, ob in dem bisher nicht öffentlichen Dokument von Kampftruppen oder von allen US-Soldaten die Rede ist.
Auch dem irakischen Wunsch nach einer Klausel, die den US-Truppen verbietet, von irakischem Territorium militärisch gegen die Nachbarländer Iran und Syrien vorzugehen, wurde stattgegeben. Abgeschmettert hatte Washington dagegen die irakische Forderung, dass US-Soldaten für Verbrechen außerhalb ihrer Dienstzeit vor irakischen Gerichten belangt werden können. Im jetzigen Abkommen darf das nur bei schwerwiegenden Verbrechen außerhalb des Dienstes und außerhalb des Stützpunkts geschehen. Rechtlich gesehen braucht das Abkommen nun eine einfache Mehrheit im Parlament. Der irakische Premier Nuri al-Maliki hatte allerdings zuvor öffentlich erklärt, dass er aus politischen Gründen auf eine Zweidrittelmehrheit abziele. Offen ist, wie die parlamentarischen Mehrheiten für den Pakt ausfallen. Im Januar sollen Provinzwahlen stattfinden, und viele Parteien zögern, dem Abkommen offen zuzustimmen aus Angst, vor der Wählerschaft als zu US-freundlich zu erscheinen. Auch die Nachbarländer Iran und Syrien haben sich gegen den Pakt ausgesprochen.
Der radikale Schiitenführer Muktada al-Sadr hatte gedroht, seine Anhänger würden wieder Angriffe auf die US-Truppen durchführen, wenn der Pakt Wirklichkeit wird. "Ich wiederhole meine Forderung, dass die Besatzer unser Land verlassen müssen, ohne ihre Stützpunkte zu behalten und irgendwelche Abkommen zu unterzeichnen", hatte Sadr beim letzten Freitagsgebet erklärt.
Die Ausrufung eines Waffenstillstands durch Sadr hatte in den vergangenen Monaten entscheidend zur verbesserten Sicherheitslage beigetragen.
Ausschlaggebend für die Zustimmung des Kabinetts zu dem Abkommen war aber nicht zuletzt das gewichtige Wort des obersten schiitischen Geistlichen, Großajatollah al-Sistani, der den Pakt als gegenwärtig "bestmögliche Option" bezeichnet hatte. Damit gab er vielen zögerlichen schiitischen Parteien in der Regierung seine politische Rückendeckung.
Die noch amtierende US-Regierung unter George W. Bush sieht das Abkommen als eine Angelegenheit der Exekutive an und legt es nicht dem Kongress zur Abstimmung vor. Bush hat wiederholt betont, dass der Pakt nicht die Hände seines Nachfolgers Barack Obama binden werde. Allerdings betonen Experten, dass das Abkommen nach internationalem Recht auch für die nächste US-Regierung verpflichtend ist. Der jetzige Pakt muss aus US-Sicht vor der Amtsübergabe unter Dach und Fach sein, da Ende des Jahres das Mandat des UN-Sicherheitsrats über die Stationierung der US-Truppen im Irak ausläuft.
Theoretisch kann Obama aber an dem von ihm im Wahlkampf in Aussicht gestellten Abzug innerhalb von 16 Monaten festhalten. Im Pakt ist offenbar vom Abzug bis "spätestens" Ende 2011 die Rede. Allerdings hatte Obama immer wieder erklärt, dass eine kleine Truppe dauerhaft im Irak stationiert bleiben solle, um US-Diplomaten zu schützen und auch weiterhin al-Qaida zu bekämpfen. Zahlen nannte der nächste Mann im Weißen Haus allerdings nicht.
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