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Vergangenheit von Sachsens MinisterpräsidentBlockflöte Tillich wird still

Zuerst hat Sachsens Ministerpräsident Tillich versucht, offensiv mit Berichten über seine Vergangenheit in der DDR-CDU umzugehen. Doch zu neuen Fragen schweigt er.

Tillich soll pikante Details seiner Ost-Vergangenheit verschwiegen haben. Bild: ap

"Der leidet wie ein Hund", hieß es schon vor dem Wochenende aus Regierungskreisen der CDU in Dresden über Stanislaw Tillich. Nun dürfte der sächsische Ministerpräsident noch ein wenig mehr leiden, denn zu seiner Vergangenheit als Funktionär der DDR-CDU gibt es weitere Fragen. Der Spiegel berichtet in seiner aktuellen Ausgabe, Tillich habe 1999 vor Antritt seines ersten Ministeramtes in Sachsen nicht vollständig geantwortet, als er einen Fragebogen zu seiner Vergangenheit auszufüllen hatte.

In dem Fragebogen soll er zumindest den Besuch der "Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft" 1989 in Potsdam verschwiegen haben, den er mittlerweile selbst bestätigt. Bei falschen oder unvollständigen Angaben drohte damals die fristlose Entlassung. Die Schulung in Potsdam diente der Vorbereitung auf sein Amt als stellvertretender Vorsitzender des Rates des Kreises Kamenz, zuständig für Handel und Versorgung.

Erst mit einem am Dienstag auf dem Stuttgarter CDU-Parteitag zur Debatte stehenden Ost-Antrag, in den ein Bekenntnis zur Mitverantwortung der Block-CDU im DDR-System erst nachträglich eingearbeitet wurde, war die Öffentlichkeit auf die Vergangenheit mehrerer CDU-Politiker aufmerksam geworden.

In einem in Vorbereitung befindlichen Buch erinnert der SPD-Landtagsabgeordnete Karl Nolle daran, dass drei Viertel der CDU-Fraktion im ersten Sächsischen Landtag 1990 zuvor jener Blockpartei angehörten. Heute sind es vier von zehn Kabinettsmitgliedern. Der gegenwärtige Landespolizeipräsident Bernd Merbitz (CDU) war SED-Mitglied und Major der Volkspolizei.

Tillich selbst hatte als Reaktion auf die Vorwürfe vergangene Woche ein sechsseitiges Bekenntnis zu seiner Vergangenheit veröffentlicht. "Ich […] habe immer offen gesagt, wann ich was in meiner beruflichen Laufbahn getan habe", heißt es darin. Nach Unterlagen, die Regierungssprecher Peter Zimmermann und CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer veröffentlichten, hat Tillich 1988 aber noch an einer weiteren Schulung an der CDU-Kaderschmiede im thüringischen Burgscheidungen teilgenommen. Dazu und zur Fragebogenfrage war am Montag in der Staatskanzlei keine klare Auskunft zu bekommen.

Der SPD-Abgeordnete Nolle warf Tillich "arglistige Täuschung" vor. Es gehe ihm nicht um eine Demontage von DDR-Biografien, sagte er der taz. "Aber es geht mir um Klarheit und Wahrheit und Transparenz." Am Wochenende hatte der frühere Landesinnenminister Heinz Eggert (CDU) für eine weitere Verschärfung des Streits gesorgt. Er unterstellte auch Nolle einen "geschönten Lebenslauf" und forderte ihn auf, seinerseits Details seines SPD-Ausschlusses 1986 bekannt zu geben. Der Druckereiunternehmer war 1990 aus Niedersachsen nach Dresden gekommen. In Niedersachsen war gegen Nolle ein Parteiordnungsverfahren eingeleitet worden, da er - so stellt er es selbst dar - einen hohen SPD-Funktionär als Nazi-Autor enttarnt hatte.

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) verlangte inzwischen eine "faire Beurteilung" ostdeutscher Biografien. Auch wenn es für Stolz keinen Anlass gebe, habe doch niemand Grund, "sich lebenslänglich Asche aufs Haupt zu streuen". Kanzlerin Angela Merkel warnte vor einer Schwarz-Weiß-Darstellung der DDR-Lebensläufe. Der letzte DDR-Ministerpräsident Lothar de Maizière sprach von einer "schäbigen Kampagne". Es sei unangemessen, damalige Karrieren danach zu beurteilen, ob jemand im Rat des Kreises "nicht vorhandene Bananen verteilen durfte".

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12 Kommentare

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  • A
    Axel

    Jetzt, wo die CDU an ihren eigenen Roten-Socken-Kampagnen gemessen wird, und Biografien ihrer ehemaligen "Blockflöten"parteimitglieder kritisch und interessiert hinterfragt werden, wird auf einmal von führenden CDUlern "faire Beurteilung" verlangt, von einer "schäbigen Kampagne" gesprochen.

    Rainer Eppelmann, CDU und "Leiter der Stiftung Aufarbeitung der SED-Diktatur" befindet, die CDU

    sei die einzige Partei, "die sich mit den dazugekommenen und den unterschiedlichen Biografien auseinandergesetzt hat". "Weiterer Diskussionsbedarf: keiner." Siehe FR vom 02.12.08

    Gleiche Maßstäbe für alle heißt für die CDU vor allem: Die (Ost-)CDU war nie Teil der DDR, war nie als Karriereleiter genutzt worden, oder noch verfälschender: Die Ost-CDU war Teil des Widerstandes gegen die SED.

    Das ist Doppelmoral in Reinkultur und zeigt, es geht der CDU nur um Verankerung des politischen Kampfbegriffs "Antikommunismus" in Modifizierung gegen alles "Linke" in den Medien, im Alltagsbewußtsein, und Tabuisierung jeglicher Zusammenarbeit von SPD, Grüne und Linke (Ausnahmen der Zusammenarbeit zwischen CDU und Linke im Osten stehen natürlich außerhalb dieser Bewertungen, sind üblich, nicht erwähnenswert und nicht tabuisiert).

    Von großem Interesse wäre auch genauere Kenntnis, wieviel Geld die CDU von der SED bekommen und wieviel davon letztendlich bei der CDU (der BRD) gelandet sind. Bodo Ramelow spricht in einem Interview in der FR vom 02.12.08 von 11,2 Millionen Euro. Vielleicht ist das der taz ja mal einen Bericht und Recherche wert?

  • R
    Ralf

    Ich habe mich schon des öfteren gefragt, warum ehemalige DDR Funktionäre ihre neue politische Heimat bei den Linken suchen sollten.

    Für mich wäre es logisch, wenn sich ehemalige Stasimitarbeiter und SEDler in der CDU oder NPD wohl fühlen.

    Es wäre schön, wenn hierzu einmal ein paar Zahlen vorgelegt werden.

  • B
    birdboy

    Die Partei steckt jetzt in einer prekären Lage - jetzt, da sie es doch fast geschafft hat, die im Bundestag vertretenen Parteien auf ihren sog. "anti-totalitären" Kurs zu bringen, der ja nichts anderes als eine Gleichsetzung von DDR-Unrecht und Nazi-Verbrechen bedeutet.

  • F
    Faust

    Tillich, Biedenkopf, Milbradt, Wagner, Roßberg, merkt man nicht endlich mal, was hier los ist! Die Sächsische Cdu ist eine straff geführte Kaderpartei, deren Selbstverständnis darin besteht, macht- und medienpolitsche Schlüsselpositionen im Freistaat zu besetzen. Unter diesem Schutzschirm von parteipolitisch agierender Strafjustiz und einem Gefälligkeitsjournalismus, wie sie ihn in keiner freien Gesellschaft mehr anzutreffen ist, laufen die vielfältigen sächsischen Skandale ab. Schauen Sie sich doch bitte mal an, wo das relevante Personal (Innen- und Justziministerium, Polizei, MdL, Landräte) seine biographischen Wurzeln hat.

    Welterbe, WOBA-Verkauf mit strengem Geruch nach politischer Korruption und die bezahlte Koalition der offenen Hände, das sind Sternstunden der Machtverkommenheit christdemokratischer Heuchler in Stadt und Land. Wenn wir heute Politikverdrossenheit zu Recht beklagen, dann ist es dieser schwarze Filz von Machtbesessenheit und politischer Korruption, der viele Wähler abstößt und ihnen 18 Jahre nach der Wende zunehmend die Sinnlosigkeit demokratischer Teilnahme vor Augen führt.

    Jeder kann sehen, was hinter der angeblich bürgerlichen Fassade dieser Pharisäher stattfindet, der Weg von der Gemeinnützigkeit zum gemeinen Eigennutz ...

  • A
    Axel

    Jetzt, wo die CDU an ihren eigenen Roten-Socken-Kampagnen gemessen wird, und Biografien ihrer ehemaligen "Blockflöten"parteimitglieder kritisch und interessiert hinterfragt werden, wird auf einmal von führenden CDUlern "faire Beurteilung" verlangt, von einer "schäbigen Kampagne" gesprochen.

    Rainer Eppelmann, CDU und "Leiter der Stiftung Aufarbeitung der SED-Diktatur" befindet, die CDU

    sei die einzige Partei, "die sich mit den dazugekommenen und den unterschiedlichen Biografien auseinandergesetzt hat". "Weiterer Diskussionsbedarf: keiner." Siehe FR vom 02.12.08

    Gleiche Maßstäbe für alle heißt für die CDU vor allem: Die (Ost-)CDU war nie Teil der DDR, war nie als Karriereleiter genutzt worden, oder noch verfälschender: Die Ost-CDU war Teil des Widerstandes gegen die SED.

    Das ist Doppelmoral in Reinkultur und zeigt, es geht der CDU nur um Verankerung des politischen Kampfbegriffs "Antikommunismus" in Modifizierung gegen alles "Linke" in den Medien, im Alltagsbewußtsein, und Tabuisierung jeglicher Zusammenarbeit von SPD, Grüne und Linke (Ausnahmen der Zusammenarbeit zwischen CDU und Linke im Osten stehen natürlich außerhalb dieser Bewertungen, sind üblich, nicht erwähnenswert und nicht tabuisiert).

    Von großem Interesse wäre auch genauere Kenntnis, wieviel Geld die CDU von der SED bekommen und wieviel davon letztendlich bei der CDU (der BRD) gelandet sind. Bodo Ramelow spricht in einem Interview in der FR vom 02.12.08 von 11,2 Millionen Euro. Vielleicht ist das der taz ja mal einen Bericht und Recherche wert?

  • R
    Ralf

    Ich habe mich schon des öfteren gefragt, warum ehemalige DDR Funktionäre ihre neue politische Heimat bei den Linken suchen sollten.

    Für mich wäre es logisch, wenn sich ehemalige Stasimitarbeiter und SEDler in der CDU oder NPD wohl fühlen.

    Es wäre schön, wenn hierzu einmal ein paar Zahlen vorgelegt werden.

  • B
    birdboy

    Die Partei steckt jetzt in einer prekären Lage - jetzt, da sie es doch fast geschafft hat, die im Bundestag vertretenen Parteien auf ihren sog. "anti-totalitären" Kurs zu bringen, der ja nichts anderes als eine Gleichsetzung von DDR-Unrecht und Nazi-Verbrechen bedeutet.

  • F
    Faust

    Tillich, Biedenkopf, Milbradt, Wagner, Roßberg, merkt man nicht endlich mal, was hier los ist! Die Sächsische Cdu ist eine straff geführte Kaderpartei, deren Selbstverständnis darin besteht, macht- und medienpolitsche Schlüsselpositionen im Freistaat zu besetzen. Unter diesem Schutzschirm von parteipolitisch agierender Strafjustiz und einem Gefälligkeitsjournalismus, wie sie ihn in keiner freien Gesellschaft mehr anzutreffen ist, laufen die vielfältigen sächsischen Skandale ab. Schauen Sie sich doch bitte mal an, wo das relevante Personal (Innen- und Justziministerium, Polizei, MdL, Landräte) seine biographischen Wurzeln hat.

    Welterbe, WOBA-Verkauf mit strengem Geruch nach politischer Korruption und die bezahlte Koalition der offenen Hände, das sind Sternstunden der Machtverkommenheit christdemokratischer Heuchler in Stadt und Land. Wenn wir heute Politikverdrossenheit zu Recht beklagen, dann ist es dieser schwarze Filz von Machtbesessenheit und politischer Korruption, der viele Wähler abstößt und ihnen 18 Jahre nach der Wende zunehmend die Sinnlosigkeit demokratischer Teilnahme vor Augen führt.

    Jeder kann sehen, was hinter der angeblich bürgerlichen Fassade dieser Pharisäher stattfindet, der Weg von der Gemeinnützigkeit zum gemeinen Eigennutz ...

  • A
    Axel

    Jetzt, wo die CDU an ihren eigenen Roten-Socken-Kampagnen gemessen wird, und Biografien ihrer ehemaligen "Blockflöten"parteimitglieder kritisch und interessiert hinterfragt werden, wird auf einmal von führenden CDUlern "faire Beurteilung" verlangt, von einer "schäbigen Kampagne" gesprochen.

    Rainer Eppelmann, CDU und "Leiter der Stiftung Aufarbeitung der SED-Diktatur" befindet, die CDU

    sei die einzige Partei, "die sich mit den dazugekommenen und den unterschiedlichen Biografien auseinandergesetzt hat". "Weiterer Diskussionsbedarf: keiner." Siehe FR vom 02.12.08

    Gleiche Maßstäbe für alle heißt für die CDU vor allem: Die (Ost-)CDU war nie Teil der DDR, war nie als Karriereleiter genutzt worden, oder noch verfälschender: Die Ost-CDU war Teil des Widerstandes gegen die SED.

    Das ist Doppelmoral in Reinkultur und zeigt, es geht der CDU nur um Verankerung des politischen Kampfbegriffs "Antikommunismus" in Modifizierung gegen alles "Linke" in den Medien, im Alltagsbewußtsein, und Tabuisierung jeglicher Zusammenarbeit von SPD, Grüne und Linke (Ausnahmen der Zusammenarbeit zwischen CDU und Linke im Osten stehen natürlich außerhalb dieser Bewertungen, sind üblich, nicht erwähnenswert und nicht tabuisiert).

    Von großem Interesse wäre auch genauere Kenntnis, wieviel Geld die CDU von der SED bekommen und wieviel davon letztendlich bei der CDU (der BRD) gelandet sind. Bodo Ramelow spricht in einem Interview in der FR vom 02.12.08 von 11,2 Millionen Euro. Vielleicht ist das der taz ja mal einen Bericht und Recherche wert?

  • R
    Ralf

    Ich habe mich schon des öfteren gefragt, warum ehemalige DDR Funktionäre ihre neue politische Heimat bei den Linken suchen sollten.

    Für mich wäre es logisch, wenn sich ehemalige Stasimitarbeiter und SEDler in der CDU oder NPD wohl fühlen.

    Es wäre schön, wenn hierzu einmal ein paar Zahlen vorgelegt werden.

  • B
    birdboy

    Die Partei steckt jetzt in einer prekären Lage - jetzt, da sie es doch fast geschafft hat, die im Bundestag vertretenen Parteien auf ihren sog. "anti-totalitären" Kurs zu bringen, der ja nichts anderes als eine Gleichsetzung von DDR-Unrecht und Nazi-Verbrechen bedeutet.

  • F
    Faust

    Tillich, Biedenkopf, Milbradt, Wagner, Roßberg, merkt man nicht endlich mal, was hier los ist! Die Sächsische Cdu ist eine straff geführte Kaderpartei, deren Selbstverständnis darin besteht, macht- und medienpolitsche Schlüsselpositionen im Freistaat zu besetzen. Unter diesem Schutzschirm von parteipolitisch agierender Strafjustiz und einem Gefälligkeitsjournalismus, wie sie ihn in keiner freien Gesellschaft mehr anzutreffen ist, laufen die vielfältigen sächsischen Skandale ab. Schauen Sie sich doch bitte mal an, wo das relevante Personal (Innen- und Justziministerium, Polizei, MdL, Landräte) seine biographischen Wurzeln hat.

    Welterbe, WOBA-Verkauf mit strengem Geruch nach politischer Korruption und die bezahlte Koalition der offenen Hände, das sind Sternstunden der Machtverkommenheit christdemokratischer Heuchler in Stadt und Land. Wenn wir heute Politikverdrossenheit zu Recht beklagen, dann ist es dieser schwarze Filz von Machtbesessenheit und politischer Korruption, der viele Wähler abstößt und ihnen 18 Jahre nach der Wende zunehmend die Sinnlosigkeit demokratischer Teilnahme vor Augen führt.

    Jeder kann sehen, was hinter der angeblich bürgerlichen Fassade dieser Pharisäher stattfindet, der Weg von der Gemeinnützigkeit zum gemeinen Eigennutz ...