piwik no script img

Filmkritik "So finster die Nacht"Fröstelnde Pubertät

Oskar lernt das Erwachsenwerden von einem Vampir: "So finster die Nacht" ist ein Coming-of-Age-Film, in dem die Untoten mehr übers Überleben wissen als die Lebenden.

Erwachsenwerden: keine einfache Sache, auch für Vampirmädchen. Bild: mfa

Oskar ist gerade in einer schwierigen Phase. Leichenblass ist er. Und schüchtern, geradezu verstockt. Sein schlaksiger Körper baumelt an ihm wie ein zu langer Schal. Mit seiner unvorteilhaften Frisur und den untertassengroßen Augenringen taugt er nicht gerade zum Sportass oder zum Mädchenschwarm.

Oskars Eltern haben sich getrennt, er lebt bei seiner deprimierten Mutter in einem trostlosen Vorort von Stockholm und wird von seinen Mitschülern regelmäßig gequält. Oskar befindet sich in einem Lebensabschnitt, in dem er eigentlich das Dasein seiner Erzeuger als unlebendig und fremdgesteuert empfinden müsste. In dem ihn die erste Liebe und die richtige Musik in die lustvollen Entrückungen der Jugend katapultieren sollte. Und in dem Erwachsene sich wie tumbe Zombies im egozentrischen Kosmos der Heranwachsenden ausnehmen. Wie wandelnde untote Irrtümer, die ein stumpfer Mechanismus zur Arbeit und ins Bett gehen lässt, während der Pubertierende in seinem virtuosen Weltschmerz allein die Lügen seiner Umgebung durchschaut.

Schließlich ist Oskar in der Pubertät, mitten in dieser widersprüchlichen Hölle aus Ohnmacht und narzisstischer Überhöhung. Doch statt die Totenstarre im Leben der Erwachsenen zu bemängeln, leidet er bereits selbst an ihr. Und statt zu rebellieren, rammt er lieber Messer in Baumstämme. Und das mit angsteinflößender, prophetischer Kraft.

Es ist also eine hübsche Idee, Oskar (Kåre Hedebrant) genau in diesem Moment seines Knabenlebens im lichtlosen schwedischen Winter auf Eli (Lina Leandersson), ein toughes Vampirmädchen, treffen zu lassen. Sie zeigt ihm, wie man sich nachhaltig gegen den Sadismus der Mitschüler zur Wehr setzt.

Und die zarte Liebesgeschichte, die sich zwischen dem kalkweißen Mädchen mit dem blutverschmierten Mund und dem käsigen Schlaks anbahnt, ist von einer so morbiden und anrührenden Melancholie, auf die sich sonst vielleicht nur noch Tim Burton in den scherenschnitthaften Momenten seiner Puppenfilme versteht. "So finster die Nacht" nach dem Roman "Let the right one in" von John Ajvide Linqvist, der auch das Drehbuch geschrieben hat, ist ein kluger, überraschender und kompromissloser Coming-of-Age-Film geworden.

Frost und Lichtmangel haben den kristallinen Bildern von Tomas Alfredson alle Farben und Spuren menschlichen Lebens ausgetrieben. Wenn hier etwas warm dampfend ins Bild tropft, ist es das Blut, das Hakan, Elis väterlicher Freund, für das Mädchen sammelt. Und wenn er seine Kanister genau unter die zum Ausbluten aufgehängten Leichen im Wald aufstellt, erinnert dies an die Techniken von Kautschuksammlern oder frühen Jägern. In dieser kaltherzigen Welt muss schließlich jeder irgendwie zurechtkommen. Und Vampire wie Eli gehören zu den Glücklichen, die in dieser feindlichen Soziosphäre noch Freunde und Versorger finden.

Werden in Horrorfilmen mit Untoten Charakterstärke und Mannwerdung gewöhnlich an die Fähigkeiten gekoppelt, die Tötungshemmung zu überwinden und Zombies oder Vampire, als allegorische Stellvertreter für unangenehme Bevölkerungsteile (Junkies, Obdachlose, Konsumidioten) in großen Mengen und mit wachsender Brutalität zu metzeln, verkehrt dieser Film dieses Prinzip liebevoll in sein Gegenteil. Eli, die nicht sterben kann, lehrt Oskar, der nichts vom Leben versteht, wie man in der Erwachsenwelt und der Logik des Sozialdarwinismus zurechtkommt.

Die Pubertät ist der Ausnahmezustand, der das Pärchen eint. Der Film bleibt dabei ganz auf ihrer Seite. Er erstarrt angesichts der Hackordnungen, die die beiden umgeben. Und wenn sie sich unter eine Decke kuscheln und aus dem Frösteln dennoch nicht herauskommen, sind die vergletscherten Gefühle der Erwachsenen daran mindestens so schuld wie die Grausamkeiten des eigenen Überlebens.

"So finster die Nacht". Regie: Thomas Alfredson. Mit Kare Hedebrant, Lina Leandersson u. a. Schweden 2008,114 Min.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

3 Kommentare

 / 
  • D
    Duden

    Die Kritik ist Inhaltslos. Vollkommen. taz Gelaber wie so oft, viel drum rum aber nie auf den Punkt.

     

    Und falls sich jemand über "Tipper" wundert, ganz klare Sache:

    Ich schrube, du schrubst, er/sie/es schrubt, wir schruben, ihr schrubt, sie schruben.

  • T
    Tipper

    Ich schrub einem Freund:

    "... den hab ich mir nur wegen der taz angeschaut, weil die so eine wohlwollende Rezension geschrieben hat."

    Und hey: danke!

    Und hey, Ölpferd? Die Mama ist ja wohl sowas von deprimiert. Zumindest ist entspannt und konfliktoffen was anderes.

  • L
    Ölpferd

    Hier hat die Autorin aber sehr viel Zeugs reininterpretiert. Seit wann ist Oskars Mutter deprimiert?