piwik no script img

Die Umzugsgerüchte halten anDas Stadtschloss für Suhrkamp

Egal aus welchem Kalkül Suhrkamp mit der Hauptstadt liebäugelt: Berlin will das Frankfurter Verlagshaus und bietet tolle Standorte von Luxus bis Platte. Einige Vorschläge

Regenbogenfarben: Die edition suhrkamp - hier noch in Frankfurt - passt gut nach Berlin. Bild: dpa

Diese Zeitung wird in Berlin produziert. Solche Standortinformationen sind derzeit nicht uninteressant, wenn es um die Berichterstattung über Suhrkamp geht. Die Gerüchte, dass der Verlag in die Hauptstadt ziehen könnte, verstummen nicht. Das Haus selbst prüft und prüft und dementiert keineswegs. Frankfurter Zeitungen mag da die Sorge um ihren bereits von der Finanzkrise gebeutelten Erscheinungsort umtreiben. Hamburger und Münchner Publikationen können sich unparteiisch gerieren und das Für und Wider beider Städte abwägen. Als Berliner Zeitung aber darf, kann, ja muss man parteiisch sein. Suhrkamp soll in die Hauptstadt kommen!

Einen Tipp nur. Falls mit dem Umzug ein Imagewechsel weg von alter Bundesrepublik, hin zu neuer Gegenwartsorientierung angestrebt werden sollte, wäre ein Hinzug in den alten Berliner Westen nicht unbedingt zielführend. Die Berliner Suhrkamp-Repräsentanz liegt derzeit in Charlottenburg. Solide, gewiss. Aber mal ehrlich, vom Hippnessfaktor her könnte man, statt da ganz hinzuziehen, auch gleich in Frankfurt bleiben. Mehr kulturelles Aufbruchskapital ließe sich dagegen in Berlin-Mitte oder neuerdings wieder in Kreuzberg erzielen. Das würde zudem den Bruch mit der offenbar zunehmend als Belastung erfahrenen Verlagsvergangenheit, dem Mythos der Suhrkamp-Kultur, erst richtig deutlich markieren.

Die interessanteste Option aber: Wenn schon Mitte, dann richtig Mitte! Da wird doch bald das Stadtschloss wiederaufgebaut. Was da reinkommen soll, ist weniger klar, als man denkt. Geplant ist zwar das Humboldtforum, aber da lässt sich bestimmt noch mal drüber reden. Wowereit will den Umzug ja ganz doll, und Berlin scheint ihn auch ziemlich nötig zu haben. Eine ideale Verhandlungsposition. Liebe Suhrkamps, den Verlagssitz da, wo einst der deutsche Kaiser saß - das wäre doch was! Und die Suhrkamp-Villa in der Frankfurter Klettenbergstraße ließe sich abreißen und in einem der Schlosshöfe rekonstruieren. Platz genug wäre ja. Und dem Unseld-Erbe wäre Genüge getan. Rekonstruktion findet man in Berlin derzeit sowieso ganz toll.

Wie man hört, gehört zum Umzugskalkül aber auch, Mitarbeiter zu verlieren. Manche der 150 Angestellten wollen sicher in Frankfurt bleiben, deren Stelle brauchte man einfach nicht neu zu besetzen und könnte schlanker in die Zukunft schauen. Wenn das tatsächlich ein Kernziel des Vorhabens sein sollte, würde das die Vorgaben entscheidend verändern. Die besten Effekte in diese Richtung ließen sich sicherlich bei einem Umzug in eine alte Plattenbausiedlung wie Marzahn erzielen. Da will bestimmt kaum ein Suhrkamp-Mitarbeiter hin. Und womöglich ließen sich noch Sozialfördermittel abgreifen.

Aber uns Berlinern soll ja alles recht sein. Die Hauptstadt wartet gespannt. DIRK KNIPPHALS

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • MF
    Marco, Frankfurt

    Als Frankfurter kann ich nur sagen, schämt Euch. Das Firmen ihre Standorte wechseln und Städte untereinander konkurrieren, ist ja schön und gut. Aber dass Frankfurt über den Länderfinanzausgleich Milliarden zum Aufbau Berlins beisteuert, das sich wiederum freudig aus dem Topf bedient, und dann auch noch diese Gelder verwendet, hier Firmen abzuwerben, und schlussendlich damit - so ist zu vermuten - den Abbau von Arbeitsplätzen subventioniert, ist einfach nur abartig und gesamt-gesellschaftlich gesehen widersinnig, ja eigentlich nur noch destruktiv. Das dürft Ihr auch in Berlin, aller verständlichen Heimatverbundenheit zum Trotz, durchaus mal einsehen. Schliesslich schadet Ihr Euch langfristig selbst. Denn die Stimmen hier werden lauter, gegen das Subventionschaos vorzugehen. Wen wunderts, wenn man am das eigene Geld gegen einen verwendet wird? MfG aus Frankfurt.