Kommentar Fiskalpolitik in der Krise: Warten auf Konjunkturpaket III
Es ist richtig, viel Geld in konjunkturpolitische Impulse zu pumpen. Kleinmut wird sich bald bitter rächen. Doch das nun verabschiedete Konjunkturpaket wird nicht ausreichen.
W enn am nächsten Freitag das zweite Konjunkturpaket im Bundesrat die letzte Hürde nimmt, wird sich die Bundesregierung zufrieden auf die Schulter klopfen: Mit 50 Milliarden Euro hat sie den größten konjunkturpolitischen Impuls in der Geschichte des Landes auf den Weg gebracht. Ein Grund zur Freude? Oder nur Pfeifen im Walde?
Tarik Ahmia wurde 1966 in Algier geboren und ist Redakteur im Ressort Wirtschaft und Umwelt der taz. Als Volkswirt hat er seit je einen kritischen Blick auf Wirtschaftsforscher, die sich im Besitz einer objektiven Lehre glauben.
Die Jahrhundertkrise hat mittlerweile einen ökonomischen Abgrund aufgerissen. Niemand kann sagen, wie lange der freie Fall der Weltwirtschaft noch anhält. Konjunkturpakete sind der letzte Rettungsring, um dem globalen Einbruch der Nachfrage überhaupt noch etwas entgegenzusetzen, nachdem Zinssenkungen wirkungslos verpufft sind. Allen Schuldenapokalyptikern zum Trotz ist die aktive Fiskalpolitik das Instrument der Stunde, um das Geld der Steuerzahler zu schonen. Länder, die jetzt nicht entschlossen handeln, werden ihren Kleinmut später bitter bezahlen müssen.
Aber die Bundesregierung unterschätzt noch immer den Ernst der Lage: Um 29,3 Prozent sind im Dezember die Aufträge der Investitionsgüterhersteller eingebrochen - des Herzens der deutschen Industrie. Zwischen November 2008 und März 2009 wird der Welthandel um 20 Prozent sinken, sagen Prognosen voraus. Vergleichbares gab es nur während der Großen Depression. Dagegen mobilisieren Merkel & Co. bislang gerade mal 2,4 Prozent der deutschen Wirtschaftskraft. Zum Vergleich: Die USA bieten mit ihren jüngsten Maßnahmen etwa 15 Prozent des US-Bruttoinlandsprodukts auf, China und Russland jeweils mehr als 18 Prozent. Für die konjunkturell wirksamsten Maßnahmen, nämlich Investitionen in die öffentliche Infrastruktur, bleiben im Konjunkturpaket jährlich gerade einmal 0,4 Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung übrig - Peanuts. Der Rest wird mit Steuersenkungen verpulvert, von denen vor allem Reiche profitieren. Dafür bleibt die dringend notwendige Stärkung der Kaufkraft kleiner und mittlerer Einkommen auf der Strecke.
Schon heute lässt sich deshalb voraussagen, dass die Bundesregierung wird nachlegen müssen - spätestens dann, wenn trotz subventionierter Kurzarbeit die ersten Massenentlassungen anstehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grundsatzpapier des Finanzministers
Lindner setzt die Säge an die Ampel und an die Klimapolitik
US-Präsidentschaftswahl
50 Gründe, die USA zu lieben
Kritik an Antisemitismus-Resolution
So kann man Antisemitismus nicht bekämpfen
Höfliche Anrede
Siez mich nicht so an
Bundestag reagiert spät auf Hamas-Terror
Durchbruch bei Verhandlungen zu Antisemitismusresolution
Tierkostüme als Gefahr aus dem Westen
Wenn Kinderspiele zum Politikum werden