Handball-Schiedsrichter: Der Willkürsport
Die Idee, Schiedsrichter zu bestechen, ist naheliegend, will man im Handball Erfolg erzwingen. Denn der Einfluss, den ihre Entscheidungen auf das Ergebnis haben, ist groß.
Wer im Handball Großes erreichen will, braucht eine gute Mannschaft - geschickte Ballverteiler, massige Athleten, schnelle Flügelflitzer und einen Magier im Tor. Das alles hatte der THW Kiel, Deutschlands Dauermeister über Jahre. Im Kampf um den Titel in der Champions League scheiterte das Team, das Deutschlands großer Handball-Zampano, Kiels Manager Uwe Schwenker, teuer zusammengestellt hat, jedoch regelmäßig. Das änderte sich 2007. An einem alkoholgeschwängerten Abend im Sommer danach auf einer mallorkinischen Finca, so gibt das Nachrichtenmagazin Der Spiegel die Darstellung eines Augenzeugen wieder, haben sich etliche Mächtige des deutschen Handballs versammelt. Schwenker soll gesagt haben, dass er lange gebraucht habe, um zu begreifen, dass es für den ganz großen Coup einen Deal mit den Schiedsrichtern braucht. Ob er wirklich derartige Deals, es geht um zehn Spiele, eingefädelt hat, das will nun die Staatsanwaltschaft Kiel ermitteln, die bereits eine Vielzahl von Akten aus der Geschäftsstelle des THW abtransportiert hat.
Schwenkers Idee ist naheliegend. In keiner anderen Ballsportart haben Schiedsrichterentscheidungen einen derart großen Einfluss auf das Ergebnis wie im Handball. Unvergessen sind die Bilder von Bundestrainer Heiner Brand, der während des WM-Spiels der Deutschen im Januar gegen Norwegen (24:25) mit geballter Faust auf einen Schiedsrichter losstürmt. Die mediale Öffentlichkeit in Deutschland war sich einig: Der Titelverteidiger wurde bei der WM verpfiffen. Tenor: Die bessere Mannschaft verliert, wenn die Schiedsrichter es nur wollen. Heiner Brand witterte die große Verschwörung gegen Deutschland und wollte eine Tendenz erkannt haben, nach der seit dem Titelgewinn 2007 regelmäßig gegen sein Nationalteam gepfiffen wurde.
2007 galten die Franzosen, die Spanier und die Slowenen hierzulande als schlechte Verlierer, weil ihre Trainer nach WM-Niederlagen gegen Deutschland die Schiedsrichterleistungen kritisiert hatten. In der Tat brachte eine merkwürdige Entscheidung der schwedischen Schiedsrichter Patrick Hakansson und Maths Nilsson die Gastgeber des Turniers ins Finale. Frankreichs Trainer Claude Onesta sah eine "Handball-Mafia" am Werk, die den Auftrag habe, Deutschland zum Titelgewinn zu schummeln. Die internationalen Handball-Verbände reagierten auf ihre Weise. Die schwedischen Referees durften weder bei den folgenden Europameisterschaften noch bei der WM im Januar auf die Platte. Onestas Vorwürfe entkräftet das vorübergehende Entsorgen der Schiedsrichter nicht gerade.
Auch jetzt, in der Kieler Affäre, in der es handfeste Zeugenaussagen gibt, in der von Belegen die Rede ist, von der Mittäterschaft des Kieler Erfolgstrainers Noka Serdarusic, von einer Bestechungssumme von beinahe 100.000 Euro allein für das Finale, tun sich die Verbände schwer. Der Bundesliga-Verband HBL spielt den Ball weiter. Geschäftsführer Frank Bohmann sagt: "Das liegt nicht in unserer Hand. Das liegt mehr in den Händen der Staatsanwaltschaft." Auch der europäischen Verband EHF wartet erst mal. Die Angst geht um. Bohmann: "Das ist ja über uns hereingebrochen wie ein großes Unwetter."
Schon jetzt, lange vor dem Ende der Ermittlungen, ist das Image des Handballsports mehr als nur angekratzt. Da hilft auch die Aufforderung der EHF nichts, dass sich die Gastgeberklubs bei Europapokalspielen nicht mehr um Unterbringung und Wohl der Schiedsrichter kümmern. In anderen Ballsportarten ist das längst eine Selbstverständlichkeit.
Es müsste darum gehen, die Zahl der Bauchentscheidungen, zu der ein Schiedsrichter im Handball regelrecht gezwungen wird, zu minimieren. Zeitspiel? Darüber entscheidet ja keine Uhr wie im Basketball, sondern das Gefühl der Schiris. Das Gezerre und Geziehe am Kreis - wann ist es zu viel? Da entscheidet jeder Schiedsrichter anders. Viele Pfiffe scheinen willkürlich. Manipulationen ist Tür und Tor geöffnet. Schiedsrichter können mit einem Spiel beinahe machen, was sie wollen. Da muss schon besonders plump manipuliert werden, damit ein Spiel annuliert wird, so wie es der Internationale Sportgerichtshof beim Olympiaqualifikationsspiel zwischen Kuwait und Südkorea (28:20) getan hat. Da pfiffen die Schiedsrichter 38 Mal - 38 Mal für Kuwait.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!