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Kommentar Williamson-AffäreDer erstaunliche Brief des Joseph R.

Kommentar von Philipp Gessler

Der Papst schreibt einen ambivalenten Brief an seine Bischöfe - offensichtlich kann er mit Kritik nicht umgehen.

E s gibt solche Typen: Erst, wenn man ihre Frechheiten satthat und zurückblafft, werden sie freundlich. Joseph Ratzinger, Papst der katholischen Weltkirche, scheint Züge eines solchen Menschen zu haben. Das jedenfalls legt der nun offiziell veröffentlichte Brief von Benedikt XVI. an seine Bischöfe nahe. Es ist ein erstaunliches, sehr persönliches und ziemlich ambivalentes Dokument.

Erstaunlich ist das Schreiben, da es relativ schonungslos die "Pannen" innerhalb der Kurie benennt, die zur Teilrehabilitation auch eines Holocaust-Leugners führten. Dass der Papst so klar diese Fehler zugibt und bedauert, ist schon ein neuer, ein notwendiger Ton, um aus der Kirchenkrise herauszukommen. Dass der Papst zugleich verspricht, dem ach so neuen Medium Internet in Folge der Williamson-Affäre nun mehr Aufmerksamkeit zu widmen, ist tragisch-komisch.

Sehr persönlich ist der Brief, weil ihn eine ordentliche Spur Selbstmitleid, Dünnhäutigkeit und Naivität durchzieht, etwa wenn der Papst beklagt, dass auch Katholiken "mit sprungbereiter Feindseligkeit auf mich einschlagen zu müssen glaubten". Der deutsche Professor auf dem Stuhl Petri hat offensichtlich immer noch nicht verstanden, dass die Weltkirche mit ihrer einer Milliarde Menschen kein Kuschelverein ist, in der Kritik aneinander immer samtweich sein muss. Und er will anscheinend nicht kapieren, dass alle seine Aktionen auch eine politische Dimension haben - und seien es so scheinbar interne Dinge wie die Teilrehabilitation von Ultratraditionalisten oder die Wiedereinführung einer Karfreitagsfürbitte zur Bekehrung der Juden.

Ambivalent ist das Schreiben schließlich, weil der Papst darin unvermittelt in einen Gegenangriff übergeht und die Kritiker seines Vorgehens des Hasses und der Intoleranz zeiht. Dass die Kritik am Papst gerade von Seiten mancher deutscher Bischöfe und durch die Kirchenvolksbewegung allein in Sorge um die Kirche geschah, scheint bei ihm nicht wirklich angekommen zu sein.

Die Kirchenkrise schwelt also weiter: Damit sich das ändert, müssen die Pius-Brüder das Konzil voll anerkennen - und Richard Williamson muss seine Holocaust-Leugnung widerrufen.

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4 Kommentare

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  • JB
    Jan Brenken

    Selbst für eine linke Tageszeitung ist Herrn Gesslers "Kommentar" nun wirklich mehr als peinlich. Der Papst hat sich also "Frechheiten" zu Schulden kommen lassen? Und "will nicht kapieren", dass die Weltsicht des Artikelautors die einzige Wahre ist? Wenn letzter sich auch nur ein klein wenig kundig gemacht hätte, hätte er festgestellt, dass Papst Benedikt XVI. Herrn Williamson nicht (teil-)"rehabilitiert" hat, sondern lediglich dessen - seinerzeit aus ganz anderen Gründen erfolgte - Exkommunikation aufgehoben hatte. Holocaustleugnung stellt dagegen keinen selbständigen Exkommunikationsgrund dar, vgl. Art. 1367ff. Codex Iuric Canonici.

  • LR
    liberuts religiosus

    Komm Heiliger Geist und erfülle die Herzen auch der Ungläubigen mit Deinem Geist! So mag man angesichts dieses ärmlichen, kleinkarierten und beckmesserischen Kommentars der TAZ beten wollen, die gemeinsam mit der FAZ, mir nichts, dir nichts, so TAZFAT, den Brief des Papstes abbügelt.

    Was hat Benedikt getan? Er hat Pannen zugegeben (einmalig in der Kirche!), er hat sich entschuldigt (bricht hier eine neue Zeit an?), er hat sich erklärt mit seinem Bestreben nach Ausgleich und Barmherzigkeit (hat nicht eben dieses Jesus von - uns allen - unmittelbar gefordert?), er hat scharf und deutlich kritisiert, wie man ihn angefallen hat (hat Jesus die Heuchler, Pharisäer, die Schriftgelehrten, so sie ihm mit ihren fallenstellenden Gesprächsangeboten kamen, nicht in schärfster Weise zurecht gewiesen; ist also innerkirchliche Kritik nur erlaubt, wenn Küng den Papst madig macht oder darf man einem eitlen, gekränkten, selbstverliebten und maßlos sich überschätzenden Theologen auch einmal sagen, dass er jede Gelegenheit nutzt, um von sich und gegen Ratzinger Rede zu machen?), er hat den ziemlich verquasten Konflikt zwischen Holocaust-Leugnung des einen und der Pius-Gemeinde auf der anderen Seite auseinander gehalten (was alle anderen zumeist unterlassen haben - macht ihn das zum Opfer einer naiven und dümmlichen Art, die Beschaffenheit der Welt und der Kirche nicht zu kennen, nicht zur Kenntnis zu nehmen?).

     

    Liebe TAZ-Redaktion. Wetzt nicht die Messer, bevor ihr nicht verstanden habt, um was es hier überhaupt geht:

     

    Nicht die Bürokratie der Kirche spricht, sondern der Papst persönlich nimmt Schuld und Fehler auf sich;

    nicht "die Kirche" macht Fehler, sondern Benedikt steht ganz klar und mit Demut zu seiner Fehlentscheidung, zumindest zu einer fehlerhaft empfundenen und damit eben auch ärgerlichen und der Kirche Schaden zufügenden Entscheidungsfolge;

    nicht die jüdische Gemeinde trägt weiter nach, dass es diese Fehler gab, sondern die kirchenfernen Kritikaster, selbstgerechten Richter und hochnäsigen Journalisten treten nach.

     

    Welch eine "verkehrte" Welt.

    Ja, so hat es Benedikt angedeutet - Jesus hat es gesagt, Paulus und andere haben darunter gelitten, als sie Christi Botschaft verkündeten: sie werden euch meinetwegen verleumden und verfolgen.

     

    Benedikt ist weit davon entfernt, ein "Verfolgter" zu sein. Umso wichtiger ist, dass er, wie einer mit gesundem Menschenverstand, "Halt, so nicht!" ruft, ehe er - von denselben Kritikern - bei weiterer Schmutzbewerfung auch noch als Schlappschwanz und Weichei dargestellt würde.

     

    Wenns am Papst und Kirche was auszusetzen gibt, nix wie drauf!

     

    Herr, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!

  • K
    KirchenkriseD

    Die angebliche Kirchenkrise gibt es nur in Deutschland, dem Ursprungsland der Protestation,

    und villeicht in einigen Teilen Westeuropas.

    Sie wird so lange weiter schwelen, bis die Kirche in Deutschland wieder anfängt, das Vatikanum II nicht als Neuerfindung der Kirche zu verstehen, sondern im Lichte Ihrer 2000jährigen Tradition zu ineterpretieren.

    Da haben die deutschen Bischöfe noch viel zu tun, sind sie doch mehrheitlich in der Endsechziger- und den 70er-Jahre-Theologie stehengeblieben.

  • K
    Kirchenkrise

    Philipp Gessler beginnt den letzten Absatz

    seines Kommentars mit dem Satz:

    "Die Kirchenkrise schwelt weiter."

    Sie wird so lange weiter schwelen, so lange

    man die Frage stellen kann: Wozu brauchen

    wir eigentlich einen Papst?