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Attac-AktionAnsturm auf die falsche "Zeit"

Attacs Falschausgabe der "Zeit" erregt deutschlandweit große Aufmerksamkeit. Heute liegt sie der Montagsausgabe der tageszeitung bei.

Orginal und Fälschung - Zeit-Chefredakteur di Lorenzo nahm's relativ gelassen. Bild: dpa

Ein Großteil der Passanten blickte zunächst irritiert auf die falsche Zeit: "Ich vermute eine Werbeaktion", sagt Martin, 46. Und auch Andrea, 35, weiß nicht wirklich, was sie mit der Zeitung anfangen soll. Nach der Lektüre wird Martin und Andrea jedoch klar, dass das nicht die echte Zeit ist. Ein Problem damit haben sie beide nicht. "Wenn es einem guten Zweck dient, ist das okay für mich", sagt Martin.

Mehrere 100 Attac-Mitglieder hatten die Zeitung am Samstag in insgesamt 90 Städten deutschen Städten verteilt. Auch eine Onlineausgabe im Zeit-Gewand hat Attac auf die Beine gestellt. Dadurch sorgten Sie bundesweit für großes Medienecho.

Neben diversen Onlinemagazinen hatte auch das ZDF über die Aktion berichtet. "Mit so einer großen und schnellen Resonanz haben wir nicht gerechnet", sagt Fabian Scheidler von Attac. "Das hat uns sehr gefreut." Der Ansturm auf die kopierte Zeit-Website war ebenfalls enorm. Die Webmaster von Attac registrierten bis zu 2.000 Klicks pro Minute, die Seite war zeitweilig nicht erreichbar.

Die Redaktion der echten Zeit erfuhr erst in der Nacht von Freitag auf Samstag von dem Plagiat. "Fälschungen können wir natürlich nicht gutheißen, vor allem nicht in dieser Qualität," sagte Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo daraufhin am Samstag. Eine Klage schloss der Verlag jedoch aus.

Er staune über den Aufwand, dass ginge richtig ins Geld, sagte Di Lorenzo. Darüber habe man bei Attac geschmunzelt, sagt Scheidler. "Der Großteil der Arbeit sei ehrenamtlich geleistet worden." Die Kosten zur Produktion hätten bei 15.000 Euro gelegen, die zum großen Teil durch Spenden finanziert wurden.

Den in der Falschausgabe erhobenen Vorwurf, die Zeit würde relevante Themen nicht besetzen, wies die Zeitung zurück.

So habe man schon 2004 über eine mögliche Finanzkrise in Amerika berichtet, bloggte Zeit-Redakteur Wolfgang Blau am Samstag. In den Kommentaren zum Blog-Eintrag wurde eine lebhafte Diskussion geführt. Während manche User die Idee als "besser als das Original lobten", forderten andere die Zeit zu einer Klage auf.

Für Scheidler von Attac ist jetzt wichtig, dass die Nachrichten in der falschen Zeit wahr werden. Dafür würde Attac unter anderem am 28. März mit großen Demonstrationen in Berlin und Frankfurt zum G-20-Gipfel kämpfen.

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10 Kommentare

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  • S
    Susan

    Habe gestern mit großer Freude die ATTAC-Zeit in der TAZ gefunden. Danke dafür!!

  • XA
    XXX Anmerkung der Redaktion XXX

    Liebe taz-Leser,

     

    die "Attac-Zeit" liegt der heutigen Ausgabe der taz bei. Da es sich nicht um ein eigenes Buch handelt, mag es sein, dass Sie leicht übersehen wird. Sie finden Sie eingelegt in der Mitte der taz.

     

    Vielen Dank für Ihre Hinweise!

     

    Herzliche Grüße aus der taz.de-Redaktion!

  • F
    Fredda

    Leider auch keine Zeit in den Taz-Ausgaben in Kölner Kiosken oder am Hauptbahnhof....nichtmal im Wartezimmer vom Zahnbarzt (aber trotzdem ein Kompliment an meinen Zahnarzt für das Abo)....

  • C
    chica

    @ nexus:

    "Von nexus:

    "Heute liegt sie [Falschausgabe der Zeit] der Montagsausgabe der tageszeitung bei"

    Aber leider nicht bei den Ausgaben an den Hauptbahnhöfen in Mannheim und Heidelberg. :-("

     

    --> in den Kiosken in Mannheim und in der Neckarstadt, da gibts die taz mit Zeit durchaus! ;-)

  • B
    Bonzenfesser

    Gut, dass ATTAC eine konservative, von bügerlicher Moral triefende, Zeitung ausgewählt hat. Die ZEIT spricht ein möchtegern-progressives akademisches Milieu an, welches aber doch erschreckend naiv ist im Vergleich zur FAZ oder WELT was die Selbsteinschätzung anbelangt.

  • S
    Snoopy

    Hat das mal jemand gelesen?

     

    alle ZEIT-Herausgeber müssen ja das würgen bekommen.

     

    Anfangs dachte ich: das ist ja eine nett Idee. Aber nach dem Lesen und Anlesen der Beiträge verkehrt es sich ins Gegentiel.

    Wenn man beispielsweise die "Bild" genommen hätte, wäre das Niveau zumindest einmal passen.

    Aber so.....

  • M
    MeisterLampe

    juhuu..ich hatte mich schon geärgert, am samstag nicht in der stadt gewesen zu sein. danke taz :)

  • RK
    Rüdiger Kalupner

    All' diese Aufmerksamkeits-Projekte von attac führen nicht an dem wirksamen, alles entscheidenden Engpass für den Prozess in 'eine andere Welt' vorbei. Dieser Engpaß heißt: die evolutionsprozess-theoriegestützte Erkenntnis der nächsten Evolutionsprozess-Ordnung (= u.a. welche Steuerungsinstrumente für nachhaltiges Wirtschaften zu implementieren sind) für den weltindustriellen Prozess und die Erkenntnis des Startszenarios für den Exodus aus dem globalen Wachstumszwang-Regime (= wie ist die globale Machtfrage zu beantworten ...). Bei attac gibt es nichts davon. Statt dessen Kinkerlitzchen.

     

    Attac könnte es sich hier auch leicht machen. Man müßte nur an Angela Merkel die Frage stellen, welches Evolutionsprozess-Wissen ihrem globalen Projekt 'Charta-des-nachhaltigen-Wirtschaftens' zu Grunde liegt. Angela Merkel wird antworten !

  • N
    nexus

    "Heute liegt sie [Falschausgabe der Zeit] der Montagsausgabe der tageszeitung bei"

    Aber leider nicht bei den Ausgaben an den Hauptbahnhöfen in Mannheim und Heidelberg. :-(

  • Z
    Zensaur

    wegen : ... "Vorwurf., die Zeit würde relevante Themen nicht besetzen"..(usw.)

     

    Liebe Selbstgerechtler von attac:

    ein Blick ins Grundgesetz hilft Euch sicher. Dort heisst es u.a.: "Eine Zensur findet nicht statt."

    Also macht von Eurem Recht auf informationelle Selbstbestimmung Gebrauch, aber schreibt niemandem vor, was er zu veröffentlichen hat !

     

    PS: In diesem Zusammenhang die blöd-Zeitung oder andere Boulevardmedien zu plagiieren wäre im Wortsinne sicherlich billiger gewesen.