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Druck auf Hartz-IV-EmpfängerWer nicht spurt, hat nichts zu lachen

Mehr Hartz-IV-Empfängern wird Unterstützung gekürzt, weil sie die Auflagen des Jobcenters nicht erfüllen. Die linke Sozialsenatorin lehnt das Ausmaß der Sanktionen ab, die Grünen fordern ein "Wunsch- und Wahlrecht" für Arbeitslose.

Hartz IV macht traurig - aber kein Hartz IV macht noch trauriger. Bild: AP

Sanktionen in den Bezirken

Im Jobcenter Reinickendorf erhielten 7 Prozent der arbeitsfähigen Langzeitarbeitslosen im Jahr 2008 durch eine Sanktion weniger Arbeitslosengeld II. Die Zahlen der anderen Bezirke: Tempelhof-Schöneberg 5,5 Prozent, Friedrichshain-Kreuzberg 5,3 Prozent, Steglitz-Zehlendorf 4,6 Prozent, Neukölln 4,2. Prozent, Mitte 4,1 Prozent, Treptow-Köpenick 4 Prozent, Pankow 3,6 Prozent, Charlottenburg-Wilmersdorf und Lichtenberg 3,3 Prozent, Marzahn-Hellersdorf 3,1 Prozent und Spandau 2,3 Prozent.

Im vergangenen Jahr haben die Berliner Jobcenter Sanktionen gegen 7.530 Hartz-IV-Empfänger verhängt, weil die nach Ansicht der Sachbearbeiter ihren Pflichten nicht nachgekommen waren. Das bedeutet, dass gut vier Prozent aller arbeitslosen, erwerbsfähigen Hilfebedürftigen mit weniger Geld auskommen mussten - im Schnitt für knapp drei Monate. Ein Jahr zuvor lag diese Sanktionsquote dagegen noch bei 3,3 Prozent. Das ergibt sich aus einer Antwort der Senatsverwaltung für Soziales auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Abgeordneten Ramona Pop. Besonders häufig kürzten die Jobcenter in Friedrichshain-Kreuzberg und in Reinickendorf das Arbeitslosengeld II, besonders selten passiert dies in Spandau.

Wer die vom Jobcenter vorgegebenen Pflichten nicht erfüllt, also zum Beispiel einen Ein-Euro-Job ablehnt, sich nicht oft genug auf freie Stellen bewirbt oder nicht zur Suchtberatung geht, der erhält im ersten Schritt 30 Prozent weniger Geld. Ein Erwachsener bekommt dann statt 351 Euro monatlich nur noch 246 Euro. Die Kosten für die Miete werden jedoch weiter voll übernommen. Beim zweiten Verstoß wird das Arbeitslosengeld II noch weiter gekürzt - auf 140 Euro pro Monat. 298 Arbeitslosen drehte das Jobcenter den Geldhahn sogar komplett zu - sie erhielten während der Dauer der Sanktion keinen Euro mehr.

Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (Linkspartei) sagte der taz, die Zahl der Sanktionen sei "zu hoch". Diese seien "höchst ungeeignet, um Menschen zu motivieren und sie in den Arbeitsmarkt zu bringen". Sie habe die Hartz-Gesetze stets abgelehnt - aber die Jobcenter müssten sich trotzdem daran halten. Knake-Werner forderte die Bezirke auf, sich für Sanktionen "mit Augenmaß" einzusetzen. Jobcenter werden von den Bezirken zusammen mit der Bundesagentur für Arbeit getragen.

Ramona Pop, Arbeitsmarktpolitikerin der Grünen, forderte eine Debatte über Sinn und Zweck der Sanktionen: "Führt das wirklich dazu, Menschen zu motivieren, oder ist das nur Schikane und Willkür?" Es gebe in den Jobcentern zu häufig die Devise, einfach nur die vorhandenen Programme - etwa ein Bewerbungstraining - mit Leuten zu füllen. Pop forderte ein "Wunsch- und Wahlrecht für Erwerbslose". Deren bisherige Qualifikation und die Berufswünsche müssten "viel stärker beachtet werden, dann ist auch die Motivation da".

Besonders kritisch sieht Pop die vielen Sanktionen für Arbeitslose bis zu 25 Jahren. 9,5 Prozent der Menschen in dieser Gruppe mussten im vergangenen Jahr zeitweise mit weniger Geld leben. Spitzenreiter ist Friedrichshain-Kreuzberg mit einer Quote von 14,5 Prozent. Das hängt für Pop "auch damit zusammen, dass jüngeren Arbeitslosen immer noch viel zu oft Ein-Euro-Jobs statt eine echte Qualifizierung angeboten wird".

Stephan Felisiak, Geschäftsführer des Jobcenters Friedrichshain-Kreuzberg, weist das zurück. Es gebe "viele attraktive Angebote, etwa Theaterprojekte. Wir schauen schon genau hin, was die Leute interessiert." Die hohe Sanktionsquote bei jungen Arbeitslosen "kann ich auch nicht erklären". Die Sanktionen seien im Gesetz vorgesehen, das Jobcenter setze das lediglich um. Felisiak: "Vielleicht müssten Sie mal andere Bezirke fragen, warum deren Quote niedriger ist."

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14 Kommentare

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  • SL
    Scholz Lothar

    Ich bin Körperlich nicht mehr so gut auf den Posten, aber Geistig ist alles klar. Deswegen wollte ich von zu Hause arbeiten (davon gibt es genug und ich hääte da auch schon welche) aber leider sagen alle nein,Ich muss Leibeigener bleiben, ich wollte es auch, weil meine Frau,ein Pflegefall ist. Aber jeden Tag, 140Km fahren für drei Stunden Arbeit(mehr darf ich nicht) das darf ich. So viel Idioten, habe ich in meiner ganzen DDR Zeit nicht gesehen, aber nach der Wende, wo die Kapitalisten, die Macht übernommen haben.Bei Denen dreht es sich, nur um Ihr WOHLERGEHEN,von Menschenwürde habe die nichts gehöhrt.Da werden Blinde zum Maler ausgebildet,Gehöhrlose,zu Telefonisten und Körperamputierte zu Kraftfahrer. Solche Leute sagen uns was wir machen dürfen, die selber kein Gehirn besitzen.Man müsste dumm wie Bohnenstroh sein,dann kommt man zu was und das lügen nicht vergessen.

  • SL
    Scholz Lothar

    Ich bin Körperlich nicht mehr so gut auf den Posten, aber Geistig ist alles klar. Deswegen wollte ich von zu Hause arbeiten (davon gibt es genug und ich hääte da auch schon welche) aber leider sagen alle nein,Ich muss Leibeigener bleiben, ich wollte es auch, weil meine Frau,ein Pflegefall ist. Aber jeden Tag, 140Km fahren für drei Stunden Arbeit(mehr darf ich nicht) das darf ich. So viel Idioten, habe ich in meiner ganzen DDR Zeit nicht gesehen, aber nach der Wende, wo die Kapitalisten, die Macht übernommen haben.Bei Denen dreht es sich, nur um Ihr WOHLERGEHEN,von Menschenwürde habe die nichts gehöhrt.Da werden Blinde zum Maler ausgebildet,Gehöhrlose,zu Telefonisten und Körperamputierte zu Kraftfahrer. Solche Leute sagen uns was wir machen dürfen, die selber kein Gehirn besitzen.Man müsste dumm wie Bohnenstroh sein,dann kommt man zu was und das lügen nicht vergessen.

  • K
    Klaus

    Meine lieben Mitkommentatoren:

    Im Bericht wird verschwiegen, dass während einer Sanktion ab 30% durch das JobCenter Lebensmittelgutscheine ausgehändigt werden.

    Dies erfolgt zumeist wöchentlich und entspricht etwa dem Lebensmittelanteil der Regelleistung.

    Also kann man nicht behaupten das man die Leute verhungern lässt.

    Außerdem ist das JobCenter nicht dafür da, für die Menschen eine maßgeschneiderten Job zu finden sondern Sie bei der Jobsuche zu unterstützen.

    Kein normal denkender Mensch käme auf die Idee sich alleine auf das JobCenter bei der Arbeitssuche zu verlassen.

    Man muss schon selber wissen wie man sein Leben gestalten will und darf seine eigenen Probleme nicht bei den Mitarbeitern der ARGE abladen so nach dem Motto macht mal.

    Meines Wissens werden die Kunden regelmäßig eingeladen.

    Da wird sicher genügend Zeit vorhanden sein um sich zu seinen Wünschen zu äußern.

    Und wenn da nichts kommt muss sich der Vermittler halt was einfallen lassen.

  • IW
    I. Wittig

    Die verbalen Bekundungen der Berliner Sozialsenatorin (Linke) erweisen sich zunehmend als bloßer Verbal- bzw. Salonsozialismus! Mir liegt jetzt schriftlich vor, dass die Bearbeitung einer berechtigten Beschwerde gegen das Jobcenter Pankow und die Wahrnehmung der Dienstaufsicht durch die Sozialsenatorin schlichtweg abgelehnt wird! Ich wurde gezwungen, trotz Krankschreibung beim Jobcenter persönlich vorzusprechen, um meine Leistung fristgerecht zu erhalten. Es endete für mich mit einem Notfalleinsatz und Einweisung ins Krankenhaus. DAS ist in Berlin mittlerweise Realität - unter der Mitverantwortung dieser Sozialsenatorin!

  • IW
    I. Wittig

    Die verbalen Bekundungen der Berliner Sozialsenatorin (Linke) erweisen sich zunehmend als bloßer Verbal- bzw. Salonsozialismus! Mir liegt jetzt schriftlich vor, dass die Bearbeitung einer berechtigten Beschwerde gegen das Jobcenter Pankow und die Wahrnehmung der Dienstaufsicht durch die Sozialsenatorin schlichtweg abgelehnt wird! Ich wurde gezwungen, trotz Krankschreibung beim Jobcenter persönlich vorzusprechen, um meine Leistung fristgerecht zu erhalten. Es endete für mich mit einem Notfalleinsatz und Einweisung ins Krankenhaus. DAS ist in Berlin mittlerweise Realität - unter der Mitverantwortung dieser Sozialsenatorin!

  • PN
    Peter N.

    Ich arbeite zufällig in der Erwachsenen Bildung, deshalb kann ich bestätigen, dass eine bestimmte Gruppierung (meist unter 35jährige Männer mit Migrationshintergrund) sich bewusst blöd stellen, um keine unliebsame Arbeit(oft sogar keine Arbeit) annehmen zu müssen.

     

    Auffallend, dass diese Männer genügend Kinder im Haushalt haben. Das muss fairerweise gesagt werden, obgleich ich gegen Hartz IV bin.

     

    Eine andere Sache sind Ältere (ab 50zig & Behinderte ) die könnten nach meiner Meinung einen höheren Regelsatz bekommen_der Arbeitsmarkt will sie sowieso nicht mehr!

  • D
    dingenskirchen

    zum beispiel. erklärungstext lesen macht sinn:::http://www.youtube.com/watch?v=fM7aULR9ujo

  • H
    Hupe

    Auch ich durfte ein sinnloses Bewerbungstraining mitmachen, dem ich "zugewiesen" wurde. Im Hintergrund steht immer der Sanktionsknüppel des Amtes. So wird Steuerzahlergeld verschwendet und die Statistik frisiert. Bei dem Bewerbungstraining wurden gestandene Akademiker und abgebrochene Hauptschüler zusammengefasst. Es ging vornehmlich darum, die Zeit regelrecht totzuchlagen. Die Hilflosigkeit des Amtes angesichts der Massenarbeitslosigkeit zeigt sich deutlich in solchen Maßnahmen, die überwiegend Realsatire sind.

  • A
    Amos

    Sinn und Zweck der Sanktionen ist, dieses System

    zu entschuldigen.

  • HF
    Heidemarie F. C. Grünheid

    Die linke Sozialsenatorin lehnt das Ausmaß der Sanktionen ab

     

    Was sie nicht sagt, der Senat und die Bezirksämter haben kein Weisungsrecht gegenüber den Jobcentern.

     

    Wer hilft den Hartz-IV-Empfängern während der langen Wartezeit bis zur Klärung durch das Sozialgericht?

     

    Die Abschaffung der Hartz-Gesetze zu fordern ist in der täglichen Umsetzung ein Widerspruch.

  • A
    Amos

    Führt das Bürgergeld ein und setzt die aus dem Jobcenter auf die Straße, denn die taugen ohnehin

    nichts und damit kann man auch noch Geld sparen.

    Der ganze Behördenkram kostet mehr Geld, als dass

    was dabei heraus kommt.Die verwalten und schikanieren doch hauptsächlich deshalb weil sie

    selbst auf Kosten anderer ihren Arbeitsplatz erhalten wollen.

  • M
    Mephane

    Meiner Meinung nach sind diese "Sanktionen" (besonders letztlich die Komplettstreichung) nichts anderes als versuchter Mord durch erzwungenen Hungertod.

     

    Es gibt so etwas wie Menschenwürde und das Recht auf Leben, indem man einem Bedürftigen aber die Unterstützung vorenthält, bricht man genau diese Rechte.

     

    Ich will jetzt garnicht über die Sinnhaftigkeit diverser Maßnahmen, deren Nichtteilnehmen bestraft hat diskutieren, aber ALG II ist per definitionem das Existenzminimum! Einem Menschen dieses Wegzunehmen ist eine Tat wider die Menschenrechte.

  • K
    kogeta

    Eine Frage an die ausführenden Organe.

    Würden Sie auch Folgendes umsetzen:

    Lassen Sie Unwillige verhungern! Ja, meine ich, auch dass würde umgesetzt, ist doch lediglich nicht so euphemistisch wie der Begriff "Sanktion" bzw. "Kürzung".

    Ein Hoch auf den deutschen Gehorsam!!!

  • FP
    Frank P.

    Wenn es z.B. darum geht, die Statistiken zu frisieren werden auch Programmierer zu einem 2 wöchigen Computer-Einführungskurs geschickt.

     

    Das nennt man dann "Arbeitsplätze schaffen".