Obama und der Völkermord an Armeniern: Kein böses Wort
Im Wahlkampf hatte Barack Obama noch vom Völkermord an den Armeniern gesprochen. Als US-Präsident verzichtete er in Ankara darauf.
ISTANBUL taz Es war gleich die erste Frage auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit dem türkischen Präsidenten Abdullah Gül am Montagmittag in Ankara: "Haben Sie Ihre Ansichten zum Völkermord an den Armeniern geändert, oder haben Sie Herrn Gül aufgefordert, sich Ihrer Ansicht anzuschließen?", wollte die Korrespondentin der Chicago Tribune wissen. Obama umschiffte diese vorhersehbare Klippe seines Türkeibesuchs mit gewohnter Eleganz: "Nein, ich habe seine Ansichten nicht geändert", sagte Obama, der im Wahlkampf klar von Völkermord gesprochen hatte.
Aber hier, so fuhr er fort, stünden nicht seine Ansichten im Vordergrund, sondern die Bemühungen zwischen der Türkei und Armenien, die Frage untereinander zu lösen. "Wir werden diese Bemühungen so konstruktiv wie möglich unterstützen, und soweit ich weiß, sind sie auf einem gutem Weg. Ich will das nicht vorwegnehmen, das wird Präsident Gül tun." Der beeilte sich zu bestätigen, dass die Gespräche mit Armenien weit gediehen seien und die Türkei einen umfassenden Frieden im Kaukasus anstrebe. Die Öffnung der Grenze zu Armenien noch während Obamas Besuch kündigte Gül allerdings nicht an, obwohl darüber vielfach spekuliert worden war.
Seit Monaten verhandeln die Türkei und Armenien über die Normalisierung ihrer Beziehungen. Armenien hat aus ökonomischen Gründen das größte Interesse daran, dass die Grenze zur Türkei geöffnet wird. Und die Türkei weiß, dass sie, um ihre angestrebte Rolle als Vermittler zwischen Ost und West ausfüllen zu können, unbedingt die Völkermorddebatte beenden muss. Deshalb wird nun nach pragmatischen Anknüpfungspunkten gesucht und gleichzeitig versucht, das heikle Thema in eine Historikerkommission zu verbannen. Aus außenpolitischen Kreisen in den USA verlautete deshalb schon im Vorfeld des Besuchs, dass es unklug wäre, dieser Annäherung zu schaden, nur um der armenischen Lobby in den USA einen Gefallen zu tun.
Dafür regt sich anderswo Protest gegen diese Annäherung: Am Sonntagabend ließ Ilcham Alijew, der Staatspräsident Aserbaidschans, wissen, dass er seine Teilnahme am Treffen der "Allianz der Zivilisationen" in Istanbul abgesagt hat. Er wolle damit gegen eine mögliche Einigung zwischen Türkei und Armenien über die Köpfe der Aseri hinweg protestieren. Alijew droht gar damit, die Gaslieferungen aus Baku an die Türkei einzustellen, falls die Grenze zu Armenien geöffnet wird, bevor die armenischen Truppen eine in den Neunzigerjahren im Krieg in Berg-Karabach besetzte Enklave verlassen haben. Die Türkei hat in dem Konflikt immer Aserbaidschan unterstützt und deswegen auch 1993 die Grenze geschlossen. Zwar versucht die Türkei zwischen den beiden Kontrahenten zu vermitteln, bislang aber noch ohne Erfolg.
Alijew hat seine Drohung mit dem Stopp der Gaslieferungen bereits präzisiert. Die Türkei hat das Gas bislang zu einem Vorzugspreis von 120 Dollar bekommen, Russland, so Alijew, sei dazu bereit, den Weltmarktpreis von 350 Dollar zu zahlen. Eine deutliche Mahnung, die Interessen der Aseri nun nicht zu vergessen.
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